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Premier gegen Millionär

Stichwahl um slowakisches Präsidentenamt zwischen Robert Fico und Andrej Kiska. Ausgang könnte Konsequenzen für Ukraine-Politik der EU haben

Von Reinhard Lauterbach *

In der Slowakei sind die Wähler am Samstag aufgerufen, in einer Stichwahl den künftigen Präsidenten ihres Landes zu bestimmen. Von den ursprünglich 14 Kandidaten des ersten Wahlgangs stehen nun noch der amtierende Regierungschef Robert Fico von der sozialdemokratischen Partei Smer (Richtung) und der parteilose Multimillionär Andrej Kiska zur Wahl. Fico hatte den ersten Wahlgang überraschend knapp mit 28 Prozent der Stimmen gewonnen; er lag dabei in sechs der acht Regionen der Slowakei vorn. Kiska war mit 24 Prozent auf Platz zwei gekommen und hatte im wohlhabenden Westen mit der Hauptstadt Bratislava vorn gelegen.

Das gute Abschneiden Kiskas erinnert an den unerwarteten Erfolg des Milliardärs Andrej Babiš bei den Parlamenswahlen in Tschechien im Oktober. Ebenso wie Babiš hat sich Kiska offiziell dem Kampf gegen die Korruption verschrieben. Anders als jener ist er allerdings nicht mehr im aktiven Geschäftsleben tätig, sondern hat sich vor einigen Jahren mit den gemachten Millionen zurückgezogen. Er hatte sie unter anderem einem Unternehmen zu verdanken, das sich auf Ratenkredite spezialisierte; Robert Fico nannte ihn deshalb im Wahlkampf einen Zinswucherer. Kiska hat seine Kandidatur seit zwei Jahren vorbereitet – unter anderem, indem er sich ein Image als Wohltäter zugelegt hat. Ihm gehört eine Stiftung namens »Guter Engel«, die arme Familien kranker Kinder unterstützt – das Emotionsthema Nummer eins. Sein politisches Profil ist bisher wenig ausgeprägt; seine Chancen auf einen Sieg gegen Fico beruhen darauf, daß er die Stimmen praktisch der gesamten slowakischen Rechten bündeln könnte, die im ersten Wahlgang mit zwölf Kandidaten ihre Zersplitterung vorgeführt hatte. Die letzte offene Auseinandersetzung hatten die slowakischen Rechten verloren: die neoliberale Regierung von Iveta Radicova war 2012 von Ficos Sozialdemokraten abgelöst worden; ihre Politik der Privatisierungen und Steuersenkungen hatte zwar den Beifall der Wirtschaftspresse Westeuropas gefunden, jedoch für die Bevölkerung nichts Gutes gebracht.

Fico ist allerdings kein explizit linker Kandidat. Er hat als Regierungschef die parlamentarische Unterstützung der nationalistischen und romafeindlichen Partei SDS nicht verschmäht. Seine Regierungszeit ist geprägt durch die in Osteuropa häufig anzutreffende Mischung aus sozialer Demagogie, einmaligen Wahlgeschenken und Vetternwirtschaft für die Funktionäre der eigenen Partei. Seine Gegner werfen ihm vor, mit der Kandidatur für das Präsidentenamt die Slowakei in einen Einparteienstaat verwandeln zu wollen. Relevanter dürfte aber der Wind sein, der Fico neuerdings aus Brüssel entgegenweht. Denn er hat in seiner Amtszeit vermieden, die Slowakei zum Werkzeug antirussischer Energiepolitik zu machen. Das Potential hierfür sind die durch die Slowakei verlaufenden Öl- und Gaspipelines. Energiestrategen in Brüssel und Washington würden sie gern nutzen, um die Ukraine im Rahmen des »reverse flow« (Rückstrom) mit Gaslieferungen zu unterstützen. Dabei handelt es sich um Gas, das westeuropäische Staaten, etwa Deutschland oder Österreich, auf eigene Rechnung aus Rußland beziehen, dann aber in die Ukraine zurückpumpen sollen, um Moskaus Möglichkeiten zu direktem ökonomischem Druck gegen Kiew zu schwächen und mindestens Preissenkungen für die Ukraine zu erzwingen. Bisher sind solche Überlegungen am Widerstand Ficos gescheitert; falls das Präsidentenamt am Samstag an seinen Herausforderer geht, könnte sich das ändern.

