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Nach den Wahlen: Hängepartie in Simbabwe

Washington und Brüssel kennen bereits das Ergebnis - während die Wahlkommission noch zählt

Wahlsieger werden heute nicht mehr per Auszählung der Stimmen ermittelt, sondern durch einseitige Erklärungen der Kandidaten oder, noch bizarrer, durch ausländische Regierungsstellen. In Kenia war dies vor kurzem der Fall, in Simbabwe scheint sich das heute zu wiederholen.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob man ein Ergebnis für möglich hält, sondern ob es erwünscht ist. Natürlich ist es möglich, dass der Uraltpräsident Simbabwes,Robert Mugabe, die Wahl am 29. März 2008 gegen seinen Widersacher Morgan Tsvangirai verloren hat. Dies aber vor Auszählung aller Stimmen lauthals zu verkünden, wie es die US-Regierung und die EU getan haben, lässt auf ein fragwürdiges Demokratieverständnis schließen. Dies auch deshalb, weil für "den Westen", der sich, um das so pauschal zu sagen, schon seit einigen Jahren auf den "Schurken" Mugabe eingeschossen hat, schon vor der Wahl klar war, dass er verlieren würde, gleichgültig was die Stimmenauszählung erbrächte. Siegt Mugabe, dann ist das Ergebnis ohnehin gefälscht, verliert Mugabe, dann war seine Niederlage auch durch noch so viel Fälschung und Trickserei nicht mehr zu verbergen. Das Ergebnis ist in beiden Fällen das gleiche.
Im Folgenden dokumentieren wir einen weiteren Artikel aus der Tagespresse zu den Simbabwe-Wahlen und ergänzen ihn mit aktuellen Meldungen von Nachrichtenagenturen.
Pst



Ungewissheit in Simbabwe nährt Angst

Opposition verkündet ihren Sieg / Regierung Mugabe warnt vor "Staatsstreich"

Von Georg Krase *


Simbabwes Wahlen am Sonnabend (29. März) überraschten – zunächst durch ihren friedlichen Verlauf, jetzt durch die sich abzeichnenden Ergebnisse. Der Ausgang des Rennens zwischen Präsident Mugabe und Oppositionsführer Tsvangirai ist noch ungewiss.

Die oppositionelle Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) setzt alles auf Sieg. Ihre Anhänger notieren und fotografieren die in den Wahllokalen ausgehängten Ergebnisse und schmälern so die Möglichkeit der Manipulation. Die von der MDC zusammengerechneten Ergebnisse ergeben einen Trend, der für Präsident Robert Mugabe nichts Gutes verheißt. Demnach hätte er selbst in seinen Hochburgen auf dem Lande Einbußen hinnehmen müssen. Viele Simbabwer bewegte am Montag eine bange Frage: Wird Mugabe eine Niederlage akzeptieren oder wird er zu Gewalt und Tricks greifen, um sich an der Macht zu behaupten?

Am Wahltag sprachen internationale Beobachter und westliche Journalisten, ja sogar Anhänger der politischen Kontrahenten von einer friedlichen, teils harmonischen Atmosphäre. Die Wahl verlief ruhig, vergleichsweise effizient und ohne Zwischenfälle. Die Beteiligung war nicht so hoch, wie vor allem die Opposition erhofft hatte.

Die Kandidaten der Präsidentschaftswahl gaben sich siegesgewiss. Überraschend zurückhaltend war Amtsinhaber Robert Mugabe von der regierenden Afrikanischen Nationalunion Simbabwes (ZANU-PF). Ebenso überraschend, dass Außenseiter Simba Makoni mit über 70 Prozent der Stimmen rechnete. Selbstbewusst wie immer kündigte Morgan Tsvangirai von der MDC seinen Wahlsieg an.

Am Sonntagmorgen (30. März) ging MDC-Generalsekretär Tendai Biti so weit, den MDC-Wahlsieg bereits als »Tatsache« zu verkünden, obwohl die nationale Wahlkommission ein Ergebnis nicht vor Montag erwartete. Die MDC reklamiert inzwischen, gestützt auf eigene Recherchen, 60 Prozent der Stimmen für Tsvangirai gegen 30 Prozent für Mugabe. Bei der Vorausberechnung von 128 der 210 Parlamentssize seien 96 auf die MDC entfallen. Sogar ein Sprecher des britischen Außenministeriums sprach davon, Mugabe habe sehr wahrscheinlich die Wahlen verloren.

Simbabwes Regierungssprecher bezeichnete die voreilige Verkündung von Wahlergebnissen durch die MDC als »Staatsstreich«. Die nationale Wahlkommission gab erste offizielle Ergebnisse der Parlamentswahlen in 24 Wahlkreisen bekannt: Dabei entfielen je zwölf Sitze auf ZANU (PF) und MDC. Offizielle Ergebnisse zu den Präsidentschaftswahlen gibt es noch nicht. Opposition und einige unabhängige Beobachter sahen in 88 Prozent der städtischen und 42 Prozent der ländlichen Wahllokale Tsvangirai vorn, mit 55 Prozent der Stimmen vor Mugabe mit 36 und Makoni mit neun Prozent. Andere Beobachter waren vorsichtiger und verwiesen auf ausstehende Resultate im Großteil der ländlichen Gebiete mit zwei Drittel der Wähler, bisher eine Hochburg Mugabes.

