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Chaos-Strategie

Hintergrund. Zerstörung Somalias mit internationaler Unterstützung: Hilflosigkeit oder System?

Von Knut Mellenthin *

Ein Mitglied der Regierung von Puntland hat die Ausbildung von Soldaten für die sogenannte Übergangsregierung Somalias (TFG) am Dienstag als »ineffektiv« kritisiert. Puntland gehört völkerrechtlich immer noch zu Somalia und will sich von diesem auch nicht vollständig trennen, ist aber seit 1998 de facto selbstständig. Der Vorwurf des Ministers für Planung und internationale Zusammenarbeit, Daud Mohamed Omar, richtet sich gegen die Staaten, die die Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte finanzieren und zum Teil sogar in eigener Regie durchführen. Dazu gehört auch Deutschland: Es hat unter anderem die Ausbildung somalischer Polizisten in Äthiopien bezahlt und ist derzeit an einem insgesamt einjährigen Trainingsprogramm der EU für TFG-Truppen beteiligt, das in Uganda stattfindet. Partner sind dabei die für Kriegsverbrechen im eigenen Land und bei Auslandseinsätzen berüchtigten ugandischen Streitkräfte.

Die EU-Mission in Uganda wurde im Mai vorigen Jahres gestartet. 100 Offiziere und 40 weitere Personen aus mehreren europäischen Ländern sollen insgesamt 2000 somalische Soldaten ausbilden. Die deutsche Bundeswehr beteiligt sich daran mit bis zu 20 Soldatinnen und Soldaten. Spanien stellt mit 38 Ausbildern das größte Kontingent, gefolgt von Frankreich mit 26. Nach offiziellen Angaben beinhaltet das Programm das Aufspüren von Minen, den Straßenkampf in Stadtgebieten, Kommunikationstechnik und Erste Hilfe. Die militärische Ausrüstung der Rekruten soll teils von der Afrikanischen Union (AU) – dem Dachverband aller Staaten des Kontinents – und teils von der EU gestellt werden.

Militär außer Kontrolle

Der Einsatz der Trainingsmission beruht auf einem EU-Beschluß, der am 15. Februar 2010 gefaßt wurde. Im damals verabschiedeten Text wurde Wert darauf gelegt, noch vor Beginn der Ausbildung definitiv zu klären, wie die regelmäßige Bezahlung der späteren somalischen Soldaten gesichert werden kann und wie ihr Einsatz überwacht werden soll. Diese Vorbehalte ergaben sich aus den bisherigen Erfahrungen: Die »Übergangsregierung« bezahlt ihre ohnehin schlecht motivierten Truppen oft monatelang nicht, und viele Soldaten behelfen sich, indem sie die Bevölkerung ausplündern. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen Einheiten der Regierungstruppen um die ertragreichsten »Kontrollpunkte«. Außerdem laufen viele Soldaten bei der ersten Gelegenheit mit ihren Waffen zu den Islamisten über, die den größten Teil Somalias und mindestens die Hälfte der Hauptstadt Mogadischu beherrschen. Andere schließen sich Piratengruppen an.

Bis heute ist keines dieser Probleme wirklich gelöst. Genau darauf bezieht sich die Kritik, die der puntländische Minister jetzt vortrug: »Über 12000 Sicherheitskräfte wurden mit internationaler Unterstützung für die TFG ausgebildet. Die Frage ist also: Wo sind sie heute? Verteidigen sie Mogadischu? Nein, denn die meisten von ihnen haben sich den Aufständischen angeschlossen.«

Die Zahl 12000 könnte sogar zu niedrig angesetzt sein. Es ist bereits ganz unmöglich geworden, noch einen Überblick zu behalten. Die Ausbildung verteilt sich auf mehrere Länder: Uganda, Äthiopien, Kenia und Dschibuti, wo sich ein großer Militärstützpunkt der NATO befindet. Einige Kurse werden von den einheimischen Streitkräften geleitet, andere von Offizieren der USA oder der EU. Für etliche hundert Somalis hat Frankreich Trainingsprogramme im Alleingang veranstaltet. Außerdem bildet die aus ugandischen und burundischen Einheiten bestehende »Friedenstruppe« AMISOM, die ausschließlich in Mogadischu stationiert ist, dort ebenfalls somalische Soldaten aus. Nicht alle Lehrgänge werden offiziell bekanntgegeben.