* Aus: junge Welt, Freitag, 28. März 2013


Vollblutpolitiker gegen Millionär

In der Slowakei kämpfen Seiteneinsteiger Kiska und Regierungschef Fico um das Präsidentenamt

Von Jindra Kolar, Prag **


Das Rennen um das slowakische Präsidentenamt ist völlig offen. Am Samstag treten Regierungschef Fico und Millionär Kiska in der Stichwahl an. Die Nichtwähler der ersten Runde könnten entscheiden.

Aus der ersten Runde der slowakischen Präsidentschaftswahl blieben mit Robert Fico und Andrej Kiska zwei völlig gegensätzliche Bewerber für die entscheidende Stichwahl übrig. Fico, der Vollblutpolitiker und derzeitige sozialdemokratische Regierungschef, tritt gegen den Seiteneinsteiger und Multimillionär Kiska an.

Die beiden Kandidaten erhielten im ersten Wahlgang vor zwei Wochen 28 beziehungsweise 24 Prozent der Wählerstimmen. Im Kampf um das höchste Staatsamt gilt es nun sowohl die Wähler der übrigen zwölf Kandidaten des ersten Urnengangs als auch jene Stimmberechtigten zu überzeugen, die am 14. März der Abstimmung fernblieben. Nicht einmal die Hälfte aller wahlberechtigten Slowaken (43 Prozent) hielt es unlängst für nötig, bei schlechtem Wetter die Wahllokale aufzusuchen – wohl aber auch weil Demoskopen und Medien sowohl die Stichwahl als auch die dafür antretenden beiden Kandidaten vorausgesagt hatten.

Wie bereits vor fünf Jahren darf aber erwartet werden, dass am Samstag die Beteiligung steigen wird. 2009 wählten im ersten Durchgang 47,9 Prozent der Slowaken, während es zur Stichwahl, aus der Ivan Gasparovic als Präsident hervorging, 55 Prozent der Stimmberechtigten waren.

Fico scheint im zweiten Wahlgang im Vorteil zu sein. Bereits zweimal in der Funktion des Regierungschefs gewesen, kann der sozialdemokratische Politiker auf ein ausreichendes Maß an praktischer Erfahrung und eine positive Wirtschaftsbilanz in seiner Regierungszeit verweisen. Er will weiter als Moderator zwischen den politischen Parteien im Inland, mit den Oberhäuptern der Nachbarstaaten sowie der EU wirken. Ficos gute Beziehungen zu Russland und zur Ukraine könnten in diesen Tagen ausschlaggebend für die Wahl sein.

Kiska ist dagegen ein politisch unbeschriebenes Blatt. Seinen Ankündigungen nach will er sich für einen Abbau der Arbeitslosigkeit und für ein besseres Sozial- und Gesundheitswesen einsetzen. Wie das geschehen soll, lässt der bürgerliche Kandidat offen. Diese Konzeptlosigkeit nahm Fico als Kritikpunkt auf und erklärte, man könne sich auch »als Multimillionär keinen Präsidentensessel kaufen«. Der Smer-Chef spielte damit auf die Aussage Kiskas an, er habe seinen Wahlkampf selbst finanziert.

Es wird also bis Samstagabend abzuwarten sein, wer in den Grasalkovic-Palast einzieht. Die in der ersten Runde ausgeschiedenen Kandidaten – vor allem die dritt- und viertplatzierten Radoslav Prochazka und Michal Knazko – wollten sich nicht äußern, welchen Kandidaten sie unterstützen werden. Kiska ist jedoch auf die Hilfe aus dem bürgerlichen Lagers angewiesen, will er seine Chance wahren.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 28. März 2013


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