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Sturm auf den Präsidentenpalast

Somalia: Islamisten rücken weiter vor. Aufregung um angebliche deutsche Söldner

Knut Mellenthin *

In der somalischen Hauptstadt Mogadischu gingen die Kämpfe zwischen Islamisten und regierungsnahen Milizen auch am Dienstag (25.Mai) weiter. Die demokratisch nicht legitimierte, aber von der UNO unterstützte „Übergangsregierung“ (TFG) kontrolliert nur noch kleine Teile Mogadischus. Konfrontiert mit einer hohen Desertionsrate ihrer schlecht und unregelmäßig bezahlten Soldaten hält sie selbst diese Restgebiete lediglich dank der Unterstützung durch die massiv bewaffnete afrikanische “Friedenstruppe” AMISOM. Sie ist seit Frühjahr 2007 im Einsatz, ausschließlich in Mogadischu stationiert und besteht aus 5400 ugandischen und burundischen Soldaten.

Die islamistische Al-Schabaab greift seit einigen Wochen verstärkt die letzten noch verbliebenen Positionen der TFG in der Hauptstadt an und hat dabei Boden gewinnen können. Am Montag kündigte ein Sprecher der Organisation an, dass das nächste militärische Ziel die Eroberung des Präsidentenpalastes sei.

Indessen ist die vor zwei Wochen ausgebrochene Krise innerhalb der “Übergangsregierung” immer noch nicht beigelegt. Präsident Scheikh Ahmed Scharif hatte Premierminister Abdiraschid Scharmake für abgesetzt erklärt und die Bildung einer völlig neuen Regierung angekündigt. An dieser sollte auch die Ahlu-Sunna-Miliz beteiligt werden, die vor einigen Monaten ein Kooperationsabkommen mit der TFG abgeschlossen hat . Scharmake, der von der Mehrheit der Parlamentsabgeordneten unterstützt wird, lehnte jedoch Scharifs Erlass als verfassungswidrig ab. Inzwischen hat der Präsident Scharmakes Absetzung wieder aufgehoben.

Eine von der UNO organisierte internationale Somalia-Konferenz, die vom 21. bis 23. Mai im türkischen Istanbul stattfand, rief die “Übergangsregierung” zur Einigkeit auf, endete aber ohne konkrete Beschlüsse. An dem aufwendigen Großereignis beteiligten sich 55 Staaten und 12 internationale Organisationen. Die auf der Vorgängerkonferenz im April 2009 versprochenen Finanzhilfen für die TFG sind zum großen Teil immer noch nicht ausgezahlt.

In Deutschland sorgte während der Pfingsttage ein Gerücht für Aufregung: Angeblich wollte ein in Münster ansässiges “Sicherheitsunternehmen” demnächst über hundert ehemalige Bundeswehrsoldaten als Söldner nach Somalia schicken, um einem im Exil lebenden somalischen Geschäftsmann zur Macht zu verhelfen. Weder von der deutschen Firma Asgaard noch von dem Somali Abdinur Ahmed Darman, der sich als rechtmäßiger Präsident ausgibt, hatte man bis dahin außer aufschneiderischen Selbstdarstellungen viel gehört. Beiden kam offenbar der von ihnen selbst durch eine Pressemitteilung angestoßene Medienrummel sehr gelegen.

Die Nachricht von den deutschen Söldnern entbehrt jedoch jeder sachlichen Grundlage. Darman hat keine Basis in Somalia, auf die sich ein solcher Einsatz stützen könnte. Asgaard ist nach eigenen Angaben bisher nur im Bereich des Personen- und Objektschutzes tätig. Kampfoperationen in Somalia, einschließlich der dafür erforderlichen Logistik, wären für die Firma eindeutig mehrere Nummern zu groß. Firmenchef Thomas Kaltegärtner, ein ehemaliger Hauptfeldwebel der Bundeswehr, wirbt nach dem Prinzip “Mehr Schein als Sein”. Auf seinen Internetseiten behauptet er, dass Tätigkeiten in Afghanistan, Dubai, Kroatien, Marokko, Somalia, Nigeria, Pakistan und Tschad “in Vorbereitung” seien. Wer Konkretes wissen will und den Menüpunkt “Referenzen” anklickt, wird abgespeist mit der nichtssagenden Auskunft: “Unsere Referenzen legen wir Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch vor.”

Kaltegärtner, der im Reservistenverband der Bundeswehr sehr aktiv ist, hat in Darman einen passenden Partner gefunden. Der Somali hat außer einem aufwendig gemachten Internetauftritt und bombastischen Presse-Erklärungen nichts vorzuweisen. Das hält ihn aber nicht davon ab, wahrheitswidrig zu verbreiten, seine Anerkennung durch die US-Regierung und durch die UNO stehe kurz bevor.

* Aus: junge Welt, 26. Mai 2010

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Hintergrund: Deutsche "Sicherheitsfirmen" im Auslandseinsatz. Zum Beispiel: Asgaard German Security Group. Ein Firmenporträt




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