Simbabwe: Der Niedergang der Wirtschaft und die Aktionen der Kriegsveteranen
Kann Mugabe das Steuer noch herumreißen?
Auch wenn Simbabwe in den letzten Monaten wieder etwas aus dem Blickfeld des Medieninteresses der westlichen Welt geraten ist, hat sich die Situation im Land und die Lage für die Bevölkerung wenig verändert. Die spektakulären Landbesetzungen des vergangenen Jahres sind nicht rückgängig gemacht worden, gerichtliche Auseinandersetzungen darüber bisher ohne konkretes Ergebnis geblieben - und die "Kriegsveteranen" (ein eigentlich unzulässiger Sammelbegriff für die ganz unterschiedlichen sozialen Kreise, die hinter den illegalen Aktionen stehen) haben sich neben den Farmen nun auch Firmen anderer Gewerbezweige vorgenommen. Die Politik des Präsidenten Robert Mugabe hat derzeit wenig Profil. Es scheint so, als würden ihm auch die eigenen Anhänger keine Gefolgschaft mehr leisten.
Wir dokumentieren im Folgenden zwei Artikel, die sich mit den Problemen des Landes aus unterschiedlichen Blickwinkeln befassen. Der erste Beitrag - er stammt aus der Neuen Zürcher Zeitung und wurde von uns stark gekürzt - thematisiert die Perspektivlosigkeit der Regierungspolitik in Simbabwe und setzt auf den Durchbruch der demokratischen Opposition. Der zweite Beitrag - aus der jungen welt - geht auf die neuesten Aktionen gegen weiße Unternehmen ein.
Anschauungsmaterial für Afrika-Pessimisten
In Simbabwe scheint die Regierung von Präsident
Mugabe zur Zeit alles daranzusetzen, den überall
nur Zerfall und Niedergang witternden
Afrika-Pessimisten Anschauungsmaterial zu liefern.
Mit ihrer extrem kurzsichtigen, ausschliesslich auf
Machtbewahrung ausgerichteten Politik fügt sie vor
allem der Wirtschaft des Landes schweren Schaden
zu. Die einstige Kornkammer im südlichen Afrika
kann dieses Jahr ihren Eigenbedarf am
Grundnahrungsmittel Mais nicht decken; sie muss
erstmals größere Mengen importieren. ...
Über so wenig Devisenreserven verfügt Simbabwe,
dass damit nicht einmal die Importe von einer
Woche gedeckt werden können. Ausländische
Kreditgeber halten sich zurück, seit der Staat seine
Zinszahlungen an alle Gläubiger im Ausland,
einschließlich des Internationalen Währungsfonds
(IMF), eingestellt hat. Der Devisenmangel hat
Engpässe bei der Treibstoff- und Stromversorgung
bewirkt; er würgt die Industrie ab, die kaum noch
Ersatzteile und Ausrüstungsgüter importieren kann.
60 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung sind
arbeitslos.
Die Landfrage
...
Niemand, nicht einmal der Verband der in ihrer
grossen Mehrheit europäischstämmigen
Grossfarmer, bestreitet, dass Simbabwe mit einer
drückenden kolonialen Erbschaft belastet ist - mit
einem einseitigen, die schwarzen Kleinbauern stark
benachteiligenden Zugang zu Grund und Boden.
Während ein paar tausend Farmer und eine Reihe
von multinationalen Konzernen rund ein Drittel der
gesamten Landesfläche beanspruchen, rackern sich
Millionen von Simbabwern auf Gemeinschaftsland
ab, das zusammengenommen nicht einmal die
Hälfte der gesamten Landesfläche umfasst und
obendrein in den klimatisch benachteiligten
Gegenden mit den unfruchtbarsten Böden
konzentriert ist. Beträgt die Bevölkerungsdichte im
Landesdurchschnitt 31 Personen pro
Quadratkilometer, so leben auf einem
Quadratkilometer Gemeinschaftsland 37
Personen. Landhunger und das Bestreben,
das koloniale Erbe der ungerechten Landverteilung
zu korrigieren, waren die Triebfedern für den
Aufstand gegen das weiße Minderheitsregime von
Ian Smith in den sechziger und siebziger Jahren und
führten den Guerillabewegungen von Robert
Mugabe und Joshua Nkomo Anhänger zu.
Einmal an der Macht, hatten es Mugabe und seine
Zimbabwe African National Union-Patriotic Front
(Zanu-PF) mit der Landreform nicht mehr so eilig.
