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Aufruf aus dem Gefängnis

"Ruhig bleiben", fordert Sri Lankas Exarmeechef

Von Ashok Rajput, Colombo, und Gloria Fernandez *

Bis vor kurzem zogen Mahinda Rajapakse und Sarath Fonseka noch an einem Strang. Das war in den Jahren, als es den Herrschenden in Sri Lanka darum ging, den »nationalen Feind« in Gestalt der tamilischen Freiheitsbewegung zu bekämpfen. Der von der militärisch überlegenen Armee mit äußerster Brutalität gegen die Befreiungstiger von Tamil Eelaam (LTTE) geführte Krieg endete im Mai vergangenen Jahres. Seitdem verschärfen sich die Gegensätze im Lager der Sieger: Sri Lankas Präsident und der Oberkommandierende der Streitkräfte (Dezember 2005 bis Juni 2009) wurden zu erbitterten Gegnern.

Bei den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen am 26. Januar ließ sich Amtsinhaber Rajakapse, ein singhalesische Nationalist, als klarer Sieger feiern. Die Wahlkommission hatte ihm ein Ergebnis von 57,9 Prozent bescheinigt. Sein Konkurrent Fonseka landete demnach bei 40,2 Punkten. Als Kandidat hatte er sich eine eigenartige, buntscheckige Unterstützerschaft geschaffen. Zu ihr gehörten unter anderem einflußreiche Kräfte wie die einen Versöhnungskurs mit den Tamilen propagierende zweitstärkste Parlamentspartei UNP und die tamilische TNA, aber auch die maoistische, antitamilisch agierende JVP. In Folge zeigte der Unterlegene keinerlei Neigung, sich der Entscheidung zu beugen, sprach von »Manipulationen« und kündigte an, Beschwerde einzulegen. Seitdem steht er offensichtlich auf der umfangreichen schwarzen Liste des als nicht zimperlich bekannten Rajapakse ganz oben. Der Präsident ließ nach den Wahlen zunächst das Hotel militärisch belagern, in dem sich Fonseka aufhielt. Es folgten weitere Schikanen, die schließlich am Montag in der Verhaftung Fonsekas durch Militärpolizei mündeten.

Wahrscheinlich wird er sich nun aber vor einem Militärgericht Sri Lankas verantworten müssen. Die Regierung in Colombo wirft ihm Putschversuche, die Absicht, Präsident Rajapakse ermorden zu lassen, Landesverrat und »Kollaboration mit antinationalen Kräften« vor. Wenn er auf diesem Wege von der politischen Bühne gefegt wird, dürfte die regierende Vereinte Volksfreiheitsallianz bei den Parlamentswahlen kaum noch etwas zu befürchten haben. Ohne ihre Galionsfigur Fonseka ist die Opposi­tion zu zersplittert, kann sie die teils tiefen Meinungsverschiedenheiten wohl nicht überbrücken.

Rajapakse schuf umgehend nach der Verhaftung Fonsekas Fakten. In der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch löste er das Parlament auf. Die Neuwahl der Volksvertretung wird für den 8. April und deren erste Sitzung in Colombo für den 22. April erwartet. Mit den besten Chancen geht die regierende UPFA ins Rennen. Bei den Parlamentswahlen im Jahre 2004 errang sie 105 von 225 Sitzen, baute ihre Positionen jedoch bald darauf mit gut bezahlten Überläufern aus anderen Parteien, besonders aus der oppo­sitionellen United National Party des Expräsidenten Ranil Wickremasinghe, aus.

In einer gemeinsamen Erklärung der Oppositionsparteien zur Festnahme des Exarmeechefs hieß es, man habe Gründe zu glauben, daß dessen »ungesetzlichem Arrest« nach einiger Zeit in Haft die Ermordung folgen könnte. Fonseka hatte schon vor, während und nach der Präsidentenwahl immer wieder verkündet, er gehe davon aus, inhaftiert zu werden. Immerhin hat er ja über Jahre mit Mahinda Rajapkase zusammengearbeitet und kennt dessen Stil und Methoden.

Gewichtiger jedoch als die Stellungnahme der Oppositionsparteien, so schien es am Mittwoch, dürfte der Massenprotest sein: Tausende Anhänger Fonsekas zogen, seine Freilassung fordernd, vor das Gebäude des Höchsten Gerichts. Als es zu einer Gegendemonstration von Rajapakse-Sympathisanten kam und Steine zwischen beiden Lagern flogen, griff die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern ein. Doch das, so war aus Oppositionskreisen zu hören, sei nur ein Vorspiel gewesen. Sie kündigten am Mittwoch (10. Feb.) eine landesweite Protestkampagne an - und machten indes ihre Rechnung ohne den Viersternegeneral a.D.. Am Donnerstag (11. Feb.) signalisierte Fonseka, daß er kein aktuelles Interesse an einer weiteren Zuspitzung hat. Das geschah offensichtlich auch aus der Befürchtung heraus, daß sich Teile des Militärs auf seine Seite schlagen könnten.

Sie habe unter Aufsicht mit ihrem Mann sprechen dürfen, sagte Anoma Fonseka am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Colombo. »Er bat mich, der Bevölkerung und insbesondere der Armee zu sagen, daß sie ruhig bleiben und sich von seiner illegalen Festnahme nicht provozieren lassen sollen«, sagte sie. »Sie versuchen, seine Moral zu brechen, aber das werden sie nicht schaffen«, fügte sie in bezug auf Fonsekas Gegner hinzu.

* Aus: junge Welt, 12. Februar 2010


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