Den Tolar will heute niemand mehr
Euroregion Slowenien – eine südslawische Erfolgsgeschichte
Von Hannes Hofbauer, Ljubljana *
An den Euro hat man sich in Slowenien gewöhnt, obwohl man dessen Einführung mit großer
Skepsis entgegengesehen hatte. Insgesamt steht dieser frühere Teil Jugoslawiens gar nicht so
schlecht da. Doch der Aufschwung hat auch so manche Schattenseite.
Im Mai 2007 will niemand mehr in der Innenstadt von Ljubljana die alten Tolar-Scheine
entgegennehmen. Selbst in der Postbank, auf deren Eingangsportal in großen Lettern das Wort
»Change« geschrieben steht, winkt der Kassierer ab und erklärt wortreich, wohin man sich wenden
müsse, um den Stolz der 90er Jahre in die Euro-Währung umtauschen zu dürfen. Die slowenische
Euro-Einführung vom Januar 2007, die erste in einem neuen EU-Mitgliedsland, lief
generalstabsmäßig ab. Und zur Zufriedenheit der Ökonomen sowie des größten Teils des
Publikums.
Nationaler Coup auf der 2-Cent-Münze
Sogar ein kleiner nationaler Klecks ist den slowenischen Geldmachern dabei gelungen. Die
Rückseite der 2-Cent-Münze ziert der »Fürstenstein«, eine ursprünglich römische Plastik, die beim
Ritual der Einsetzung karantanischer Herzöge eine Rolle spielte. Das Original steht in Österreich, im
Landhaus von Klagenfurt, der Hauptstadt Kärntens. Dessen Übernahme in die slowenische
Traditionspflege soll den slawischen Charakter des Siedlungsgebietes unterstreichen.
Im Jahre 1991 war dasselbe Ansinnen, das bei vielen Kärntnern als Provokation empfunden wird,
gescheitert. Damals musste die slowenische Nationalbank nach Protesten aus Österreich eine Tolar-
Banknote wieder einstampfen, auf die der »Fürstenstein« aufgedruckt worden war. Im Schutz der
EU-Währung ist es diesmal gelungen, ironischerweise gleichzeitig mit der Aufgabe einer eigenen
Währung ein seltsames nationales Zeichen zu setzen.
»In alphabetischer Reihenfolge sind wir nun in der Euro-Zone auf dem 12. Platz«, freut sich Nina
Presern diebisch und kann sich den Hinweis für den Unverständnis zeigenden Zuhörer nicht
verkneifen, dass sie damit verspätet in die »Union der Zwölf« aufgenommen worden sind, die freilich
längst mehr Mitglieder hat.
Frau Presern war in der slowenischen Handelskammer für die Einführung der Europa-Währung
zuständig. Sie strotzt vor Stolz. »Seit es bei uns den Euro gibt, ist das internationale Ranking besser
und das Geschäft leichter«, erklärt sie. Kritische Fragen beantwortet sie mit dem Hinweise, dass es
»harte Arbeit« gewesen sei, ein nicht ganz überzeugtes slowenisches Volk von den Vorzügen der
neuen Währung zu überzeugen.
Wirtschaftsprofessor Joze Mencinger von der Universität Ljubljana sieht jenseits der technischen
Perfektion durchaus politische und ökonomische Nachteile der raschen EU- und Euro-Integration.
»Ohne eigene Geldpolitik und mit einer sehr restriktiven Finanzpolitik«, meint er, »kann eigentlich im
Fall des kleinen Sloweniens in wirtschaftlicher Hinsicht von einem Staat gar nicht mehr gesprochen
werden, eher schon von einer Region. Aber das war bekannt, als man diesen Weg eingeschlagen
hat.«
Statistisch kann sich das kleine Land zwischen Adria und Alpen sehen lassen. Es hat seine Chance
genutzt, als reichste Republik Jugoslawiens die krisenhaften südslawischen Nachbarn per
Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1991 abzuschütteln und sich auf vergleichsweise hohem Niveau
in die Europäische Union einzuklinken. Dort rangiert Slowenien nach Wirtschaftsdaten gemessen
zwar in der unteren Hälfte der mittlerweile 27 Staaten umfassenden Gemeinschaft, jedoch eindeutig
an der Spitze der Neumitglieder.
Aufschwung mit Schattenseiten
Das Pro-Kopf-Einkommen im 1,9 Millionen Einwohner zählenden Land liegt mit der Indexzahl 84 nur
knapp unter dem EU-25-Durchschnitt (100). Vergleicht man die Zahl mit Polen (51), Ungarn (64)
oder gar Bulgarien (32), so wird die Prosperität im Lande rasch deutlich. Und diese ist auch relativ
gleich verteilt. »Die soziale Differenz entspricht in etwa jener, wie sie in skandinavischen Ländern
üblich ist«, weiß Joze Mencinger.
Slowenien ist das einzige Land unter den neuen EU-Mitgliedern, bei dem der Kapitalexport den
Kapitalimport übersteigt. Im Klartext: Heimische Unternehmen sind auf Auslandsmärkten tätig.
