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Chaos in Somalia

UN-Sicherheitsrat mandatiert nach schweren Kämpfen in Mogadischu afrikanische "Friedenstruppe" für das Land. Finanzierung unklar

Von Knut Mellenthin *

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am Dienstag abend (20. Feb.) der Afrikanischen Union einstimmig das Mandat für eine 8000 Mann starke afrikanische »Friedenstruppe« für Somalia, AMISOM, erteilt. Die Resolution 1744 basiert auf Kapitel VII der UN-Charta, das die Anwendung militärischer Zwangsmaßnahmen erlaubt.

Vorausgegangen waren am gleichen Tag in Mogadischu die schwersten Kämpfe seit dem Einmarsch äthiopischer Truppen in die somalische Hauptstadt am 28. Dezember. Unbekannte hatten Kasernen und Stellungen der Äthiopier und der von ihnen unterstützten Milizen der »Übergangsregierung« mit Mörsern beschossen. Diese hatten mit ungezieltem Panzer- und Artilleriefeuer auf Wohngegenden reagiert. Mindestens 18 Tote, ausschließlich Zivilisten, und Dutzende von Verletzten wurden in den völlig überforderten Krankenhäusern registriert. Die somalischen Mediziner gehen davon aus, daß die tatsächliche Zahl der Opfer weit höher liegt. Seit dem Einmarsch der Äthiopier Ende Dezember sind allein in Mogadischu über 50 Menschen bei Überfällen und Gefechten ums Leben gekommen. Den Besatzungssoldaten aus dem christlich regierten Nachbarland Äthiopien werden willkürliche Übergriffe gegen die moslemische Bevölkerung vorgeworfen. Nach den Schußwechseln am Wochenanfang haben Hunderte Bewohner fluchtartig ihre Häuser verlassen.

Die jetzt angenommene UN-Resolution ersetzt einen Beschluß, der am 6. Dezember, also noch vor der Besetzung Somalias durch äthiopische Truppen, vom Sicherheitsrat verabschiedet wurde. Damals wurde Mogadischu noch von der UIC (Union der Islamischen Gerichte) kontrolliert, die inzwischen den bewaffneten Widerstand aus dem Untergrund aufgenommen hat. Dementsprechend legte die vorangegangene Resolution des Sicherheitsrats erheblichen Wert auf die Unterstützung von Verhandlungen zwischen UIC und »Übergangsregierung«. Der neue Beschluß hingegen spricht zwar auch noch unkonkret von »nationaler Versöhnung«, unterstützt aber völlig einseitig die »Übergangsregierung«, die einen Dialog mit der UIC offen ablehnt. Ansonsten sind die Rahmenbedingungen der AMISOM weitgehend gleichgeblieben: 8 000 Mann mit einem Mandat für zunächst sechs Monate. Ungesichert ist nach wie vor die Finanzierung von AMISOM. Die Resolution des Sicherheitsrats enthält nur einen unverbindlichen Appell an alle UN-Mitglieder, AMISOM zu unterstützen.

Als einziges Land hat bisher Uganda eine feste Zusage gegeben, demnächst 1500 Soldaten zu entsenden. Außerdem gibt es unverbindliche, unpräzise Äußerungen aus Nigeria, Burundi, Ghana und Malawi, sich an AMISOM zu beteiligen. Insgesamt sind bislang bestenfalls 4000 Mann, also nur die Hälfte der angestrebten Truppenstärke, die von Experten ohnehin für viel zu gering gehalten wird.

Der Sicherheitsrat hat deshalb Generalsekretär Ban Ki Moon beauftragt, die Möglichkeit der Ablösung von AMISOM durch eine breitere UN-»Friedenstruppe« zu prüfen. In 60 Tagen soll er dazu einen Bericht mit Empfehlungen vorlegen.

* Aus: junge Welt, 22. Februar 2007


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