Umgruppierung in Somalia
Präsident Abdullahi Yusuf hat den Rest der Übergangsregierung entlassen
Von Thomas Berger *
Nachdem ein Großteil des Kabinetts bereits von sich aus zurückgetreten war, hat Somalias
Übergangspräsident Abdullahi Yusuf Ahmed nun auch die restlichen Minister entlassen. Lediglich
Premier Mohamed Gehdi soll im Amt bleiben und binnen einer Woche eine neue Mannschaft bilden.
Wer wird wohl der Letzte sein? Diese Frage hatten sich zum Schluss immer mehr Somalier gestellt,
die erleben mussten, dass unter den mehr als 100 Mitgliedern der Übergangsregierung eines nach
dem anderen sein Ausscheiden erklärte. Über 40 Ressortchefs hatten zuletzt ihr Amt niedergelegt,
nachdem in einer ersten Aktion 18 Minister ihr Ausscheiden verkündet hatten. Hintergrund sind
Machtkämpfe und schwindendes Vertrauen in den Premier, der sich im Konflikt mit den Islamisten,
die fast den gesamten Landessüden kontrollieren, zunehmend als Hardliner herausstellt. Auch
Präsident Abdullahi Yusuf Ahmed hat für die Union der Islamischen Gerichte (UIC), die mit ihren
Milizen die Herrschaft über die Hauptstadt Mogadischu und angrenzende Gebiete hat, nur Kritik
übrig. Schließlich waren es einige der heute tonangebenden Islamistenführer, die ihn vor ein paar
Jahren bereits als Regierungschef seiner halbautonomen Heimatregion Puntland im Norden stürzen
wollten. Doch das offizielle Oberhaupt des faktisch kaum existenten Staatswesens weiß auch, dass
niemand mehr an der UIC als Machtfaktor vorbei kommt.
Widerstrebend ist er deshalb grundsätzlich zu Verhandlungen bereit, während Premier Gehdi zuletzt
keinen Zweifel aufkommen ließ, dass er strikt gegen den geringsten Kontakt mit den Islamisten ist.
Das Misstrauen zwischen beiden Seiten könnte ohnehin kaum größer sein. Mehrfach sind in den
zurückliegenden Wochen geplante Gespräche in der als neutraler Boden geltenden sudanesischen
Hauptstadt Khartum gescheitert. Einmal sagten die Führer der Übergangsregierung ihre Teilnahme
an dem mühsam von der Afrikanischen Union (AU) vorbereiteten Treffen ab. Dann wieder
vermeldete die UIC, dass sie zu keinem Dialog bereit sei, solange die äthiopischen Truppen nicht
aus Baidoa abgezogen sein.
Diese sollen in dem Städtchen, das 250 Kilometer westlich von Mogadischu liegt, die dort sitzende
Übergangsregierung gegen einen möglichen Überfall absichern. Doch die Schutzmacht war seit
Anbeginn auch in Kabinettskreisen heftig umstritten. Die Präsenz der äthiopischen Soldaten im
Verbund mit der halsstarrigen Haltung Gehdis zu Gesprächen sorgte für die ersten Rücktritte. Ein
Misstrauensvotum kurz darauf überlebte er zwar mit knapper Mehrheit, doch dem Exodus
verschiedener Kräfte aus dem Regierungslager konnte das kein Ende bereiten.
Das neue Kabinett soll nun um zwei Drittel kleiner als das alte ausfallen, wie es jetzt hieß. Für den
Präsidenten wäre es zwar auf den ersten Blick leichter gewesen, sich von seinem Premierminister
zu trennen. Doch neben ihm ist Gehdi die notwendige zweite Konstante in der brüchigen Koalition
der einstigen Bürgerkriegsparteien, die sich auf internationalen Druck 2004 in Kenia zu dem Bündnis
zusammengefunden hatten. Nahezu alle ehemaligen Kriegsherren, die Somalia seit dem Sturz von
Diktator Mohammed Siad Barre 1991 immer weiter ins Chaos gestürzt hatten, waren mit
Ministerämtern eingebunden worden. Alte Feindschaften zwischen den unzähligen Clans und
Subclans sind damit aber nur überdeckt, nicht aufgehoben worden.
Inzwischen findet im Land eine eigentümliche Neugruppierung der Allianzen statt. Einige Warlords
haben sich neu der Übergangsregierung angeschlossen, während sogar manche vormaligen
Minister und Parlamentarier ins Lager der Islamisten wechselten. Diese können neuerdings auch auf
die Unterstützung von Hussein Aideed, einem der früher einflussreichsten Milizenführer von
Mogadischu, zählen, der seine »Neutralität« offenbar aufgegeben hat.
Wie weit es Gehdi gelingt, tatsächlich binnen Wochenfrist ein neues Kabinett zu zimmern, ist mit
großen Fragezeichen versehen. Ein handlungsfähiges, mit gemeinsamer Stimme sprechendes
Team als Gegenpol zu den Islamisten wird aber schnellstens gebraucht, um den nötigen Dialog
beider Seiten über eine künftige Machtverteilung doch noch in Gang zu setzen. Der sich vertiefende
Riss zwischen Präsident und Premier wird von vielen als wenig förderlich bei dieser Entwicklung
angesehen.
* Aus: Neues Deutschland, 8. August 2006
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