Genau dies hat Brüssel vor dem EU-Beitritt kritisiert, war doch die Erweiterung gedacht, um
westeuropäischen Firmen Marktzuwachs zu erleichtern. Schutzmaßnahmen der Regierungen in
Ljubljana wie jene der Bevorzugung von einheimischen Eignern gegenüber ausländischen
Investoren bei der Privatisierung haben im Land einen Mittelstand gestärkt, dessen Grundlagen
freilich bereits unter Tito geschaffen worden waren.
Die Verzahnung von Wirtschaft und Politik, wie sie in der slowenischen Privatisierungsmethode mit
der gleichzeitigen Etablierung von staatlichen Fonds angelegt war, beginnt Früchte zu tragen, die
freilich nur wenige Profiteure genießen können. Um demokratische Standards geht es dabei nicht,
wenn Führungsmethoden aus dem Betriebsmanagement in der Politik Einzug halten.
Der bekannteste Fall ist jener des ehemaligen Betriebschefs der größten slowenischen
Einzelhandelskette »Mercator«, Zoran Jankovic. Er hat sich im Sommer 2006 kurzerhand
entschlossen, mit einer eigenen Liste für das Bürgermeisteramt von Ljubljana zu kandidieren, und
die Wahlen aus dem Stand heraus gewonnen. Wie er seine Arbeit als erster Mann von Ljubljana
versteht, darüber gibt er immer wieder bereitwillig Auskunft, so auch im März 2007 gegenüber dem
Lifestile-Magazin »Slovenia life«: »Ich habe mich dazu entschlossen, als Bürgermeister von
Ljubljana wie ein Manager zu arbeiten«, vertraute er dem Blatt an. »Nach vier Monaten in diesem
Job weiß ich: Es ist ein Managerjob und keine politische Arbeit.«
Das Ende des politischen Primats über soziale oder ökonomische Prozesse, wie es in Zeiten der
Globalisierung nicht nur die kleinen Staaten erfasst, kann man nicht klarer ausdrücken. Aus dem
Munde eines mächtigen ehemaligen Managers hört sich das glaubwürdig an.
»Sozialdemokratisch und totalitär«
Auf andere Weise autoritär wird auch auf nationaler Ebene regiert. Ministerpräsident Janez Jansa
führt das Land seit den Parlamentswahlen im Herbst 2004 nach eigenem Gutdünken. Der 49-
Jährige hat sich als kommunistischer Jugendfunktionär Mitte der 80er Jahre als einer der ersten
gegen die jugoslawische Volksarmee gestellt, was vielfach – vor allem bei Wehrdienstverweigerern
im Westen – als Friedensengagement missverstanden wurde. In der Rolle des
»Verteidigungsministers« während des kurzen Bürgerkriegs befehligte er jene slowenische
Territorialverteidigung, die im Juni 1991 auch unbewaffnete jugoslawische Soldaten erschoss. Unter
dem Namen »Affaire Holmec« stellt dies nach wie vor ein unaufgearbeitetes, dunkles Kapitel der
slowenischen Zeitgeschichte dar. Später wegen Korruptionsvorwürfen vom Ministeramt
zurückgetreten, gründete Jansa die »Sozialdemokraten«, die sich bald in Demokratische Partei
(SDS) umbenannten. 2004 fuhr er mit der SDS einen Wahlsieg ein.
»Jansa ist eine Mischung aus ultraliberal, sozialdemokratisch und totalitär«, charakterisiert ihn einer
der intellektuellen Köpfe der Ljubljanaer Szene, der Soziologe Rastko Mocnik. »Er ist der Prototyp
eines neuen europäischen Phänomens, wie Sarkozy in Frankreich, vermeidet jede billige Pop-Kultur
und kämpft immer am Rande der Legalität. Auf diese neue Art ist er extrem rechts.« Seiner Ein-
Mann-Schau sagen viele Beobachter auch völliges Desinteresse am politischen Dialog nach.
»Opposition, Gewerkschaft, Universität – das sind alles keine Gesprächspartner für ihn. Er ist eine
autoritäre Persönlichkeit, gleichzeitig einer der wenigen Vollblutpolitiker, die Slowenien hat«, fällt das
Resümee von Rastko Mocnik zur Person des Ministerpräsidenten unbarmherzig aus. Die einzige
Kraft, die Jansas Ambitionen bislang Paroli bieten konnte, war übrigens die Gewerkschaft. Im
Oktober 2005 hat sie mit Massenprotesten die Einführung der Flat Tax, eines antisozialen
Besteuerungssystems, das in Ländern wie der Slowakei und Rumänien soziale Klüfte vertieft hat,
verhindert.
Professor Mencinger ortet einen Zusammenhang zwischen dem vorgetragenen autoritären Stil und
dem schwindenden ökonomischen Handlungsspielraum. Letzterer wird durch die von Jansa zur
Schau gestellte politische Härte kompensiert. Bedingt durch eingeschränkte ökonomische
Möglichkeiten, drückt sie sich unter anderem auf kultur- und sozialpolitischem Gebiet aus. Die vom
Staat mitgetragene Verfolgung von Roma gehört genauso dazu wie unverhältnismäßige
Polizeieinsätze gegen subkulturelle Jugendliche oder der große unaufgearbeitete Skandal der
Ausbürgerung Zehntausender Bosnier, Serben und Albaner.
* Aus: Neues Deutschland, 14. Juni 2007
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