Sie wandten sich anderen Prioritäten zu, darunter
dem Kampf der Frontstaaten gegen die Apartheid,
dem Aufbau schlagkräftiger Truppen und der
Förderung des Erziehungswesens. Mangels
politischer Alternativen stimmten die Simbabwer,
vor allem die Landbevölkerung, in den achtziger und
neunziger Jahren stets für die Zanu-PF. Die
Besitzstände der ungeliebten weißen Farmer und
der weißen Geschäftsleute blieben, trotz der
sozialistischen Rhetorik Mugabes, im Großen und
Ganzen unangetastet. ... Das Programm zur
Förderung schwarzer Kleinfarmer kam nie richtig
vom Fleck.
Wachsender Druck der Opposition
Zweifellos hätte Mugabe auch in seinem dritten
Regierungsjahrzehnt weiter nach dem Schema von
radikaler Umverteilungsrhetorik vor - und
Untätigkeit nach - geschlagener Wahlschlacht
verfahren können, wäre ihm Ende 1999 nicht, in
Form der Bewegung für demokratischen Wandel,
eine schlagkräftige Opposition erwachsen. Sie legte
den bescheidenen Leistungsausweis der Zanu-PF in
den vergangenen beiden Jahrzehnten schonungslos
offen und stellte mit ihrem Sieg im Referendum über
eine neue Verfassung gleich auch ihre Stärke unter
Beweis. Darüber hinaus zeichnete sich ab, dass die
Bedingungen des IMF für die Gewährung eines
neuen Kredits und damit für die Sicherung der
simbabwischen Zahlungsfähigkeit zumindest
kurzfristig der Zanu-PF nur weitere Stimmen kosten
würden. Zu diesen Bedingungen zählten eine
Offenlegung der Ausgaben für die militärische
Intervention in Kongo-Kinshasa, die Freigabe des
Wechselkurses, eine drastische Beschränkung des
Budgetdefizits, beschleunigte Privatisierungen
sowie eine konsensorientierte, von allen
Betroffenen gutgeheissene Landreform.
Eine Wahlniederlage vor Augen und mit dem Rücken
zur Wand, lancierte Mugabe letztes Jahr sein bisher
riskantestes Vabanquespiel. Mit Hilfe von
Geheimdienst und Armee mobilisierte er die lange
Jahre mit Versprechungen bloß hingehaltenen
ehemaligen Buschkämpfer als eine Art Sturmtruppe
zur illegalen, gewaltsamen Besetzung und
Beschlagnahmung von Landgütern. Mit den immer
noch andauernden Landbesetzungen beutet das
Regime gezielt nationalistische und rassistische
Gefühle aus; es will demonstrieren, dass Simbabwe
ohne die weißen Farmer auskommt und den Segen
des IMF für seine Landreform nicht braucht. ...
... Die Kriegsveteranen
und die sie unterstützenden jugendlichen
Sympathisanten derZanu-PF stehen über der
Polizei; klare gerichtliche Anordnungen an die
Sicherheitsorgane, dem gewalttätigen Treiben der
Landbesetzer ein Ende zu setzen, sind bisher auf
Anweisung Mugabes ignoriert worden.
Der mit Gewalt und Betrügereien erzwungene
Wahlsieg bei den letztjährigen Parlamentswahlen
hat Mugabe nicht etwa besänftigt und zum
Einlenken bewogen. Inzwischen haben sich die
Kriegsveteranen ein weiteres Ziel vorgenommen, die
Unternehmerschaft und die Gewerkschaften.
Sie mischen sich in arbeitsrechtliche
Auseinandersetzungen ein, plustern sich als
Verteidiger von Arbeiterinteressen auf und
bedrohen oder erpressen Arbeitgeber. Wie im Fall
der weißen Farmer haben auch diese Aktionen
eine doppelte Stoßrichtung: Sie dienen der
Einschüchterung der Opposition, aber gleichzeitig
sollen sie auch den städtischen Arbeitern zeigen,
dass deren Interessen bei den Kriegsveteranen
besser aufgehoben sind als bei den
Gewerkschaften, die zur Opposition übergelaufen
sind. ...
Manchmal scheint es, als setze die Regierung von
Präsident Mugabe alles daran, um die Opposition zu
Aktionen des gewaltsamen Widerstands zu
provozieren - um dann den Ausnahmezustand
ausrufen und die für nächstes Jahr geplanten
Präsidentenwahlen auf unbestimmte Zeit vertagen
zu können. In diese Falle ist die Opposition, die
durchwegs auf Gewaltlosigkeit setzt, bisher nicht
getappt. Auch die Richterschaft, Teile der Presse
und vor allem die Kirchen halten die Erinnerung an
ein anderes, besseres Simbabwe wach; mit
bemerkenswertem Mut haben sie sich bisher dem
staatlichen Gleichschaltungsdruck entzogen.