Die nationale Wahlkommission wies die voreilig verkündeten Wahlergebnisse zurück. Die MDC hatte argumentiert, späteren Wahlfälschungen vorbeugen zu wollen. Gerüchte über angebliche Wahlfälschungen gibt es bereits. Kenia ist in aller Munde. Auch deshalb warnen Beobachter vor Verzögerungen bei der Bekanntgabe von Ergebnissen, die von der Wahlkommission mit der Mammutaufgabe der gleichzeitigen Auszählung vier verschiedener Wahlen (Präsident, Nationalversammlung, Senat, Kommunen) begründet werden.

Noel Kutuwa vom unabhängigen Zimbabwe Election Support Network mit eigenen Beobachtern drängt ebenfalls auf baldige offizielle Ergebnisse. Bisher gebe es jedoch keinerlei Beweise für Wahlfälschungen oder Manipulationen. Die Beobachtermission der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrikas (SADC) sprach von friedlichen und glaubwürdigen Wahlen, bezeichnete sie ausdrücklich als frei, vermied aber die Qualifikation fair.

Im Mittelpunkt des Interesses steht die Präsidentschaftswahl. Erreicht keiner der Kandidaten 50 Prozent, kommt es in drei Wochen zur Stichwahl. Dann dürfte sich die zerstrittene Opposition hinter Tsvangirai stellen und dessen Chancen auf den Sieg erhöhen. Entscheidend sind jedoch auch die Parlamentswahlen, bislang konnte sich der Präsident immer auf eine Mehrheit im Parlament stützen. Erhöhte Aufmerksamkeit gilt dem friedlichen Verlauf des Prozesses. Vor der Wahl hatten die Chefs der Sicherheitskräfte unter Hinweis auf Kenia vor der einseitigen Verkündung von Ergebnissen gewarnt. In den Städten patrouilliert Bereitschaftspolizei. Vor Unruhen im Zusammenhang mit der Verkündung der Wahlergebnisse wird gewarnt. Unberührt vom Ausgang der Wahlen bleiben zunächst die gewaltigen Probleme Simbabwes. Ob die Sieger einen Ausweg weisen, bleibt ungewiss.

* Aus: Neues Deutschland, 1. April 2008

Weitere aktuelle Meldungen

Simbabwes Staatschef Mugabe offenbar zum Rücktritt bereit

Nach 28 Jahren an der Macht ist Simbabwes Präsident Robert Mugabe offenbar zum Rücktritt bereit. Er habe seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl akzeptiert, hieß es aus Kreisen der Regierungspartei ZANU-PF und aus diplomatischen Kreisen. Der simbabwische Oppositionsführer Morgan Tsvangirai bestätigte die Informationen jedoch zunächst nicht. Er wolle zunächst die offiziellen Wahlergebnisse abwarten.

Mugabe sei "bereit zurückzutreten, weil er sich nicht in einer Stichwahl blamieren will", sagte ein Vertreter der ZANU-PF. Armeechef Constantine Chiwenga habe sich zunächst gegen die Rücktrittsabsichten Mugabes gesperrt. Mugabe versuche aber mit ihm eine Einigung zu erzielen. Zwei europäische Diplomaten bestätigten der Nachrichtenagentur AFP die Bereitschaft des 84-Jährigen zum Machtverzicht zugunsten von Oppositionsführer Tsvangirai.
Der Oppositionsführer wollte die Hinweise zu einem Machtwechsel am Abend in Harare nicht bekräftigen. Ebenso wenig wollte sich Tsvangirai zum Sieger der Präsidentschaftswahl am Samstag erklären.

Verschiedene Quellen hatten zuvor von seit Montag (31. März) andauernden Verhandlungen zwischen Vertretern der ZANU-PF und der oppositionellen Bewegung für einen Demokratischen Wandel (MDC) über einen Machtwechsel berichtet. Die Gespräche hätten begonnen, nachdem deutlich wurde, dass Mugabe in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl eine Niederlage erlitten habe.

Offizielle Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Samstag (29. März) lagen weiterhin nicht vor. Bei der Parlamentswahl lag nach Angaben der Wahlkommission die oppositionelle MDC nach Auszählung von zwei Dritteln der 210 Wahlkreise mit 72 Mandaten vorn.

Die EU-Ratspräsidentschaft forderte Mugabe zum Rücktritt auf. Großbritanniens Premierminister Gordon Brown rief die Regierung der ehemaligen britischen Kolonie zum "Respekt demokratischer Rechte" auf. Die US-Regierung nannte die Verzögerungen bei der Auszählung "beunruhigend".

