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Slowakisches Duell geht in Runde zwei

Kopf-an-Kopf-Rennen bei Präsidentschaftswahl zwischen Regierungschef Robert Fico und Millionär Andrej Kiska

Von Jindra Kolar, Prag *

Nach der ersten Runde der slowakischen Präsidentenwahlen gehen der Sozialdemokrat Robert Fico und der Finanzunternehmer Andrej Kiska in die Stichwahl.

Die Meinungsforscher hatten in ihren Prognosen die beiden am Sonnabend siegreichen Kandidaten in der ausgezählten Reihenfolge auf die ersten Plätze gesetzt, also Fico vor Kiska. Allerdings sagten sie einen deutlicheren Abstand voraus – der amtierende Regierungschef Fico lag danach bei 36 Prozent, Kiska bei 27 Prozent. Erreicht haben sie 28 bzw. 24 Prozent. So ist die erste Überraschung des Urnengangs also, dass der Kandidat der Smer-SD deutlich schwächer abschnitt, als nach seiner durchaus erfolgreichen Regierungspolitik eigentlich anzunehmen war. Der Partei- und Regierungschef sprach in einem ersten Interview dann auch von der »Bürde des Favoriten«.

Die zweite Überraschung ist, dass der Finanzunternehmer und Gründer des karitativen Werks »Dobry Anjel« (Guter Engel), vor einem Jahr im Lande fast gänzlich unbekannt, mit solch geringem Abstand hinter Fico lag. Kiska, der vor allem in den westslowakischen Wahlkreisen einschließlich der Hauptstadt Bratislava die Wähler für sich gewinnen konnte, wird als unabhängiger Vertreter in einer korrumpierten Parteienlandschaft wahrgenommen, ähnlich wie der Drittplatzierte, der Verfassungsrechtler Radoslav Prochazka (21 Prozent).

Die Wahlbeteiligung in dieser ersten Runde war mit nur 43,4 Prozent der Stimmberechtigten so schlecht wie das Wetter am Wahltag. Vor fünf Jahren lag sie im ersten Durchgang bei 47,94 Prozent. »Ich gehe davon aus, dass unsere Bürger die Stichwahl ernster nehmen werden, und rechne mit einer Beteiligung von mindestens 55 Prozent«, erklärte Robert Fico am Wahlabend im slowakischen Fernsehen RTVS. Der Premier gibt sich optimistisch, dass ihm die Bürger letztlich auch das Vertrauen als Präsident erweisen werden. Er sehe keinen Grund, die Taktik in den nächsten 14 Tagen zu ändern. Doch auch sein Gegenspieler Andrej Kiska sieht durchaus Chancen, den Platz im Grasalkovic-Palais einzunehmen. »Die Menschen schätzen mich als eine Person, die ihre Kompetenz sowohl auf dem Gebiet der Wirtschaft als auch im Gesundheits- und Sozialsystem nachgewiesen hat«, meinte Kiska im Fernsehauftritt am Wahlabend. Zudem könne er garantieren, ein unabhängiger Präsident für alle Slowaken zu sein.

Beide Kandidaten stehen nun vor der Frage, wie sie die Wähler der übrigen zwölf im ersten Wahlgang angetretenen Bewerber für sich gewinnen können. Fico suchte schon im Vorfeld den Kontakt zur Christlich-Demokratischen Bewegung (KDH). Doch deren Kandidat kam gerade einmal auf 3,3 Prozent der Wählerstimmen. Der Kandidat der Kommunisten musste sich sogar mit 0,6 Prozent der Stimmen begnügen.

Sollte es Kiska schaffen, die Stimmen der anderen unabhängigen Kandidaten auf sich zu vereinigen, könnte der 50-jährige Millionär am Ende der vierte Präsident der Slowakei und der erste parteiunabhängige werden. Einige der jetzt Unterlegenen haben ihm bereits Unterstützung zugesagt. Sollte Fico am 29. März in der Stichwahl scheitern, werde er trotzdem weiter regieren, erklärte der Ministerpräsident. Dafür seien er und die Sozialdemokraten 2012 mit deutlicher Mehrheit gewählt worden.

* Aus: neues deutschland, Montag, 17. März 2014


Sieg und Niederlage

Slowakei: Premier und Oligarch gehen in Präsidenten-Stichwahl

Von David X. Noack **


Die erste Runde der slowakischen Präsidentschaftswahlen hat der amtierende Premier von der sozialdemokratischen SMER-SD, Robert Fico, knapper als erwartet gewonnen. Trotz des ersten Platzes bei der Abstimmung stellt der Wahlgang vom vergangenen Samstag einen Rückschlag dar. Mit nur 28 Prozent hat die Sozialdemokratie ihr landesweit schlechtestes Ergebnis nach 2002 erreicht. Der Oligarch Andrej Kiska ist auf 24 Prozent der Stimmen gekommen. Zwei weitere bürgerliche und nicht parteigebundene Kandidaten erhielten 21 bzw. knapp 13 Prozent der Stimmen. Der ehemalige Parlamentspräsident und gemeinsame Kandidat der bürgerlichen Oppositionsparteien im Parlament, Pavol Hrušovský, muß mit 3,3 Prozent eine herbe Niederlage einstecken. Er landete sogar noch hinter dem Vertreter der ungarisch-nationalkonservativen SMK, Gyula Bárdos, der 5,1 Prozent der Stimmen erhielt. Die dem bürgerlich-autoritären Regierungschef des südlichen Nachbarlandes Viktor Orbán nahestehende SMK erreicht somit wieder Ergebnisse über der für die Parlamentswahlen wichtigen Fünfprozenthürde. Die Kommunistische Partei der Slowakei (KSS) kommt nicht aus ihrem Tal: Ihr Kandidat erhielt mit etwas mehr als 12000 Stimmen gerade einmal 0,6 Prozent.

