Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Der Auftritt des Generals

Sri Lankas Armeechef erklärt die tamilischen Befreiungstiger für "geschlagen" – und stellt seinen neuesten Zeitplan für deren endgültige Niederlage vor

Von Raoul Wilsterer *

Um eine Nachricht von historischer Dimension zu verkünden, inszenierte sich Sri Lankas Armeechef am Dienstag vor ausgewähltem Publikum. Die »Befreiungstiger von Tamil Eelam« (LTTE) seien »geschlagen« oder hätten doch zumindest »ihre Fähigkeit zur konventionellen Kriegsführung eingebüßt«, befand Generalleutnant Sarath Fonseka gegenüber der in Colombo stationierten Auslandspresse. Wieviel Substanz allerdings seine weitreichende Interpretation der militärischen Lage im tamilischen Norden der Insel hat, blieb undeutlich, da Fonseka selbst seinen militärischen Optimismus relativierte, indem er einen Zeitplan zur endgültigen Vernichtung der LTTE aufstellte.

Zensierte Nachrichten

Innerhalb eines Jahres würden die Tiger zu einer »gewöhnlichen terroristischen Gruppe reduziert« werden, so Fonseka. Noch im Dezember 2007 hatte er prognostiziert, daß die LTTE bis Juni 2008 »ausgelöscht« werde. Kurze Zeit später hatte Colombo einseitig den – längst lädierten – Waffenstillstand beendet und seine militärische Offensive gegen die von der LTTE beherrschten Gebiete weiter intensiviert. Seitdem bestand die zensierte Nachrichtengebung aus Erfolgsmeldungen –wie am gestrigen Donnerstag, als »Regierungstruppen nach eigenen Angaben 26 tamilische Rebellen« töteten (AP, 3.7.) und von eigenen Verlusten schwiegen. Seit August 2006, so Fonseka am Dienstag, seien insgesamt 9000 LTTE-Rebellen getötet worden, bei 1700 »gefallenen Soldaten«. Die verbliebene Stärke der Befreiungsbewegung gab er mit »5000 Kadern« an und bezog sich auf »Geheimdienstinformationen«.

Die tamilische Befreiungsbewegung ging bisher nicht direkt auf die Behauptungen Fonsekas ein, sie sei als »konventionelle Streitmacht« besiegt. Doch wies sie laut BBC von Mittwoch die Militärberichte über Erfolge zurück: Die Opferzahlen, die von der Regierung veröffentlicht wurden, seien falsch und zielten darauf, die Unterstützung des Krieges im singhalesischen Süden aufrechtzuerhalten. In der Tat werteten Beobachter in der srilankischen Hauptstadt »die ungewöhnliche Zwischenbilanz als einen Versuch der Regierung, die Bevölkerung zu beruhigen«, so die Frankfurter Allgemeine (2.7.).

In der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit wächst die Unzufriedenheit, ja der Unmut über die sich rapide verschlechternde soziale Lage. Die Lebenshaltungskosten stiegen innerhalb eines Jahres um 28 Prozent, staatliche Subventionen wurden abgebaut, und zunehmend wird die Frage gestellt, welchen Sinn dermaßen hohe Militärausgaben haben. Zunehmend drängt sich die Vermutung auf, daß mit der Kriegsberichterstattung von anderen Problemen abgelenkt werden soll, und einige propagandistische Passagen in Fonsekas Auftritt nährten diese. So behauptete der Armeechef, das Ziel der LTTE sei, die gesamte Insel einzunehmen und die singhalesische Bevölkerung auszulöschen: »Wir werden dies um jeden Preis verhindern; wir werden sie bekämpfen.«

Kriegsmüdigkeit

Drei Monate vor den aktuellen Äußerungen des Armeechefs hatte ein anderer führender Militär die Kriegsstrategie von Präsident Mahinda Rajapakse kritisiert. Die selbstauferlegten Fristen für einen Sieg über die LTTE seien »nicht realistisch«, befand Generalmajor Janaka Perera. ein lang andauernder Krieg gegen die LTTE werde Kriegsmüdigkeit erzeugen und am »Kampfeswillen des Militärs« zehren. Sri Lankas Streitkräfte haben offiziell eine Stärke von über 200000 Mann. In den vergangenen Wochen, so die tamilische Website TamilNet, habe es beständig Meldungen über »niedrige Moral« gegeben. Unter jungen Rekruten in Jaffna soll es »zu zahlreichen Selbstmorden gekommen« sein. Perera zufolge spiele die LTTE folglich auf Zeit. »Wenn der September kommt, setzt der Nordost-Monsun ein.« Zusätzlich zur physischen und mentalen Erschöpfung wirke sich das Wetter auf den Zustand der Truppe aus – unter anderem durch Krankheiten wie Malaria und Fieberattacken.

* Aus: junge Welt, 4. Juli 2008


Zurück zur Seite Sri Lanka

Zurück zur Homepage