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Ausbeutung durch Gelegenheitsarbeit

Simbabwe: Befristete Beschäftigung gehört zum Alltag. Betroffene weitgehend rechtlos

Von Michelle Chifamba/IPS *

Ethel Maziriri hat vor vier Jahren an der Universität von Simbabwe ihr Examen in Sozialarbeit abgelegt. Allerdings arbeitet sie nicht in diesem Beruf, sondern als Kassiererin für eines der größten Textilunternehmen des Landes. Zufrieden ist sie damit nicht. Die Wirtschaftsprobleme in dem afrikanischen Staat ließen ihr jedoch kaum eine andere Wahl. ­Maziriri gehört zu denjenigen, die überhaupt noch etwas verdienen. Die Arbeitsbedingungen sind aber alles andere als ideal. Seit einem Jahr sitzt sie an Werktagen zehn Stunden lang an der Kasse und bringt im Monat umgerechnet etwa 80 US-Dollar nach Hause. Eine langfristige Anstellung hat sie nicht. Die meisten Mitarbeiter der Firma werden auf der Basis von Zeitverträgen für nur jeweils sechs Wochen beschäftigt. Manchmal würden Verträge sogar vorzeitig aufgelöst, wenn in dem Geschäft Geld oder Kleidung abhanden kämen, berichtet Maziriri. Löhne und Sozialbeiträge würden dann nicht weitergezahlt. »Man muß sehr aufpassen. Diejenigen, die gerade Schicht haben, müssen für den Schaden aufkommen und verlieren ihre Arbeit«, sagt sie. Maziriri sieht über die Schikanen hinweg, solange sie Geld verdienen kann. »Vertragsarbeiter müssen nicht unbedingt in einer Gewerkschaft sein«, findet sie. »Ich hätte auch gar nicht genug Geld, um die Beiträge zu zahlen.«

Der nationale Gewerkschaftsverband ­FFWUZ, der mehr als 50000 Beschäftigte in der nahrungsverarbeitenden Industrie vertritt, kritisiert Gelegenheitsarbeit als eine neue Form von Ausbeutung. »Arbeitgeber bevorzugen kurzzeitig Beschäftigte, weil ständige Mitarbeiter mehr kosten«, sagt der Rechtsexperte Gift Maoneka, der für die Gewerkschaft tätig ist. Seit Januar hätten demnach mehr als sechs Unternehmen Personal abgebaut. Jede Woche landeten etwa 450 Beschäftigte auf der Straße. »Die meisten Firmen nutzten die Gelegenheit, um durch den Personalabbau feste Mitarbeiter loszuwerden. Und es gibt keine Möglichkeit, rechtlich dagegen vorzugehen«, erklärt er. Laut FFWUZ haben die Wirtschaftskrise in Simbabwe und rückläufige Investitionen Unternehmen zu Rationalisierungsmaßnahmen gezwungen. Viele Firmen wollten keine längeren Beschäftigungsverhältnisse mehr eingehen und stellten daher nur befristet ein, um Sozialbeiträge, etwa für Gesundheitsversorgung, Rente und Bestattungen, zu umgehen.

»Gelegenheitsarbeiter sind jahrelang beschäftigt, ohne Leistungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Renten sowie medizinische Versorgung für sich selbst und ihre Familien zu erhalten«, sagt Maoneka. Auch wenn die Verträge befristet seien, blieben die meisten Mitarbeiter jahrelang einer Firma verbunden. Laut FFWUZ haben viele befristet Beschäftigte Angst, Gewerkschaften beizutreten. Weil sie selbst wenig Ahnung von Arbeitsrecht hätten, wehrten sie sich nicht gegen derartige Verstöße. Viele nähmen lange Arbeitszeiten und niedrige Bezahlung in Kauf, sagt Maoneka.

Nach bisher geltendem Recht ist es schwierig, fest Angestellte zu entlassen. Beschäftigte müssen zuerst mehrmals angehört werden. Theoretisch können Betroffene vor Gericht ziehen, doch der simbabwische Gewerkschaftskongreß betrachtet die Beschäftigten als rechtlos, wenn es um Rationalisierungsmaßnahmen geht. Zudem bestehe die Gefahr, daß die Richter von den Firmen beeinflußt würden. Im vergangenen Dezember erklärte Finanzminister Patrick Chinamasa bei der Vorstellung des neuen Haushalts, daß die Regierung über eine Reform des Arbeitsrechts berate, um die Einstellung von Arbeitskräften zu erleichtern. »Der Arbeitsminister sollte ernsthaft über Gesetzesänderungen nachdenken, die Arbeit mit Produktivität verbinden. Außerdem ist es notwendig, daß Arbeitskräfte flexibel eingestellt werden können«, sagte er. Lohnanpassungen müßten im Verhältnis zur Arbeitsleistung stehen.

* Aus: junge Welt, Dienstag 19. August 2014


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