Was aus den Kursteilnehmern wird, wenn ihre Ausbildung abgeschlossen ist, entzieht sich jeder internationalen Kontrolle. Oft weiß es vermutlich nicht einmal die Übergangsregierung. Ein Beispiel aus dem vorigen Jahr: Das äthiopische Militär hatte 925 Somalis ausgebildet, angeblich zu Polizisten, was indessen in der permanenten Bürgerkriegssituation, in der sich das Land schon seit 1991 befindet, nur ein betrügerischer Euphemismus ist. Deutschland hatte das Unternehmen mit 770000 Euro finanziert. Nachdem die Ausbildung im Mai 2010 abgeschlossen war, galten die »Polizisten« plötzlich als verschwunden. Weder die TFG noch die äthiopische Regierung konnten oder wollten Angaben über ihren Verbleib machen. Erst im August tauchten die Vermißten ebenso unvermittelt wieder auf: Sie waren im Südwesten Somalias im Einsatz. Was sie dort machten und unter wessen Befehl sie standen, war der Bundesregierung allerdings nach eigener Aussage immer noch nicht bekannt. Die ursprünglich zugesagte Bezahlung der Löhne für die »Polizisten« hat Berlin bis zu deren anscheinend immer noch nicht erfolgten Umgruppierung nach Mogadischu ausgesetzt.

Der Vorgang, für den die Bundesregierung trotz mehrerer Anfragen der Linken und der Grünen keine glaubwürdige und vernünftige Erklärung hat, ist indessen weniger rätselhaft als es den Anschein hat – und er war voraussehbar. Äthiopien hat in den Jahren 2006 bis 2008 massiv, mit Tausenden Soldaten, in den somalischen Bürgerkrieg eingegriffen. Offiziell wurde diese Intervention im Januar 2009 beendet. Trotzdem operieren immer noch äthiopische Truppen in unbekannter Stärke in grenznahen Regionen Somalias. Außerdem kooperiert das Regime in Addis Abeba mit somalischen Warlords und bewaffneten Interessengruppen wie den Ahlu-Sunna-Milizen. Die kämpften zeitweise auf seiten der TFG, doch ist das Bündnis mittlerweile weitgehend zerbrochen. Generell ist vor diesem Hintergrund zu erwarten, daß die äthiopischen Streitkräfte Somalis nur ausbilden, um sie als Hilfstruppen einsetzen zu können: in eigener Regie oder unter dem Befehl ihrer Verbündeten. Wenn das der Bundesregierung vorher nicht klar war, ist sie noch inkompetenter als ohnehin vermutet werden muß.

Kooperation mit Söldnerfirmen

Auch andere Länder der Region, die Somalis ausbilden, wie Uganda und Kenia, verfolgen dabei hauptsächlich eigennützige Absichten. Selbst wenn Soldaten sich nicht den Islamisten oder den Piraten anschließen, dient ihre Ausbildung und Bewaffnung hauptsächlich der weiteren Zerstückelung und Militarisierung des Landes sowie seiner Unterwerfung unter konkurrierende ausländische Interessen.

Zu diesen hat sich nun auch noch eine der größten internationalen Söldnerfirmen gesellt, die direkt in der Tradition des früheren südafrikanischen Rassistenregimes steht. Erst auf drängende Nachfragen des Parlaments gab die somalische Übergangsregierung in der zweiten Dezemberhälfte zu, daß ein geheimgehaltenes Abkommen mit dem »Sicherheitsunternehmen« Saracen International besteht. Premier Mohamed Abdullahi Mohamed, der erst seit Oktober 2010 im Amt ist und vorher in den USA lebte, schob die Verantwortung auf seinen Vorgänger Omar Abdirashid Ali Sharmarke. Der behauptete indessen, von einer solchen Vereinbarung nichts zu wissen, und wandte sich zugleich in scharfer Form gegen eine Zusammenarbeit mit der Söldnerfirma. Dann teilte Propagandaminister Abdulkareem H. Jama der Öffentlichkeit mit, daß Finanzminister Hussein Abdi Halane den Vertrag unterzeichnet habe. Halane wiederum machte Präsident Sharif Sheikh Ahmed verantwortlich.

