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Staatschef mit Unternehmergeist

Millionär Kiska will als neuer slowakischer Präsident Anwalt aller Bürger sein

Von Jindra Kolar, Prag *

Keine 24 Stunden nach seiner Amtseinführung ging Andrej Kiska auf die erste Dienstreise. Beim Treffen osteuropäischer Staatsoberhäupter in Budapest machte er auch seine Haltung zum Ukrainekonflikt deutlich.

Ohne ein konkretes politisches Programm zu haben, zeigt Andrej Kiska immerhin gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Präsident der Slowakei, dass er zu den Konservativen Europas gehört und sich dabei deutlich westlichen Werten anschließt.

Der 51-jährige parteilose Millionär hatte im März die Präsidentenwahl gegen den sozialdemokratischen Kandidaten und derzeitigen Regierungschef, Robert Fico, für sich entscheiden können. Am Wochenende übernahm er das höchste Staatsamt vom gemäßigten Nationalisten Ivan Gasparovic, der verfassungsgemäß nach zwei Amtsperioden abtreten musste. In seiner Antrittsrede hob Kiska die starke »euro-atlantische Verankerung« seines Landes hervor und deutete damit auch eine Unterstützung der prowestlichen Führung im Nachbarland Ukraine an.

Kiska gibt sich stets sehr USA-freundlich, seinem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten verdanke er seinen »unstillbaren Appetit auf Unternehmerschaft«, wie er häufig erzählt. Vorbehaltlos unterstützt Kiska in diesem Sinne ein hartes Vorgehen der USA und der EU gegen Russland, stellt sich auf die Seite der neuen Regierenden in Kiew.

Damit könnte er erhebliche innenpolitische Zwistigkeiten auslösen, denn Regierungschef Fico ist völlig gegenteiliger Ansicht. Die Administration in Bratislava sucht das Gespräch und die Zusammenarbeit mit dem langjährigen Verbündeten in Moskau und in Kiew. Fico ist der Ansicht, dass nur ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis zu beiden Staaten im Osten der Wirtschaft und dem Wohlergehen der Slowakei dienlich sei. Boykotts schadeten vor allem den kleinen Volkswirtschaften, wie der der Slowakei.

Inwieweit sich der neue Präsident mit seiner Bereitschaft, die EU-Sanktionen zu unterstützen, im Kollegenkreis durchsetzen kann, wird sich erst noch erweisen müssen. Denn auch die konservativen Staatenlenker Polens und Ungarns, Bronislaw Komorowski und Janos Áder, tendieren eher zur Verhandlungsbereitschaft.

Kiska ist auf dem politischen Parkett ein Neuling. Er selbst sieht es als großen Vorteil an, von keiner politischen Partei in das Amt des Präsidenten delegiert worden zu sein. Nach der Rückkehr aus den USA hat er mit seinem Bruder erfolgreich verschiedene Kreditinstitute gegründet und damit ein Vermögen verdient. Sein Ansehen in der slowakischen Bevölkerung erlangte der mehrfache Millionär jedoch mit der Gründung der Sozialstiftung »Dobry Anjel« (Guter Engel), die sich um schwer kranke Kinder und deren Angehörige kümmert.

Auch bei seiner Amtseinführung lud er Obdachlose und sozial Bedürftige zum Mittagessen in den Garten des Präsidentenpalastes. Er wolle ein Präsident für »alle Slowaken« sein und das Vertrauen der Bevölkerung in das Amt des Staatsoberhauptes stärken. Auch kündigte er an, mit der Regierung zusammen arbeiten zu wollen.

Ein Vorhaben, das sich bald überprüfen lässt. Denn turnusgemäß übernimmt die Slowakei ab 1. Juli die Präsidentschaft in der Visegrad-Gruppe. Bereits in der kommenden Woche wird Robert Fico zum Abschluss des ungarischen Vorsitzes zum Amtskollegen Viktor Orbán nach Budapest reisen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 17. Juni 2014


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