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Colombo verweigert Versöhnung

Tamilische Minderheit in Sri Lanka weiter verfolgt. Ex-Armeechef: "Totale Diktatur"

Von Hilmar König *

Der ehemalige Armeechef Sri Lankas, Sarath Fonseka, hat nach seiner Verurteilung durch ein Militärtribunal das Herrschaftssystem unter Präsident Mahinda Rajapakse am Donnerstag als »totale Diktatur« gebrandmarkt, in der politische Opponenten verfolgt würden. Damit reagierte der frühere General auf die Gerichtsentscheidung, ihn in Unehren aus der Armee zu entlassen und ihm alle Orden, Titel und die Pension abzuerkennen, weil er sich politisch betätigt habe, als er noch Uniform trug. Fonseka war im Januar bei den Präsidentschaftswahlen gegen Rajapakse angetreten, hatte jedoch gegen ihn verloren. Bei den Parlamentswahlen im April wurde er hingegen immerhin zum Abgeordneten gewählt. Während des Bürgerkrieges leitete Fonseka die entscheidenden Operationen bis zum Sieg über die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) im Mai 2009. Die singhalesische Bevölkerungsmehrheit feierte ihn damals ebenso wie Staatschef Rajapakse als »Nationalhelden«.

International wird das Vorgehen der Armee gegen die Rebellen besonders in den letzten Monaten vor der LTTE-Niederlage zunehmend kritisch gesehen. Eine im Juni gebildete UNO-Kommission untersucht, ob und in welchem Ausmaß die Streitkräfte schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen begangen haben. Die Zahl der in jener Zeit getöteten tamilischen Zivilisten wird auf mindestens 7000 geschätzt. Rund 300000 Inlandsvertriebene wurden in Notlagern interniert. Die Regierung lehnt eine Zusammenarbeit mit den UNO-Ermittlern ab und hat eine eigene »Aussöhnungskommission« gebildet. Vor der rechtfertigte am Dienstag Verteidigungssekretär Gotabhaya Rajapakse, ein Bruder des Präsidenten, das Vorgehen der Soldaten. Sie hätten schwere Verluste erlitten, um Zivilisten zu schützen und zu retten. Von Menschenrechtsverletzungen sei ihm nichts zu Ohren gekommen, auch »keinerlei Beschwerden« aus dem Ausland. Nicht die Soldaten, sondern die tamilischen Rebellen hätten auf fliehende Zivilisten geschossen. Überhaupt tendierten ausländische Kritiker dazu, die Zahl der getöteten Rebellen mit der von Zivilisten zu vermischen.

Internationale Menschenrechtsorganisationen verweisen hingegen darauf, daß zahlreiche tamilische Bürger verschwunden seien und es zu auffällig vielen »außergerichtlichen Todesfällen« komme. Die Regierung habe bislang keine Maßnahmen für eine wirkliche Aussöhnung zwischen den ethnischen Gruppen ergriffen.

Tatsächlich schiebt Colombo eine politische Lösung des seit Jahrzehnten bestehenden ethnisch-sozialen Konflikts zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit vor sich her.

Anfang August erreichten rund 500 Tamilen mit dem Schiff »Sun Sea« das kanadische Vancouver. Gegenüber den kanadischen Behörden gaben sie als Motiv an, daß auch nach dem Kriegsende in ihrer Heimat weiter Unschuldige interniert werden, Inlandsvertriebene noch nicht heimkehren konnten und Morde, spurloses Verschwinden und Erpressungen an der Tagesordnung seien. Auch im Süden Indiens leben derzeit 70000 tamilische Flüchtlinge aus Sri Lanka in 112 Lagern.

* Aus: junge Welt, 23. August 2010


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