Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Somalia: Ein Interimspräsident macht noch keinen Staat

Von "Wiedervereinigung" kann noch keine Rede sein - Die Probleme des Landes aus Sicht des Präsidenten

Ende Januar 2001 veröffentlichte die Frankfurter Rundschau ein Interview mit dem Interimspräsidenten Somalias, Abdoulkassim Salat Hassan. (Titel: "Könnten Afrikas Brotkorb sein"). Dessen Hoffnung auf ein friedliches, reiches Somalia stößt auf Widerstände, die sowohl innerstaatlicher (Clans, Warlords, Separatismus) als auch zwischenstaatlicher Natur sind (z.B. der Einfluss Äthiopiens und Eritreas auf bestimmte somalische Clans). Salat Hassan scheint sich der Probleme durchaus bewusst zu sein. Seine politischen Vorschläge allerdings nehmen sich solange reichlich unbeholfen aus, als er nicht selbst über genügend Macht (d.h. gesellschaftliche Unterstützung) verfügt, um auch nur einen Teil davon umzusetzen. Auch die Hoffnung auf ausländische Unterstützung dürfte sich bald als trügerisch herausstellen. Wen interessiert in Europa oder Amerika heute schon Somalia?
Im Folgenden ein paar Auszüge aus dem Interview, das der Afrika-Korrespondent der FR Christoph Link geführt hat.


FR: Seit Herbst sind Sie in Mogadischu und haben eine neue Regierung für Somalia installiert. Was folgt nun?

Salat Hassan: ... Wir werden bald den Hafen wieder eröffnen. Die Öffnung des Internationalen Flughafens wird noch eine Weile dauern. Der Airport liegt nahe beim Stadtzentrum, er kann beschossen werden. Es gibt noch zuviele Waffen in dieser Stadt.

FR: ... Wann wird Ihre Regierung als legitim anerkannt?

Wir hatten einen Auftritt in der Generalversammlung der UN, wir durften einen Sitz in der Organisation für Afrikanische Einheit einnehmen, wir erhielten positive Resonanz von der Internationalen Organisation für Friedensvermittlung am Horn von Afrika und von der Arabischen Liga. ...

FR: Die Machthaber im Lande sind immer noch die Warlords, selbsternannte Kriegsherren. Bisher hat erst einer Ihre Regierung anerkannt.

In Arta bei Dschibuti haben sich im August 2500 Somalis aus allen Kulturen und Schichten getroffen. Gesandte aller Clans waren vertreten. In einem demokratischen Prozess haben wir ein Parlament etabliert, einen Präsidenten gewählt und eine Regierung gebildet. Die Warlords haben ihre Beteiligung abgelehnt. Ebenso fehlten die Vertreter der beiden somalischen Nordgebiete, Somaliland und Puntland. Die einzige Möglichkeit ist, dass wir mit ihnen den Dialog suchen. ...

...
FR: Wie wollen Sie die Warlords zur Teilnahme gewinnen?

Wenn es gewünscht wird, werden wir politische Parteien einführen. Unsere Minister und Abgeordneten haben keine Häuser, keine Autos und kein Gehalt. Jeder Somali ist dazu eingeladen, an der Regierung mitzuarbeiten.

FR: Sie haben die Entwaffnung der Milizen versprochen; das dürfte eine Sysiphosarbeit sein. Können Sie alle Kämpfer in der Armee und Polizei aufnehmen?

Es gibt etwa 100 000 Milizionäre im Lande. Würden wir die alle in eine neue Armee aufnehmen, wäre das eine riesige Streitmacht, die wir nicht brauchen. Wir wollen die Kämpfer in sechs bis acht Monaten umschulen, sie sollen Mechaniker oder Bauhandwerker werden. Wir hoffen auf UN-Unterstützung bei dieser Aufgabe. Einen Teil der Leute können wir in der Polizei unterbringen oder in einer künftigen nationalen Armee.

...
FR: Haben Sie eine Vision für Somalia?

Meine Vision ist die eines wiedervereinten Somalias, das den Süden und den Norden umfasst. Wir haben acht Millionen Hektar Land, davon könnten zwei Millionen Hektar wir selbstständig bewässern könnten, doch bisher haben wir diese Möglichkeit erst zu zehn Prozent genutzt. Wir könnten der Brotkorb Afrikas sein. Wir haben 60 Millionen Vieh, das ist der höchste Viehbestand pro Kopf in der Welt. Wir haben die längste Küste Afrikas und natürliche Bodenschätze, zum Beispiel Ölvorkommen. Wichtiger aber noch: Wir haben Kapital, Arbeitskräfte und Unternehmergeist. In Somalia bestehen funktionierende Telefon- und Bankennetze. Wir haben eine Wirtschaft des freien Marktes gehabt, die wir auch künftig beibehalten wollen.

Aus: Frankfurter Rundschau, 30. Januar 2001

Zur Somalia-Seite

Zu anderen Ländern/Regionen

Zurück zur Homepage