Für die Sozialdemokraten der SMER-SD ist das Wahlergebnis eine relative Niederlage. Im Jahr 1999 als Linksabspaltung mit gelegentlich nationalen Tönen aus der neoliberal gewendeten Sozialdemokratie hervorgegangen, hatte die damals noch »SMER – dritter Weg« genannte Partei bei den Wahlen 2002 13,5 Prozent der Stimmen erhalten. Nach einer klar linken Opposition zur neoliberalen Regierung unter Mikuláš Dzurinda (2002–2006) stieg die SMER mit knapp 30 Prozent zur stärksten politischen Kraft des Landes auf. In den vergangenen fünf Jahren folgten dann eindeutige Wahlsiege mit 35 Prozent und 44 Prozent der Stimmen. Der Absturz von Fico ist nach Ansicht von Beobachtern auch auf die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit zurückzuführen.

Der Umstand, daß die bürgerlichen Kandidaten angekündigt haben, in der Stichwahl einander unterstützen zu wollen, macht den Oligarchen Kiska nun zum klaren Favoriten. Die Bürgerlichen, die auf den Plätzen zwei bis sieben landeten, erreichten zusammen knapp 70 Prozent der Stimmen. Lediglich größere Überraschungen könnten nun wohl den Unternehmer Kiska verhindern. Zuletzt sorgten Gerüchte für Verwirrung, daß Kiska der religiösen Sekte Scientology angehört oder dieser nahesteht. Der Millionär wehrte sich jedoch gegen diese Vorwürfe, die Anschuldigungen seien unhaltbar. Der aus dem mittelslowakischen Poprad stammende Oligarch, der noch nie ein politisches Amt ausgeübt hat, kündigte bereits an, einen weiteren Ausbau der Beschäftgitenrechte verhindern zu wollen. Als Präsident kann er ein Veto gegen Gesetze einlegen.

Sollte der 49jährige Robert Fico in den Präsidentenpalast einziehen, gilt der derzeitige Innenminister Robert Kalinák als wahrscheinlichster Kandidat für die Nachfolge auf dem politisch einflußreicheren Premiersposten. Der ehemalige Kleinunternehmer Kalinák ist der prominenteste Vertreter des sogenannten Wirtschaftsflügels der SMER-SD und steht für eine Politik, wie sie die neoliberal gewendete Sozialdemokratie Westeuropas bereits seit Jahren praktiziert. Für die Gewerkschaften, die Kommunisten sowie parteiunabhängige Linke stellt die Stichwahl am 29. März damit eine Wahl zwischen zwei Übeln dar.

David X. Noack ist Koautor des Buches »Slowakei – Der mühsame Weg nach Westen« (mit Hannes Hofbauer), Promedia-Verlag, Wien 2012.

** Aus: junge Welt, Montag, 17. März 2014


Für Fico wird es eng

Olaf Standke über die Präsidentschaftswahlen in der Slowakei ***

Der Favorit hat gewonnen und kann dennoch nicht zufrieden sein: Wie erwartet lag der amtierende slowakische Ministerpräsident Robert Fico mit 28 Prozent der Stimmen bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am Sonnabend vorn. Doch ist sein Vorsprung vor dem parteilosen Millionär Andrej Kiska – so wie die überaus schwache Wahlbeteiligung von 43 Prozent – deutlich geringer als vorausgesagt. Der politische Seiteneinsteiger kam auf 24 Prozent und fordert den sozialdemokratisch orientierten Regierungschef nun in einer Stichwahl heraus, in der sich plötzlich zwei nahezu gleich starke Gegner gegenüber stehen – ohne Sieggarantie für Fico.

Wahlbeobachter sehen Kiska sogar als eigentlichen Gewinner der ersten Runde. Und sollte er es jetzt schaffen, die rechten Wähler hinter sich zu scharen, könnte er in zwei Wochen den Premier, der die Stichwahl inzwischen als »Referendum« über seine Partei Smer charakterisiert, auch tatsächlich schlagen. Siegt Fico, würde Smer die Staatsspitze, die Regierung und das Parlament im Euro-Land Slowakei mit absoluter Mehrheit kontrollieren. Auch das dürfte die Stimmabgabe am Wochenende beeinflusst haben. Offensichtlich mehr als die dubiosen privaten Kreditfirmen, mit denen Kiska seinen Reichtum erworben haben soll.

*** Aus: neues deutschland, Montag, 17. März 2014 (Kommentar)


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