Quelle: AFP, 1. April 2008

Opposition und Regierung weisen Berichte über Gespräche zurück

Opposition und Regierung in Simbabwe haben am Dienstag (1. April) Gerüchte zurückgewiesen, sie führten Gespräche über einen möglichen Rücktritt von Präsident Robert Mugabe. "Es gibt keine Gespräche", sagte Oppositionsführer Morgan Tsvangirai. Der stellvertretende Informationsminister Bright Matonga erklärte, es gebe keine Verhandlungen, solange das offizielle Ergebnis der Präsidentenwahl vom Samstag nicht vorliege. Für die Parlamentswahl gab die Wahlkommission unterdessen weitere Ergebnisse bekannt.

Tsvangirai betonte auf einer Pressekonferenz, seine Bewegung für einen Demokratischen Wandel (MDC) werde nicht über irgendein Abkommen beraten, bevor die Wahlkommission amtliche Zahlen bekanntgebe. Die Gremium rief er auf, die Ergebnisse rasch zu veröffentlichen. Gewährsleute hatten am Dienstag (1. Apr.) erklärt, beide Lager hätten Gespräche über einen möglichen Rücktritt Mugabes aufgenommen.

Nach Angaben der Wahlkommission waren am Dienstagabend (1. Apr.) 182 von insgesamt 210 Parlamentsmandaten vergeben. 92 davon gehen an die Opposition, 90 an Mugabes ZANU PF.

Quelle: AP, 1. April 2008

USA fordern rasche Bekanntgabe von Wahlergebnis in Simbabwe

Die US-Regierung hat die Behörden in Simbabwe aufgefordert, zügig die Ergebnisse der Wahlen vom Wochenende zu veröffentlichen. Die Menschen hätten eindeutig für einen Wechsel gestimmt, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Gordon Johndroe, am Dienstag (1. Apr.). Die Wahlkommission müsse nun die Ergebnisse bestätigen, die bereits von einzelnen Wahllokalen und Nichtregierungsorganisationen bekannt seien.

Der stellvertretende Sprecher des Außenministeriums, Tom Casey, erklärte, Washington erwarte, dass die Wahlergebnisse und der Wille der Bevölkerung respektiert würden.

Quelle: AP, 1. April 2008

Mugabes Zukunft ungewiss

Vier Tage nach den Wahlen in Simbabwe ist das Schicksal des immer stärker unter Druck stehenden Präsidenten Robert Mugabe ungewiss. Aus dem Ausland wird der Ruf nach einem Machtwechsel lauter. Das Volk habe für den Wandel gestimmt, sagte der Sprecher des Sicherheitsrates der USA, Gordon Johndroe. Oppositionsführer Morgan Tsvangirai dementierte Gerüchte, wonach die Regierung bereits über einen Rücktritt Mugabes verhandele. Das südafrikanische Land befindet sich in einer katastrophalen wirtschaftlichen Lage.

Quelle: dpa, 2. April 2008

Druck auf Simbabwes Staatschef und die Wahlkommission wächst

Angesichts der schleppenden Verkündung der Wahlergebnisse in Simbabwe wächst der Druck auf die Wahlkommission und Präsident Robert Mugabe. "Es ist klar, dass die Menschen in Simbabwe für den Wechsel gestimmt haben", sagte der Sprecher des Weißen Hauses in Washington. Die Wahlkommission in Harare müsse nun möglichst schnell die kompletten Ergebnisse des Urnengangs vom Samstag verkünden. Aus der simbabwischen Hauptstadt verlautete derweil, dass Mugabe angesichts der sich abzeichnenden Wahlniederlage nach 28 Jahren an der Macht zum Rücktritt bereit sei.

Mugabe habe seine Wahlniederlage bei der Präsidentschaftswahl akzeptiert, hieß es aus der Regierungspartei ZANU-PF und aus diplomatischen Kreisen. "Er ist bereit zurückzutreten, weil er sich nicht in einer Stichwahl blamieren will", sagte ein Parteivertreter. Eine offizielle Bestätigung für den Entschluss Mugabes gab es zunächst nicht. Auch Oppositionsführer Morgan Tsvangirai hüllte sich in Schweigen: Berichte über ein Abkommen zwischen seiner Bewegung für einen Demokratischen Wandel (MDC) und Mugabes ZANU-PF über einen Machtwechsel wollte er bei einer Pressekonferenz in Harare nicht bestätigen. Ebenso wenig wollte er sich zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklären.

Für die Präsidentschaftswahl lagen zunächst weiter keine offiziellen Ergebnisse vor. Aus Kreisen der regierenden ZANU-PF verlautete, Tsvangirai habe rund 48 Prozent der Stimmen gewonnen. Da er demnach keine absolute Mehrheit errungen hätte, müsste sich Mugabe ihm in einer Stichwahl stellen. Dieser Demütigung habe der 84-jährige Amtsinhaber aber entgehen wollen, hieß es. Deshalb wolle er zurücktreten.

Während sie sich bei der Präsidentschaftswahl weiter in Schweigen hüllte, veröffentlichte die Wahlkommission neue Teilergebnisse für die Parlamentswahlen. Danach kommt Tsvangirais MDC nach Auszählung von 175 der 210 Wahlkreise auf 90 Sitze, die ZANU-PF gewann 85 Mandate.

Quelle: AFP, 2. April 2008




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