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Mit neuer Verfassung zu Neuwahlen

Simbabwe: Spitzenpolitiker aller Parteien begrüßen neues Grundgesetz

Von Christian Selz, Kapstadt*

Weitgehend ohne Zwischenfälle haben die Simbabwer am Samstag über eine neue Verfassung abgestimmt. Das Gesetzeswerk, das das seit der Unabhängigkeit 1980 gültige Lancaster-House-Abkommen ablöst, soll das Parlament stärken, die Gleichberechtigung von Mann und Frau festschreiben, die Gewaltenteilung garantieren und bereits erfolgte Landumverteilungen unumkehrbar machen. Die maßgeblichen politischen Parteien Simbabwes hatten allesamt aufgerufen, dem Entwurf zuzustimmen. Bis Freitag wird ein Endergebnis des Referendums erwartet, allegemein wird aber mit großer Unterstützung gerechnet.

Enorme Bedeutung hatte die historische Wahl allerdings auch als Gradmesser des demokratischen Prozesses im Hinblick auf die für Juli vorgesehenen Präsidentschaftswahlen. Denn trotz der nach jahrelangen Verhandlungen erzielten Einigkeit über die neue Verfassung bleibt das Verhältnis zwischen der seit 32 Jahren regierenden »Zimbabwe African National Union – Patriotic Front« (ZANU-PF) unter Präsident Robert Mugabe sowie den beiden Flügeln des »Movement for Democratic Change« (MDC) angespannt. Seit 2009 bildete letzterer mit Mugabes Partei eine Regierung der nationalen Einheit.

Am Sonntag verhaftete die Polizei erneut drei hochrangige MDC-Offizielle, tags zuvor hatten bewaffnete Zivilpolizisten einen Lokalpolitiker festgenommen – als Mordverdächtigen, sagt die Polizei, zur politischen Einschüchterung entgegnet das MDC. Die Partei von Premierminister Morgan Tsvangirai zeigt sich besorgt über mögliche Attentate und eine neue Gewaltwelle rund um die kommenden Wahlen. Nach der letzten Abstimmung 2008 hatten politisch motivierte Unruhen – größtenteils verursacht durch Milizen der ZANU-PF – 180 Menschenleben gefordert.

So groß wie vor fünf Jahren ist die Gefahr dieses Mal allerdings nicht, diesen Eindruck versucht zumindest Mugabe zu vermitteln. »Ihr könnt nicht hergehen und Leute zusammenschlagen, das ist nicht erlaubt, wir wollen Frieden, Frieden«, verkündete das 89jährige Staatsoberhaupt vergangene Woche in einem Radiointerview. Der Grund der neuen Friedfertigkeit dürfte allerdings weniger in der neuen Verfassung als vielmehr in der gestärkten politischen Stellung des Staatsoberhauptes und seiner Partei liegen. Mugabe fühlt sich sicher; er kann auch unter der neuen Verfassung weiterregieren, da die Beschränkung der Präsidentschaft auf zwei fünfjährige Amtszeiten nicht rückwirkend gilt.

Sein mitunter tollpatschig wirkender Herausforderer Tsvangirai hat den wenigen, nicht repräsentativen Umfragen zufolge seit seinem starken Ergebnis von 2008 gegenüber der ZANU-PF an Boden verloren. Mugabes Partei punktet mit der Landreform, in deren Folge inzwischen mehr Agrarfläche bestellt ist als zu Zeiten der weißen Siedler, und mit der Umsetzung des ambitionierten Indigenisierungsgesetzes. Letzteres verpflichtet ausländische Konzerne, den Mehrheitsanteil ihrer Unternehmungen im Land an simbabwische Partner und lokale Gemeinschaften abzutreten. Die ersten Bergbaugiganten haben sich bereits widerwillig gebeugt, die Bevölkerung sieht, wie Simbabwe wieder Herr seiner Rohstoffe wird. Dagegen verhallen Tsvangirais Worte von Korruptionsbekämpfung und Verfassungstreue nahezu ungehört.

Zudem ist das Lager der Mugabe-Gegner gespalten, unter der Hand wird Tsvangirai Verrat vorgeworfen. Allzu schnell hatte er es letztlich zugelassen, daß der finale Verfassungsentwurf von ihm selbst und Mugabe ausgehandelt worden war – und nicht wie ursprünglich vorgesehen unter Einbeziehung der Bevölkerung durch die Verfassungsversammlung COPAC. Einen »Betrug an der Mitbestimmung« sieht die Menschenrechtsorganisation NCA (National Constitutional Assembly) und klagte – letztlich erfolglos – gegen die Austragung des Referendums. Abzuwarten bleibt nun nur noch, wie sich die sechs Millionen Wahlberechtigten entschieden haben.

* Aus: junge Welt, Montag, 18. März 2013


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