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Neue Hoffnung für Frieden in Sri Lanka?

Regierung und Rebellen wollen zurück an Verhandlungstisch - Kritik an norwegischer Vermittlung

Von Hilmar König, Delhi*

Die Tamilen-Rebellen in Sri Lanka haben ihre Bereitschaft zu baldigen Verhandlungen mit der Regierung über eine Rettung des Waffenstillstands erklärt. Ob sie gelingt, ist umstritten.

Wider Erwarten ist es den norwegischen Vermittlern gelungen, das Einverständnis der Regierung Sri Lankas und der tamilischen Befreiungstiger (LTTE) für Gespräche über das im Februar 2002 geschlossene Waffenstillstandsabkommen einzuholen. Nach der Ermordung des sri-lankischen Außenministers Lakshman Kadirgamar am 12. August war eine solche Entwicklung nicht erwartet worden.

Sowohl in Sri Lanka als auch in den südasiatischen Nachbarländern überwog die Meinung, mit dem Attentat sei dem Friedensprozess der Todesstoß versetzt worden und das Abkommen zur Waffenruhe nur noch Makulatur. Obwohl bis heute von den Sicherheitskräften in Colombo keine schlüssigen Beweise für die Täterschaft der LTTE vorliegen, reichen der Polizei Indizien wie »Vorgehen und Waffen«, um die Rebellen für schuldig zu erklären. Selbst Staatspräsidentin Chandrika Kumaratunga äußerte im Fernsehen: »Die Untersuchung scheint die Verantwortung der LTTE für den brutalen Mord zu enthüllen.« Es sei nicht akzeptabel, so die Präsidentin, »dass eine Gruppe, die endlos davon redet, der Waffenruhe verpflichtet zu sein, diese so dreist bricht.« Zwar habe die LTTE eine Verwicklung in den Mord verneint, aber das widerspreche den Fakten.

Trotz der schwierigen Ausgangslage ist es dem norwegischen Außenminister Jan Petersen offenbar gelungen, Frau Kumaratunga noch in Colombo nach dem Staatsbegräbnis für Kadirgamar von der Notwendigkeit überzeugen, nun erst recht die seit März 2003 unterbrochenen direkten Gespräche mit den tamilischen Rebellen wieder aufzunehmen. Und beim Zwischenstopp in London, wo LTTE-Chefunterhändler Anton Balasingham residiert, schaffte es Petersen vergangene Woche, auch die Befreiungstiger zu Gesprächen zu bewegen. Aus LTTE-Kreisen verlautete inzwischen, ein solches Treffen könnte in einigen Wochen in Oslo stattfinden.

Die Vermittlungsbemühungen Oslos werden von einflussreichen politischen Kreisen in Colombo und Beobachtern in Delhi seit langem mit Skepsis verfolgt. Die Norweger und die skandinavische Sri-Lanka- Beobachtermission seien zu LTTEfreundlich. Sie würden die »wahren Absichten« der Befreiungstiger – Errichtung eines unabhängigen Tamilenstaates Eelam auf dem Gebiet Sri Lankas – nicht durchschauen. Zudem würden sie den Aufständischen zu viel durchgehen lassen, etwa deren Anspruch auf eine alleinige Vertretung aller Tamilen Sri Lankas und die damit in Verbindung stehende Mordserie an tamilischen Rivalen.

Auch Kadirgamar gehörte nicht zu den Anhängern der Oslo-Mission. Die Bewegung für Demokratie in von der LTTE kontrollierten Distrikten im Norden und Osten des Landes müsse in Gang gesetzt werden, sagte er kurz vor seinem Tod. »Wenn die Regierung Norwegens unfähig ist, sich dieser Sache aus Überzeugung und mit der erforderlichen Tatkraft anzunehmen, sollte sie bei Seite treten und anderen Parteien Platz machen, die die Flagge der Demokratie in Gebiete tragen könnten, wo gegenwärtig Dunkelheit herrscht.« Bekannt ist, dass Kadirgamar für ein stärkeres Engagement der Inder bei der Lösung des ethnisch-sozialen Konflikts in Sri Lanka eintrat.

Obwohl es noch keinen konkreten Gesprächstermin gibt, werden bereits Maximalforderungen formuliert. So glaubt der in Sri Lanka und Indien tätige Kolumnist Rohini Hensman, man müsse ein völlig neues Waffenstillstandsabkommen aushandeln, in das auch der abtrünnige Rebellenkommandeur Oberst Karuna integriert wird und das die Befreiungstiger zum Frieden »zwingt«. Hensman wirft in einem Artikel für die indische Zeitung »The Hindu« den Norwegern vor, Menschenrechtsverletzungen im LTTE-Gebiet ignoriert zu haben, »um zu bewahren, was sie den Friedensprozess nennen«. Ob sie gehen oder bleiben, die UNO müsste unabhängige Menschenrechts- Beobachter entsenden, fordert Hensman. Nach seiner Auffassung ist das Waffenstillstandsabkommen von 2002 zusammen mit Lakshman Kadirgamar zu Grabe getragen worden.

* Aus: Neues Deutschland, 23. August 2005


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