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Für immer Mugabe

Simbabwes 90jähriger Präsident entlässt seine Stellvertreterin. Seine Frau bringt sich in Position

Von Christian Selz *

Besonders viel Gnade hatte Simbabwes Präsident Robert Mugabe nicht mit seiner Stellvertreterin Joyce Mujuru. Bereits am Samstag hatte die regierende ZANU-PF die 59jährige ehemalige Freiheitskämpferin auf ihrem Parteitag in Abwesenheit politisch demontiert. Mujuru nahestehende Politiker wurden in der Abschlussresolution als »Konterrevolutionäre und Quislinge« beschimpft, sie selbst verlor ihren Sitz im Zentralkomitee. Dort sind - nachdem die weiteren Plätze vorerst nicht vergeben wurden - nun nur noch zwei Menschen vertreten: der 90jährige Mugabe und seine 41 Jahre jüngere Frau Grace. Mujuru, bis vor kurzem noch aussichtsreiche Kandidatin auf seine Nachfolge, entließ der Staatspräsident, wie am Dienstag bekannt wurde, inzwischen auch aus dem Amt der Vizepräsidentin.

Die politische Agenda brachte weder der Parteitag voran, noch ist das in nächster Zeit vom Kabinett zu erwarten, aus dem Mugabe ebenfalls am Montag sieben Minister des Mujuru-Flügels der Partei entfernte. Simbabwes Regierungspartei ist - das ließ nicht erst der rhetorische Rückgriff auf den norwegischen Nazikollaborateur Vidkun Quisling erahnen - innerlich tief gespalten. Zu den Ursachen des Konflikts kommt aus der Partei selbst wenig Erhellendes. Anstatt einen Plan für die Zukunft aufzustellen und die Spekulationen um Mugabes Nachfolge so zu beenden, bestätigte die ZANU-PF ihren alternden Vorsitzenden am Wochenende einhellig als Kandidaten für die nächsten Präsidentschaftswahlen. Die sollen 2018 stattfinden, Mugabe wäre dann 94. Was nach ihm kommen soll, darüber wird in der Partei nicht diskutiert. Stattdessen rätseln die Kommentatoren.

Seinen Nachfolger zu bestimmen sei Mugabes »letzte große Trumpfkarte«, mutmaßte Simon Allison im südafrikanischen Onlinemagazin Daily Maverick am Montag. Sobald er die ausspiele, werde der Präsident irrelevant, der Kampf um seine Gunst sichere Mugabe dagegen die Loyalität seiner Untergebenen. Wer Mugabe für einen allmächtigen Alleinherrscher hält, für den mag das zunächst plausibel klingen. Doch Allisons Analyse vernachlässigt die Stärke des Parteiapparats, von den Interessen der in Simbabwe aktiven Konzerne ganz zu schweigen. Simbabwe hat große Platin- und Diamantenreserven, und um die auszubeuten, ist eine - wie auch immer geartete - Stabilität in der politischen Führung wichtig.

Für die könnte - im Sinne einer Dynastie - Grace Mugabe sorgen, die sich relativ offen für die Nachfolge ihres Gatten in Position bringt. Auf dem am Wochenende beendeten Parteitag stieg die First Lady bereits zur Vorsitzenden der ZANU-PF-Frauenliga auf. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Dienstag vertritt der langjährige Südafrika-Korrespondent Thomas Scheen die These, Grace Mugabe habe in ihrem Hause bereits das Sagen. Mugabe bescheinigt er dagegen, dass dieser »kaum noch zu wissen scheint, was außerhalb seines Palastes vor sich geht«. Auf eine programmatische Ebene hebt die Machtkämpfe innerhalb der Regierungspartei dagegen kaum ein Beobachter. Lediglich die Nachrichtenagentur Reuters fabuliert von »einigen aus Wirtschaftskreisen«, die in Mujuru eine »Politikerin mit gesundem Menschenverstand« gesehen hätten, der es zuzutrauen gewesen wäre, »die Verbindungen mit dem Westen wiederherzustellen«.

Um letztere ist es in der Tat schlecht bestellt, seitdem Zehntausende Kleinbauern - und mit ihnen freilich auch etliche Parteigrößen - die ewig verschobene Landreform im Jahr 2000 selbst in die Hand nahmen und die Nachfahren der weißen Kolonialherren von ihren Farmen vertrieben. In westlichen Medien wird dabei gern ein kleines Detail vergessen: Es war der britische Premierminister Anthony Blair, der mit seiner Weigerung, längst ausgehandelte Reparationszahlungen zu leisten, einen geordneten Reformprozess unmöglich machte und die Situation in Simbabwe eskalieren ließ. Mugabe wird seither als der Schurke porträtiert, der das Land zerstört hat - ein Zustand, den westliche Regierungen durch umfangreiche Wirtschaftssanktionen allerdings mindestens teilweise selbst geschaffen haben. Mugabe ist so in eine Sackgasse geraten, aus der er selbst keinen Ausweg mehr zu wissen scheint.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 11. Dezember 2014


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