Dort scheint der Schwarze Peter nun in der Tat hängenzubleiben, nachdem somalische Internetmedien am 6. Januar den vollen Wortlaut des Abkommens veröffentlichten. Tatsächlich steht dort die Unterschrift des Präsidenten. Für Saracen International hat Lafras Luitingh gezeichnet, der einst den Mord- und Terrororganisationen des südafrikanischen Rassistenregimes diente. Nach dessen Zusammenbruch war Luitingh führend an der 1989 gegründeten Firma Executive Outcomes (EO) beteiligt, die ehemaligen Militärs und Geheimdienstlern des Regimes als Auffangbecken und Sprungbrett ins internationale Geschäft diente.

Jagd nach Rohstoffen

Saracen International ist eines von zahllosen Unternehmen, die von EO gegründet wurden, um ihre Aktivitäten so unüberschaubar wie nur möglich zu machen. Bereits 1997 hatte die Zeit in einer ausführlichen Analyse der Umtriebe des Söldnerkonzerns EO festgestellt: »Schon jetzt haben selbst ausgefuchste Handelsjuristen oder Agenten den Überblick über das undurchsichtige Konglomerat verloren. ›Die Struktur von SRC ist bemerkenswert‹, bekennt man in den Korridoren des französischen Geheimdienstes. ›Die sind schneller als wir. Wir können ihnen einfach nicht mehr folgen.‹«

SRC ist die Abkürzung für Strategic Resource Corporation Ltd., eine Holding für die 1998 offiziell aufgelöste EO samt deren Unter- und Nebenfirmen, mit Hauptbüros in London und Pretoria (Südafrika). Luitingh gehörte zu den Gründern und Schlüsselfiguren von SRC. Längst beschäftigt sich das Geschäftsimperium nicht mehr nur mit der Vermittlung von Söldnern und Militärausbildern. Unter anderem verfügt es auch über eine eigene Gesellschaft für Lufttransporte (Ibis Air) und mehrere Firmen zur Privatisierung und Verwaltung von Flughäfen. Militärische Einsätze in Angola, Sierra Leone und Kongo dienten dem Konzern gleichzeitig dazu, sich große Anteile an der Ausbeutung von Öl, Erzen, Diamanten und anderen Rohstoffen zu sichern. In diesem Zusammenhang ist der Konzern mit eigenen Unternehmen, vor allem Heritage Oil and Gas, tätig.

In der Regel arbeitet das EO-Imperium eng mit korrupten afrikanischen Potentaten und Großkriminellen zusammen. Eine zentrale Rolle spielte und spielt dabei immer wieder das autoritäre Regime Ugandas. Aus Untersuchungen der UNO geht hervor, daß insbesondere die ugandische Militärintervention im benachbarten Kongo (1998–2003) zur exzessiven Plünderung dortiger Rohstoffvorkommen genutzt wurde. Saracen International hat seit Jahren einen ugandischen Zweig, an dessen Spitze mit Salim Saleh ein Halbbruder von Präsident ­Yoveri Museveni steht. Zugleich sind es ugandische Truppen, die mit dem offiziellen Segen des UN-Sicherheitsrates das militärische Rückgrat der somalischen Übergangsregierung bilden.

Ein dubioser Deal

Ginge es nach dem erklärten Willen ­Musevenis, würde Uganda gern sehr viel massiver in Somalia intervenieren, mit mindestens 20000 Soldaten. Derzeit hat AMISOM eine Stärke von etwa 8000 Mann, von denen zwei Drittel aus Uganda kommen, und ist auf Mogadischu beschränkt. Somalia, einschließlich der Separatistenrepubliken Puntland und Somaliland, besitzt einen großen Reichtum an Bodenschätzen, deren Erforschung und Ausbeutung bisher wegen des Bürgerkriegs und der umstrittenen Territorialverhältnisse kaum in Gang gekommen ist. Darunter sind große Vorkommen von Erdöl und Erdgas, die hauptsächlich in Puntland liegen, und von Uranerz in dem südlich an Puntland angrenzenden Gebiet, wo sich prompt ein eigener Separatistenstaat zu etablieren versucht.

