Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Tiger klagen Indien an

Vorwurf der Ermutigung Colombos zum Völkermord. Kollaborateure gewannen kommunale Wahlfarce im Osten Sri Lankas

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LLTE) haben Indien verurteilt, weil es General Sarath Fonseca, dem Militärchef Sri Lankas, bei dessen kürzlichem SechsTage-Besuch in Indien einen »staatlichen Willkommensgruß« entboten hatte. Fonseca gehört zu den Falken im Establishment Colombos, die die tamilischen Rebellen militärisch besiegen wollen, um ihnen danach am Verhandlungstisch die Bedingungen diktieren zu können. In ihrer Erklärung bewertet die LTTE Indiens Empfang für den General als Ermutigung Colombos, den gnadenlosen Militärkurs fortzusetzen. Dieser »historische Fehler« Neu-Delhis könne nur zu weiterem »Völkermord an den Tamilen« beitragen. Etliche europäische Länder hingegen hätten die wirklichen Motive der singhalesisch dominierten Regierung durchschaut und deshalb jegliche Assistenz eingestellt, die den »Genozid« fördern würde, heißt es in der Stellungnahme.

Unterdessen wurde am Dienstag das offizielle Resultat der Kommunalwahlen im Distrikt Batticaloa im Osten Sri Lankas bekanntgegeben. Die hatten nach Einschätzung von Menschenrechtlern in einem Klima der Gewalt und des Chaos am Vortag stattgefunden. Es siegte die mit Colombo paktierende Tamilische Volksbefreiungspartei (Tamil Makkal Viduthalai Pullikkal; TMVP) des ehemaligen Rebellenkommandeurs Oberst Karuna. Sie hat in acht von neun Kommunalräten eine erdrückende Mehrheit. Viele Wähler im Batticaloa-Distrikt, so äußerten Beobachter, wären zum Votum gezwungen worden und hätten ihre Stimmen aus Angst vor den Aktivisten der TMVP abgegeben. Die Wahlbeteiligung lag trotzdem lediglich bei etwas über 50 Prozent. Zur Absicherung des Wahlgangs waren über 6500 Polizisten aufgeboten worden.

Die im Parlament vertretene Tamilische Nationale Allianz und die größte Oppositionspartei, die Vereinte Nationalpartei, boykottierten die Wahlen. Sie begründeten ihre Entscheidung damit, daß unter den bestehenden unsicheren Verhältnissen im Osten freie und faire Wahlen nicht möglich sind. Von den Hauptparteien waren nur die in Colombo regierende Vereinte Freiheitsallianz des Volkes, mit der sich die TMVP verbündet hatte, und der Sri Lanka Muslim Congress angetreten.

Im Jahre 2004 hatte Oberst Karuna den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) nach einem Zerwürfnis mit Rebellenchef Velupillai Prabhakaran den Rücken gekehrt. Karuna und seine Anhänger begannen danach, in der Ost-Provinz mit den Streitkräften zu kollaborieren. Diese Waffenallianz vertrieb im Juli 2007 die LTTE aus der Ost-Provinz. Gegenwärtig befindet sich Karuna in Großbritannien wegen einer Reisepaßfälschung in Polizeigewahrsam. Seine bewaffneten Trupps werden von Menschenrechtsorganisationen der Rekrutierung von Kindersoldaten, des Kidnappings, der Erpressung, brutaler Gewaltanwendung und des Tötens von Gegnern angeklagt.

»Diese friedlichen Wahlen unterstreichen das Ziel der Regierung, ein Umfeld zu schaffen, in dem alle unsere Bürger in Freiheit und Harmonie leben können.« Das behauptete am Dienstag Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse triumphierend, wollte er doch mit dem Urnengang beweisen, daß der Osten unter Kontrolle von Regierung und Streitkräften auf dem Weg zu einem normalen Alltag sei.

In- und ausländische Bürgerrechtler machen den Präsidenten und die Regierung jedoch für schwere Verletzungen der Menschenrechte und für das »Verschwinden« Hunderter Sri Lankaer verantwortlich. Auf der jüngsten Sitzung der UN-Menschenrechtskommission (UNHRC) in Genf wies Sri Lankas Vertreter freilich alle derartigen Vorwürfe zurück. Er behauptete, die meisten Staaten würden Colombos Position und seinen »Krieg gegen den Terrorismus« verstehen. Dieser Krieg tobte unvermindert auch am Montag, dem Wahltag. Rund 100 Menschen --Zivilisten, Rebellen und Soldaten --wurden seitdem an den Fronten im Norden getötet.

* Aus: junge Welt, 13. März 2008


Zurück zur Seite Sri Lanka

Zur Indien-Seite

Zurück zur Homepage