Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Humanitäre Katastrophe

Mehr als 100.000 Menschen in Sri Lanka in die Flucht getrieben

Von Stefan Mentschel, Delhi *

Nach der Bombardierung eines Waisenhauses ordnete Sri Lankas Regierung die Schließung aller Schulen an. UN-Generalsekretär Annan forderte die Konfliktparteien zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf.

Sri Lanka kommt nicht zur Ruhe. Am Dienstag lieferten sich Regierungstruppen und Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) wieder heftige Kämpfe auf der Halbinsel Jaffna. Auch aus anderen Teilen des von den Rebellen kontrollierten Gebiets im Norden und Osten des Landes wurden Zwischenfälle gemeldet.

Nach Ansicht von Jehan Perera, Direktor des Nationalen Friedensrats von Sri Lanka, haben die seit drei Wochen anhaltenden Kämpfe eine »humanitäre Katastrophe« ausgelöst. »Binnen weniger Tage wurden mehr als 100 000 Menschen zu Flüchtlingen. Und die Zahl steigt täglich«, erklärt Perera gegenüber ND. Hilfsorganisationen bleibe jedoch der Zugang zum Kampfgebiet verwehrt. Ein Grund dafür sei, dass es sich um einen unerklärten Krieg handelt. »Offiziell ist die vor vier Jahren verabschiedete Waffenruhe noch in Kraft«, so Perera. Diese Situation nutzten beiden Seiten, um gegen völkerrechtliche Normen zu verstoßen.

Erst am Montag waren beim Angriff der Luftwaffe auf ein Waisenhaus nahe der Stadt Mullaittivu zahlreiche tamilische Jugendliche ums Leben gekommen. Die LTTE spricht von 61 Toten und 129 Verletzten. Die Armee behauptet, es habe sich um ein Trainingslager der Rebellen gehandelt. Skandinavische Waffenstillstandsbeobachter fanden indes keine Hinweise auf eine militärische Nutzung des Komplexes. Allerdings konnten sie die hohe Opferzahl nicht bestätigen. In einem Krankenhaus seien aber die Leichen von 19 jungen Frauen gefunden worden. Als Vorsichtsmaßnahme gegen mögliche Vergeltungsakte der LTTE hat die srilankische Regierung inzwischen die Schließung aller Schulen des Landes für zwei Wochen angeordnet.

Rätsel gibt derweil der Bombenanschlag auf den Fahrzeugkonvoi des pakistanischen Botschafter auf. Dabei waren am Montag in Colombo sieben Menschen ums Leben gekommen, der Diplomat blieb unverletzt. Sicherheitsexperten vermuten, dass es sich um eine Warnung der LTTE gehandelt haben könnte, da Pakistan Sri Lanka militärisch unterstützt. Beweise gibt es dafür bislang nicht.

Trotz des anhaltenden Blutvergießens bekräftige Staatspräsident Mahinda Rajapakse in einem Interview das Bekenntnis seiner Regierung zum Frieden. An die Rebellen gerichtet sagte er, dass die Türen für Verhandlungen weiterhin offen stünden. Kurz zuvor hatte UNO-Generalsekretär Kofi Annan die Konfliktparteien aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die LTTE schloss Gespräche bis auf weiteres aus.

* Aus: Neues Deutschland, 17. August 2006


Zurück zur Seite Sri Lanka

Zurück zur Homepage