Als Sitz der Firma Saracen International, mit der TFG-Präsident Ahmed im vorigen Jahr das umstrittene Abkommen geschlossen hat, ist eine Adresse in Saida (Sidon), einer libanesischen Hafenstadt, angegeben. Als Zweck der Zusammenarbeit wird im Vertrag unter anderem die Ausbildung von »Polizei- und Sicherheitskräften«, Personen- und Objektschützern sowie Spezialisten für elektronische Überwachung genannt. Etliche der Ausbilder bringen angeblich Erfahrungen aus der Arbeit für private »Sicherheitsunternehmen« im Irak und in Afghanistan mit.

Mit der Behauptung, über den Inhalt des Vertrages nicht informiert zu sein, erreichte TFG-Premier Mohamed Ende Dezember, daß ihm das Parlament vier Wochen Frist zur Prüfung des Sachverhalts einräumte. Damit war das Thema erst einmal vom Tisch. Die Mehrheit der Abgeordneten hatte zunächst gefordert, das Abkommen mit Saracen International sofort außer Kraft zu setzen, da es ohne Wissen und Zustimmung des Parlaments geschlossen worden sei. Das Gleiche gilt nach Aussagen somalischer Abgeordneter für die Zusammenarbeit der TFG mit mindestens fünf anderen internationalen »Sicherheitsfirmen«. So sei einem dieser Unternehmen namens SKS durch einen Zehnjahresvertrag der Betrieb des Flughafens der Hauptstadt Mogadischu übertragen worden. SKS ist in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) ansässig.

Letztlich dürfte das Interesse der meisten Abgeordneten an einer Aufklärung allerdings nicht hoch zu veranschlagen sein. Das Parlament ist ebensowenig demokratisch legitimiert wie die Übergangsregierung. Beide wurden 2004 im Nachbarland Kenia unter der Patronage von UNO und AU eingesetzt. Wahlen haben seither nicht stattgefunden. Viele wohlhabende Abgeordnete leben mit ihren Familien im Ausland und kommen nur ausnahmsweise zu ganz wichtigen Parlamentssitzungen nach Mogadischu. Die allgemeine Korrumpierbarkeit somalischer Politiker grassiert auch unter ihnen. Der Haupteinwand des Parlaments gegen die Kooperation mit Saracen International scheint letztlich in der Nichtbeteiligung und Nichtinformierung über den Deal zu bestehen.

Verstoß gegen UN-Embargo

Bezahlt wird die Tätigkeit der Firma in Somalia angeblich von einer nicht genannten »muslimischen Nation«, möglicherweise auch von mehreren Ländern. Wer sich dahinter verbirgt und welche Interessen im Spiel sind, wurde bisher nicht offenbart. Die Spekulationen konzentrieren sich auf Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, aber auch Jordanien ist im Gespräch. Derselbe unbekannte Gönner zahlt im übrigen auch die Gehälter von zwei US-Amerikanern, die als Spitzenberater für die somalische Übergangsregierung arbeiten: Pierre Prosper, der von 2001 bis 2005 unter George W. Bush für die Befassung mit Kriegsverbrechen zuständig war, und Michael Shanklin, der in den 1990er Jahren stellvertretender Stationschef der CIA in Mogadischu war.

Wer immer die Tätigkeit von Saracen International bezahlt, verletzt damit das von der UNO 1992 gegen ganz Somalia verhängte Waffenembargo. Untersagt ist danach nicht nur die Lieferung von Kriegsgerät jeder Art (einschließlich beispielsweise Uniformen und Funkgeräten), sondern auch die Mitwirkung an militärischer Ausbildung. Alle Ausnahmen – und es gibt tatsächlich zahlreiche – müssen von der UNO genehmigt werden. Das ist nach allen bisherigen Erkenntnissen und Aussagen im Fall von Saracen International jedoch nicht geschehen.

Bereits Anfang Dezember 2010 war offiziell bekanntgeworden, daß die Firma auch in Puntland aktiv ist. Das Unternehmen hat den Auftrag übernommen, 1000 Soldaten auszubilden. Angeblich sollen diese später einmal im Kampf gegen die Piraten eingesetzt werden. Entgegen weitverbreiteter Annahmen und Fiktionen haben diese ihre wichtigsten Stützpunkte nicht etwa im eigentlichen Somalia, sondern an den puntländischen Küsten. Also in einem Gebiet, das im Gegensatz zum Bürgerkriegsland Somalia als friedlich, relativ stabil und gelegentlich sogar irrtümlich als demokratisch bezeichnet wird. Angeblich sind einflußreiche Politiker der Separatistenrepublik an den internationalen Finanztransaktionen beteiligt, durch die die Piraterie überhaupt erst zum Geschäft werden kann.

