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Neue Koalition der Willigen

Erklärung des UNO-Generalsekretärs zum Einsatz von "UNO-Friedenstruppen" in Somalia. Kämpfe in Mogadischu dauerten auch am Wochenende an

Von Knut Mellenthin *

Nach Afghanistan und Irak könnte Somalia schon bald das dritte Land werden, in dem die USA und ihre Verbündeten mit Rückendeckung der Vereinten Nationen Krieg führen. Jedenfalls wenn es nach den Empfehlungen von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon geht, die am Freitag (20. April)** veröffentlicht wurden. Ban hatte vom Sicherheitsrat vor zwei Monaten den Auftrag erhalten, die Voraussetzungen für eine UNO-Friedensmission in dem nordostafrikanischen Land zu prüfen, das sich seit 1991 im Bürgerkrieg befindet. (Siehe: Resolution 1744 des UN-Sicherheitsrats.)

Zur Zeit ist in Somalia die AMISOM, eine Friedenstruppe der Afrikanischen Union (AU), stationiert. Sie soll auf eine Stärke von 8000 Mann gebracht werden, um die äthiopischen Interventionstruppen abzulösen, die seit Ende vorigen Jahres die Hauptstadt Mogadischu und andere Teile des Landes besetzt halten. Bisher besteht AMISOM aber nur aus 1700 ugandischen Soldaten. Die AU hat im Januar, als sie die Aufstellung von AMISON beschloß, deren Mandat von vornherein auf ein halbes Jahr begrenzt. Anschließend müßten deren Aufgaben von den Vereinten Nationen übernommen werden, fordert die AU.

In seinem jetzt vorgelegten Bericht macht Generalsekretär Ban den Einsatz einer »UNO- Friedenstruppe« jedoch von dem Vorhandensein optimaler Rahmenbedingungen abhängig: Zuvor müßte ein Waffenstillstand durchgesetzt sein, und alle oder wenigstens die meisten der streitenden Gruppen müßten durch Unterzeichnung eines Versöhnungsabkommens einer Überwacher-Rolle der Vereinten Nationen zugestimmt haben. Sollten aber die Kämpfe zwischen der »Übergangsregierung«, den äthiopischen Besatzungstruppen und der Opposition andauern oder sich die Lage gar noch weiter verschlechtern, wäre der Einsatz einer »UNO-Friedenstruppe« »nicht möglich oder nicht zweckmäßig«, schreibt Ban. In diesem Fall müßten »alternative Optionen einschließlich einer Friedenserzwingung« in Erwägung gezogen werden. »Eine von den Vereinten Nationen mandatierte Operation, die sich aus einer Koalition der Willigen zusammensetzt und die über die angemessenen Fähigkeiten verfügt, mit der hochgradigen paramilitärischen Bedrohung fertigzuwerden, würde unter den Umständen dieses Szenarios sinnvoller sein.«

Ban weist in seinen Empfehlungen auch darauf hin, daß die Lage in Somalia auch im Fall einer günstigen Entwicklung unvorhersehbar wieder umschlagen könnte. Selbst wenn der Sicherheitsrat also eine Friedenstruppe beschließen sollte, müßten alle Vorbereitungen getroffen werden, um schnell zusätzliche Truppen für einen Kampfeinsatz verfügbar zu haben.

Der Generalsekretär schlägt dem Sicherheitsrat vor, eine Entscheidung bis Mitte Juni zu vertagen, um zu sehen, ob bis dahin Voraussetzungen für einen Versöhnungsprozeß geschaffen sind. Gleichzeitig bittet er den Rat aber jetzt schon um den Auftrag, konkrete Planungen für einen UNO-Einsatz in Somalia einzuleiten. Dabei würde es unter anderem darum gehen, welche Staaten bereit wären, Soldaten zu stellen.

Unterdessen gingen in Mogadischu die schweren Kämpfe zwischen den äthiopischen Besatzungstruppen und der von ihnen unterstützten »Übergangsregierung« auf der einen Seite und dem Hawiye-Clan und der Union der Islamischen Gerichte auf der anderen Seite auch am Sonntag weiter. Die Zahl der Toten in den vergangenen fünf Tagen wird auf über 200 geschätzt. Nach jüngster Schätzung der UNO sind seit Februar über 300000 Menschen aus der Hauptstadt geflüchtet.

* Aus: junge Welt, 23. April 2007

** ** Anmerkung der AGF:
Es handelt sich um den folgenden UN-Report (englisch): Report of the Secretary-General on the situation in Somalia pursuant to paragraphs 3 and 9 of Security Council resolution 1744 (2007)
Der Report trägt das Datum vom 13. April 2007.


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