Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Umgruppierung in Somalia

Präsident Abdullahi Yusuf hat den Rest der Übergangsregierung entlassen

Von Thomas Berger *

Nachdem ein Großteil des Kabinetts bereits von sich aus zurückgetreten war, hat Somalias Übergangspräsident Abdullahi Yusuf Ahmed nun auch die restlichen Minister entlassen. Lediglich Premier Mohamed Gehdi soll im Amt bleiben und binnen einer Woche eine neue Mannschaft bilden.


Wer wird wohl der Letzte sein? Diese Frage hatten sich zum Schluss immer mehr Somalier gestellt, die erleben mussten, dass unter den mehr als 100 Mitgliedern der Übergangsregierung eines nach dem anderen sein Ausscheiden erklärte. Über 40 Ressortchefs hatten zuletzt ihr Amt niedergelegt, nachdem in einer ersten Aktion 18 Minister ihr Ausscheiden verkündet hatten. Hintergrund sind Machtkämpfe und schwindendes Vertrauen in den Premier, der sich im Konflikt mit den Islamisten, die fast den gesamten Landessüden kontrollieren, zunehmend als Hardliner herausstellt. Auch Präsident Abdullahi Yusuf Ahmed hat für die Union der Islamischen Gerichte (UIC), die mit ihren Milizen die Herrschaft über die Hauptstadt Mogadischu und angrenzende Gebiete hat, nur Kritik übrig. Schließlich waren es einige der heute tonangebenden Islamistenführer, die ihn vor ein paar Jahren bereits als Regierungschef seiner halbautonomen Heimatregion Puntland im Norden stürzen wollten. Doch das offizielle Oberhaupt des faktisch kaum existenten Staatswesens weiß auch, dass niemand mehr an der UIC als Machtfaktor vorbei kommt.

Widerstrebend ist er deshalb grundsätzlich zu Verhandlungen bereit, während Premier Gehdi zuletzt keinen Zweifel aufkommen ließ, dass er strikt gegen den geringsten Kontakt mit den Islamisten ist.

Das Misstrauen zwischen beiden Seiten könnte ohnehin kaum größer sein. Mehrfach sind in den zurückliegenden Wochen geplante Gespräche in der als neutraler Boden geltenden sudanesischen Hauptstadt Khartum gescheitert. Einmal sagten die Führer der Übergangsregierung ihre Teilnahme an dem mühsam von der Afrikanischen Union (AU) vorbereiteten Treffen ab. Dann wieder vermeldete die UIC, dass sie zu keinem Dialog bereit sei, solange die äthiopischen Truppen nicht aus Baidoa abgezogen sein.

Diese sollen in dem Städtchen, das 250 Kilometer westlich von Mogadischu liegt, die dort sitzende Übergangsregierung gegen einen möglichen Überfall absichern. Doch die Schutzmacht war seit Anbeginn auch in Kabinettskreisen heftig umstritten. Die Präsenz der äthiopischen Soldaten im Verbund mit der halsstarrigen Haltung Gehdis zu Gesprächen sorgte für die ersten Rücktritte. Ein Misstrauensvotum kurz darauf überlebte er zwar mit knapper Mehrheit, doch dem Exodus verschiedener Kräfte aus dem Regierungslager konnte das kein Ende bereiten.

Das neue Kabinett soll nun um zwei Drittel kleiner als das alte ausfallen, wie es jetzt hieß. Für den Präsidenten wäre es zwar auf den ersten Blick leichter gewesen, sich von seinem Premierminister zu trennen. Doch neben ihm ist Gehdi die notwendige zweite Konstante in der brüchigen Koalition der einstigen Bürgerkriegsparteien, die sich auf internationalen Druck 2004 in Kenia zu dem Bündnis zusammengefunden hatten. Nahezu alle ehemaligen Kriegsherren, die Somalia seit dem Sturz von Diktator Mohammed Siad Barre 1991 immer weiter ins Chaos gestürzt hatten, waren mit Ministerämtern eingebunden worden. Alte Feindschaften zwischen den unzähligen Clans und Subclans sind damit aber nur überdeckt, nicht aufgehoben worden.

Inzwischen findet im Land eine eigentümliche Neugruppierung der Allianzen statt. Einige Warlords haben sich neu der Übergangsregierung angeschlossen, während sogar manche vormaligen Minister und Parlamentarier ins Lager der Islamisten wechselten. Diese können neuerdings auch auf die Unterstützung von Hussein Aideed, einem der früher einflussreichsten Milizenführer von Mogadischu, zählen, der seine »Neutralität« offenbar aufgegeben hat.

Wie weit es Gehdi gelingt, tatsächlich binnen Wochenfrist ein neues Kabinett zu zimmern, ist mit großen Fragezeichen versehen. Ein handlungsfähiges, mit gemeinsamer Stimme sprechendes Team als Gegenpol zu den Islamisten wird aber schnellstens gebraucht, um den nötigen Dialog beider Seiten über eine künftige Machtverteilung doch noch in Gang zu setzen. Der sich vertiefende Riss zwischen Präsident und Premier wird von vielen als wenig förderlich bei dieser Entwicklung angesehen.

* Aus: Neues Deutschland, 8. August 2006


Zurück zur Somalia-Seite

Zurück zur Homepage