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Der mühsame Weg der Slowakei nach Westen

Das etwas andere Buch zum Staatsjubiläum

Von Olaf Standke *

Die Slowakei gehört zu den jüngsten Staaten Europas, entstanden erst nach dem Zerfall der Tschechoslowakei vor 20 Jahren. Wenn man dort dieser Tage eine gemeinsame Bewerbung mit Polen um die Olympischen Winterspiele 2022 erwägt, während Tschechien gleichzeitig das Angebot aus Bratislava ablehnt, die Eishockey-Weltmeisterschaft 2015 gemeinsam zu veranstalten, dann erzählt das auch etwas über das nicht einfache Verhältnis zwischen den einstigen »Brudervölkern«. Auch dem geht das im österreichischen Promedia-Verlag erschienene Slowakei-Buch bis zu den historischen Wurzeln nach.

Es schlägt den Bogen von den slawischen Ursprüngen der Region und vom »Großmährischen Reich« im 9. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Ihr Hauptaugenmerk aber legen der Wiener Wirtschaftshistoriker, Verleger und Publizist Hannes Hofbauer, seit vielen Jahren auch streitbarer nd-Autor, und der Berliner Politologe David X. Noack auf die beiden Dekaden staatlicher Selbstständigkeit: keine Festschrift zum Jubiläum am 1. Januar 2013 natürlich, doch ein Gegenentwurf zum schwarz-weißen Strich, der das Slowakeibild vieler westlicher Medien und Politiker prägt.

Entstanden ist eine so umfassende wie kritische Analyse, eine Melange aus chronologischer Geschichtsschreibung und lexikalischem Kompendium, die immer nach den Rahmenbedingungen politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen fragt und nach ihren Auswirkungen für Otto Normalverbraucher, der in der Slowakei Jožko Mrkvička heißt. Ausführlich werden etwa die sozialen Folgen des Ausverkaufs im Privatisierungsprozess oder der Finanzkrise in der Europäischen Union beschrieben.

Für die Autoren war die Slowakei mit ihrer fluktuierenden Parteienlandschaft in den vergangenen Jahren auch ein neoliberales Laboratorium, das sie nicht nur im Abschnitt über die sogenannte Flat Tax kenntnisreich durchleuchten. Gerade hat das heute sozialdemokratisch dominierte Parlament in Bratislava die endgültige Abschaffung dieser Einheitssteuer beschlossen, die wesentlich zum Ruf des Landes als Unternehmerparadies beigetragen hat.

Das alles liest sich zwar nicht ganz so flott wie ein Reiseführer, ist aber im besten Sinne dialektisch und bietet Mehrwert auch für jene, die sich professionell mit dem Staat am östlichen Rand der EU beschäftigen. Hilfreich wäre allerdings, wenn die umfangreiche Literaturliste des empfehlenswerten Buchs in der nächsten Ausgabe um ein Namens- und Sachwortregister ergänzt würde.

Hannes Hofbauer/David X. Noack: Slowakei - Der mühsame Weg nach Westen. Promedia Verlag, Edition Brennpunkt Osteuropa, Wien 2012, 242 Seiten, 17,90 Euro; auch als eBook erhältlich.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 12. Dezember 2012


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