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Zweifel an freien Wahlen in Simbabwe

Thomas Deve über die Diskussion um die neue Verfassung und das Interimsabkommen mit der EU *


Thomas Deve ist Journalist und Mitarbeiter von SEATINI Zimbabwe (Southern and Eastern African Trade Information and Negotiations Institute), einer Partnerorganisation der Rosa-Luxembrug-Stiftung. Über die politische und wirtschaftliche Situation in Simbabwe sprach für »nd« mit ihm Christin Odoj.


nd: Für Simbabwe ist eine neue Verfassung eigentlich Grundvoraussetzung für Neuwahlen im nächsten Jahr. Die Regierungspartei ZANU-PF von Präsident Robert Mugabe hat den letzten Entwurf aber zurückgewiesen. Wie realistisch ist es, dass die Verfassung noch dieses Jahr verabschiedet wird?

Deve: An der Verfassungsgebung sind mehrere Parteien beteiligt, neben der ZANU-PF auch die ehemalige Oppositionspartei MDC. Einerseits ist es gut, dass die ZANU-PF ihre Änderungen vorbringt, nur dann hat die Verfassung überhaupt eine Chance, verabschiedet zu werden. Andererseits beklagt sich die ZANU-PF, dass sie von den Verhandlungen für einen Verfassungsentwurf nicht beteiligt war, was nicht stimmt. Wenn sie jetzt auf ihren Positionen beharren, wird es eine gegenseitige Blockade geben, denn die MDC hat erst kürzlich eine Kampagne zur neuen Verfassung gestartet, in dem die Änderungen der ZANU-PF aber nicht berücksichtigt sind.

Welche sind das genau?

In den ganzen Prozess zur Verfassungsfindung war auch ein parlamentarisches Komitee (COPAC) eingebunden, das Volksbefragungen durchgeführt hat. Die Ergebnisse waren leider nicht immer sehr zukunftsweisend, aber die ZANU-PF berief sich bei ihren Änderungen auf dieses Meinungsbild. So lehnte zum Beispiel eine Mehrheit die doppelte Staatsbürgerschaft ab, genauso wie Rechte für Homosexuelle. Auch eine Dezentralisierung, in der es direkt gewählte Provinz-Gouverneure geben soll, hat die ZANU-PF mit Verweis auf die Statistik abgelehnt, die Gouverneure sollen stattdessen vom Präsidenten berufen werden. An dieser Stelle gerät die Diskussion um eine neue Verfassung in eine sehr bedenkliche Richtung.

Die Rolle des Präsidenten selbst ist Gegenstand einer Verfassungsreform. Wie sieht es diesbezüglich aus?

Viele Menschen haben nicht unterschieden zwischen der Institution des Präsidentenamtes und der Person Robert Mugabe. Als sie danach gefragt wurden, ob der Präsident auf unbestimmte Zeit im Amt sein sollte, haben viele das unterstützt, anstatt sich auf Aspekte wie die Kontrollrechte des Parlaments gegenüber dem Präsidenten und der Polizei zu konzentrieren. Die ZANU-PF stützt sich jetzt auf solche Aussagen und das macht es nicht leichter. Aber letztendlich ist der Entwurf, der vom COPAC ausgearbeitet wurde, der einzige, der in demokratischen Verhandlungen entstanden ist.

Wird denn die Verfassung eine Grundlage für faire und freie Wahlen sein, so wie gedacht?

Ich bezweifle, dass es bei den nächsten freien Wahlen wirklich demokratisch zugehen wird. Dafür gibt es einfach noch zu viele Felder, auf denen es an Transparenz mangelt. Die neue Verfassung wird zwar das Vertrauen der Bevölkerung in die Wahlen stärken, aber die Versäumnisse liegen dann wieder in der praktischen Umsetzung. Wenn die Wahlurnen nicht durchsichtig sind und die Ergebnisse nicht sofort nach der Wahl ausgehängt werden, dann ist das fragwürdig. Ich bin trotzdem optimistisch, dass die Verfassung zumindest die gröbsten Versäumnisse der ZANU-PF beseitigen wird.

Welchen Einfluss hat der ehemalige Oppositionsführer und jetzige Premierminister Morgan Tsvangirai im Demokratisierungsprozess?

In den drei Jahren, die Tsvangirai jetzt im Amt ist, hat er auf jeden Fall einige Schwächen in der Politik der ZANU-PF aufgezeigt, auch wenn seine Partei immer noch keine konkreten Lösungsansätze für die dringendsten Probleme wie Armut und Ungleichheit im Land hat. Die Partei war erst einmal nur Opposition gegen Mugabe. Seit 2008 ist das Land relativ stabil. Wir haben seither keine ähnlich gewaltsamen Auseinandersetzungen mehr erlebt. Auch das Ausland fängt jetzt, da die EU ihre Sanktionen gegen Simbabwe gelockert hat, wieder an, auf Simbabwe zuzugehen.

Nach der Wahl 2008 stürzte das Land nicht nur in eine politische Krise, sondern auch in eine sozio-ökonomische. Welchen Beitrag daran haben die EU-Sanktionen?<

Die Sanktionen der EU haben das Land über die Restriktionen gegen einzelne Mitglieder der ZANU-PF hinaus getroffen. Wenn eine Firma mit einer anderen Geschäfte gemacht hat, die auf der Liste der sanktionierten Betriebe stand, dann ist diese Firma natürlich meist auf ihren Rechnungen sitzengeblieben. Und weil viele Parteimitglieder gerade im Agrarbereich oder der Mineralölindustrie großen Einfluss haben, waren die Auswirkungen der Sanktionen vielfältig, zum Beispiel auf die Treibstoffknappheit im Land.

Nun hat Simbabwe neben Mauritius, Madagaskar und den Seychellen ein Interims-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit der EU unterzeichnet, da das geplante dauerhafte EPA noch nicht zu Ende verhandelt ist. Welchen Effekt hat die gegenseitige Marktöffnung für die Wirtschaft Simbabwes?

Zunächst einmal überlagert EPA alle Abkommen mit der Welthandelsorganisation, ohne dass Simbabwe Garantien dafür bekommt, dass es wirtschaftlich von den Vereinbarungen mit der EU profitiert. Das Zweite ist, dass solche Abkommen Tendenzen unterstützen, die schon in der Vergangenheit desaströs waren, zum Beispiel Privatisierungen und Deregulierung. Mit dem günstigen Fleisch, Zucker und den Textilien kann kein regionaler Händler mithalten. Die EU verspricht wirtschaftliches Wachstum und erhält genau das Gegenteil, Wachstum der Arbeitslosigkeit. Die Regierung ist nicht mehr in der Lage durch Zölle die Einnahmen zu erhöhen, mit denen sie beispielsweise in den Gesundheits- oder Sozialbereich investiert werden könnte.

Welche Möglichkeiten haben denn afrikanische Staaten, um bei solchen Verhandlungen besser abzuschneiden?

Am wichtigsten ist die Steuergesetzgebung. Viel zu viele ausländische Unternehmen nutzen hier die großzügigen Schlupflöcher. Dazu kommt, dass die Einnahmen aus der Schwerindustrie, etwa aus dem Bergbau im Land bleiben müssen. Hier muss die Regierung aktiv werden. Man kann an Afrika nicht mit einem wirtschaftsliberalen Ansatz herangehen, dafür ist der Kontinent viel zu verletzlich.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 02. Oktober 2012


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