Das Drunter und Drüber in Simbabwe hat die
Partnerländer in der Entwicklungsgemeinschaft im
südlichen Afrika in ihrem Bemühen, die Region als
Hort der Stabilität und der Rechtsstaatlichkeit zu
vermarkten, weit zurückgeworfen. Sie alle
distanzieren sich zwar mehr oder weniger deutlich
von staatlich sanktioniertem Landraub und von
Rechtlosigkeit, aber über einen wirksamen
Mechanismus, um ein Mitgliedsland vor
Autoritarismus und Wirtschaftszerfall zu bewahren,
verfügen sie nicht. Im Grunde müssen sie froh sein,
wenn das «simbabwische Virus» nicht auf ihre
eigenen Volkswirtschaften übergreift und sie das
Wohlwollen der ausländischen Investoren und
Kreditgeber bewahren können.
ach.
Gekürzter Text aus: NZZ, 26. Mai 2001; Zwischenüberschriften von uns
Mugabe pfeift Kriegsveteranen zurück
Simbabwe: Regierung kündigt scharfe Reaktionen auf Firmenbesetzungen an
Simbabwes Präsident Robert Mugabe hat seine sogenannten Kriegsveteranen zurückgepfiffen und mit harten Strafen
gedroht, falls sie in der Hauptstadt Harare weitere Unternehmen besetzen. Ob er auch Scharfmacher Chenjerai Hitler
Hunzvi, den Vorsitzenden der alten Garde, aus dem Verkehr gezogen hat, wurde aber nicht bestätigt. Dem Vernehmen
nach liegt dieser streng abgeschirmt in einem Krankenhaus. Angeblich leidet er unter einer Malaria-Attacke.
Polizeiminister John Nkomo ließ inzwischen 28 Kriegsveteranen festnehmen. »Die Verhaftungen erfolgten wegen
Erpressung und Entführung«, sagte er. »Wir werden nicht dulden, daß sie unter der Maske von Kriegsveteranen
kriminelle Akte begehen.« Nkomo forderte die Geschäftsleute auf, alle diejenigen der Polizei zu melden, die ihre Firmen
überfallen haben, und versprach Eingreifen und Schutz. Die Kriegsveteranen hatten in den letzten Wochen etwa 300 in-
und ausländische Firmen besetzt, weil diese wegen der schlechten Wirtschaftslage Arbeiter ohne entsprechende
Abfindungen und oft sogar, ohne ihnen den letzten Lohn zu zahlen, entlassen haben. Seit Ende vergangenen Jahres haben
etwa 800 größere und kleinere Unternehmen wegen der Krise im Lande dicht gemacht, weitere sind zu Kurzarbeit
übergegangen. Dem Vorgehen der Polizei gegen die Kriegsveteranen war eine Kabinettssitzung vorausgegangen, auf der
sich alle Minister einhellig für ein Ende des Terrors gegen die Wirtschaft ausgesprochen haben.
Da von den Übergriffen auch ausländische Hilfsagenturen nicht verschont wurden, gab es Proteste vieler Regierungen,
die ankündigten, ihr Personal abzuziehen und alle noch verbliebenen Hilfsprojekte im Lande zu stoppen. Auch
Bundesaußenminister Joseph Fischer hatte scharf protestiert, als eine Gruppe von 30 Personen das Büro der Friedrich-
Ebert-Stiftung in Harare stürmte und vom dortigen Vertreter einen Millionenbetrag für »Konsultationshonorare« forderte.
Neben den scharfen Worten aus dem Ausland und der Kritik aus den eigenen Reihen gab es für Mugabe auch eine neue
innenpolitische Niederlage. Seine ZANU/PF verlor in Masvingo das Bürgermeisteramt. Die Wahl gewann dort der
pensionierte Ingenieur Alois Chaimiti für die oppositionelle Bewegung für demokratischen Wandel (MDC). Allerdings
gingen nur 27 Prozent der eingetragenen Wähler an die Urnen. Nach den Parlamentswahlen vom Juni letzten Jahres, bei
denen die MDC fast die Hälfte der Parlamentssitze gewann, nun auch noch den ersten Test bei den jetzt beginnenden
Bürgermeisterwahlen im Lande verloren zu haben, ist ein deutliches Signal für die sinkende Popularität Mugabes.
Roswitha Reich, Harare
Aus: junge welt, 28. Mai 2001
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