Gegenüber der Nachrichtenagentur AP sprach Mohamed Farole, ein Sohn des Präsidenten von Puntland, im Dezember davon, daß die ersten 150 Absolventen eines dreizehnwöchigen Saracen-Lehrgangs demnächst zur Piratenjagd in die Galgala-Berge geschickt würden. Dieses Gebiet liegt allerdings mindestens 200 Kilometer von der nächsten Küste entfernt und beherbergt keine Seeräuber, sondern nur eine regionale Guerillagruppe. Somalische und puntländische Quellen mutmaßen deshalb, daß es in Wirklichkeit um die Bodenschätze geht, die dort liegen. Genannt wird an erster Stelle Zinn.

Islamistische Opposition gestärkt

Die Zusammenarbeit zwischen Saracen International und Puntland belastet mittlerweile auch dessen Beziehungen zur benachbarten Separatistenrepublik Somaliland, mit dem ohnehin ein blutig ausgetragener Grenzkonflikt besteht. Am 11. Dezember gab die Regierung Somalilands die Beschlagnahme eines Transportflugzeugs bekannt, das von Saracen International gechartert worden war. Die Maschine befand sich auf dem Flug von Südafrika über die ugandische Hauptstadt Kampala nach Puntland, mußte aber wegen Treibstoffmangels in Somaliland notlanden. An Bord des Flugzeugs befanden sich Uniformen und militärisches Gerät. Die Besatzung, sechs russische Staatsbürger, wurden in Haft genommen und in einem Schnellverfahren zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Puntland hat nach diesem Vorfall seine Propaganda gegen den Nachbarn verschärft und wirft der somaliländischen Regierung vor, sie unterstütze die Rebellen in den Galgala-Bergen und gewähre ihnen Unterschlupf.

Die Tätigkeit von Saracen International in Somalia und Puntland hat angeblich bei der Afrikanischen Union, in der UNO, in der EU und in Washington heftigen Widerspruch hervorgerufen. Das behaupten zumindest somalische und andere afrikanische Medien. In Wirklichkeit wurden jedoch bisher noch nirgendwo konkrete Äußerungen zitiert. Der sogenannten internationalen Gemeinschaft ist durchaus zuzutrauen, daß sie vor der sich abzeichnenden Privatisierung des somalischen Bürgerkrieges die Augen verschließt – gerade so, wie sie in der Vergangenheit die Militärintervention Äthiopiens durch stillschweigende Duldung ermutigt hat und wie sie jetzt die zunehmend stärkere Präsenz ugandischer Streitkräfte in Mogadischu fördert.

Dabei muß allen Politikern, die für diese Entwicklung verantwortlich sind, klar sein, daß jede ausländische Einmischung in Somalia eine mächtige Rekrutierungsmaschine für die bewaffnete islamistische Opposition darstellt. Das gilt erst recht, wenn das Eingreifen ganz offensichtlich mit kriminellen Ausbeutungs- und Ausplünderungsabsichten einhergeht.

Als die sogenannte Übergangsregierung Somalias im Jahre 2004 unter der Schirmherrschaft von UNO und AU gebildet wurde, war ihre Amtszeit auf maximal fünf Jahre begrenzt. Danach sollten freie Wahlen stattfinden. Im Januar 2009 verlängerte man den Zeitraum um weitere zwei Jahre, nachdem eine Beteiligung von »gemäßigten Islamisten« an der TFG vereinbart worden war. Dieses Bündnis hat jedoch nur dazu geführt, daß die »Gemäßigten« durch ihre offene Zusammenarbeit mit den USA und den christlichen Regimes von Äthiopien und Uganda sehr schnell ihre Basis in der somalischen Bevölkerung verspielten. Nun soll die Amtszeit der Übergangsregierung definitiv im August enden. Spätestens bis dahin müßten also Wahlen stattfinden, deren Durchführung aber technisch gar nicht möglichst ist. Die TFG hat bereits begonnen, international für eine weitere Fristverlängerung zu werben – und sie dürfte damit Erfolg haben.

* Aus: junge Welt, 20. Januar 2011


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