Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kurze Hoffnung

Sri Lankas Regierung verärgert über Gesprächsankündigung aus Brüssel

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Die Freude unter Sri Lankas Bevölkerung, daß es angesichts der Meldungen aus Brüssel doch zur Wiederaufnahme der im Februar abgebrochenen Kontakte zwischen Regierung und Rebellen kommen könnte, währte nur kurz. Keine 24 Stunden später zerstoben alle Illusionen, als Kebeliya Rambukwella, der Sprecher des Verteidigungsministeriums, äußerte: »Die Regierung ist zu künftigen Diskussionen nicht konsultiert worden. Norwegen oder irgendwer sonst kann nicht Daten und Treffpunkte ankündigen. Wir sind ein souveräner Staat.« Die Norweger seien nur Vermittler. Colombo habe ihnen keine seiner Vollmachten übertragen. Dazu war im Medienzentrum für Nationale Sicherheit in Colombo noch eine Erklärung erhältlich, in der sich Sri Lankas Regierung »höchst verwirrt« angesichts der Nachrichten aus Brüssel zeigte, beide Seiten hätten bedingungslosen Gesprächen zugestimmt. Colombo fühle sich zwar einer friedlichen Regelung des Konflikts verpflichtet, werde aber seine Bedingungen dafür stellen.

Die Konfusion in Colombo war von einer Ankündigung von Geberländern ausgelöst worden, beide Konfliktparteien in Sri Lanka seien zu Gesprächen bereit. In Brüssel hatte Benita Ferrero-Waldner, die EU-Kommissarin für auswärtige Angelegenheiten, am Montag von »Bereitschaftsbekundungen und Signalen von der Regierung Sri Lankas und der LTTE« gesprochen, »zu Gesprächen ohne Vorbedingungen zu kommen«. Diese sollten schnell stattfinden, möglichst Anfang Oktober in Oslo. Und Norwegens Minister für internationale Entwicklung, Erik Solheim, der 2002 maßgeblich am Zustandekommen des Waffenstillstandsabkommens in Sri Lanka mitwirkte, äußerte gegenüber BBC, es bestünden »sehr deutliche Erwartungen, daß es direkte Gespräche geben wird.«

Diese Erwartungen waren durch wiederholte Lippenbekenntnisse von Präsident Mahinda Rajapakse genährt worden, er halte an einer Friedenslösung des ethnisch-sozialen Konflikts fest. Erst am Dienstag hatte er auf einer Tagung der Commonwealth-Finanzminister in Colombo an die LTTE appelliert, Gewalt und Terror abzuschwören und zum Verhandlungstisch zurückzukehren, um Frieden zu schaffen und die soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Der Leiter der politischen Abteilung der LTTE, S. P. Tamilselvan, behauptete etwa zur gleichen Zeit, die Rebellen seien bereit zu Diskussionen mit der Regierung. Allerdings wären die Bedingungen für Gespräche besser, wenn die Streitkräfte ihre Attacken einstellen und alle Artikel des Waffenstillstandsabkommens respektieren würden.

Unter politischen Beobachtern in Colombo hält sich der Verdacht, die Befreiungstiger würden vage Gesprächsbereitschaft nur deshalb bekunden, weil sie in den letzten Wochen empfindliche militärische Niederlagen hinnehmen mußten. Bei den Kämpfen im Distrikt Trincomalee, der Einnahme der Stadt Sampur im Osten durch die Streitkräfte, bei Gefechten auf See und der Offensive bei Muhumalai sollen Hunderte Rebellen gefallen sein. Während die LTTE zu ihren Verlusten schweigt, glauben Militärstrategen, die Guerilla brauche wegen des enormen Aderlasses jetzt eine Atempause. Das schon in der Vergangenheit erprobte Mittel seien Gespräche.

Die Militärs setzen in dieser Situation die Regierung in Colombo schwer unter Druck. Die Armee wähnt sich in einer Ausgangslage wie nie zuvor, die Guerilla endgültig zu schlagen. Unter solchen Aspekten scheint es aus Regierungssicht undenkbar, ohne Vorbedingungen in Verhandlungen zu gehen. Zudem befürchtet man im Establishment Colombos, die Geberländer, die EU und die norwegischen Vermittler könnten mit ihrer vorschnellen Initiative lediglich den tamilischen Befreiungstigern aus der momentanen Klemme helfen, nicht aber zur wirklichen Regelung des Konflikts beitragen.

* Aus: junge Welt, 14. September 2006


Zurück zur Seite Sri Lanka

Zurück zur Homepage