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Gewalt überschattet Wahlkampf in Simbabwe

Der einstige Befreiungskämpfer Robert Mugabe weigert sich, die Zeichen der Zeit zu verstehen

Von Georg Krase *

Am 27. Juni sollen Stichwahlen über die Besetzung des Präsidentenamtes in Simbabwe entscheiden. Im ersten Wahlgang hatten weder Amtsinhaber Robert Mugabe noch sein Gegner Morgan Tsvangirai von der Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) die erforderliche Mehrheit erhalten. Zwei Wochen vor der Entscheidung droht der Wahlkampf in Krieg überzugehen.

Manches erinnert an die späten 70er Jahre, als sich Südrhodesiens weißes Minderheitsregime an die Macht klammerte, um die schwarze Mehrheitsherrschaft zu verhindern. Am gleichen Schauplatz, heute Simbabwe, läuft die Uhr jetzt ab für den damaligen Sieger Robert Mugabe, Führer der stärksten Befreiungsbewegung ZANU-PF. Doch der frühere Hoffnungsträger versteht die Zeichen der Zeit nicht und weigert sich, die Macht über das Land abzugeben, das er wirtschaftlich zugrunde gerichtet und politisch entmündigt hat.

Schon im ersten Wahlgang Ende März lag Tsvangirai vorn, seine MDC hatte auch die Parlamentswahlen knapp gewonnen. Inzwischen beklagt die MDC über 60 Tote und zahlreiche Verletzte durch den Terror der Mugabe-Anhänger. Die ZANU-PF beschuldigt ihrerseits die Opposition terroristischer Anschläge. Ein UN-Vertreter in Simbabwe bestätigt eine besorgniserregende Zunahme der Gewalt, die überwiegend von der ZANU-PF ausgehe.

Tsvangirai wurde in den vergangenen anderthalb Wochen fünfmal von der Polizei festgesetzt, nach wenigen Stunden aber immer wieder freigelassen. Er sieht darin eine gezielte Störung seines Wahlkampfs. Ende vergangener Woche wurde auch MDC-Generalsekretär Tendai Biti festgenommen und des Hochverrats beschuldigt. Biti hatte zuletzt in Südafrika mit Vertretern der ZANU-PF über die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit verhandelt. Die Verhandlungen scheiterten Biti zufolge, weil die MDC eine Regierung unter Tsvangirai ohne Mugabe forderte, während die ZANU-PF auf Mugabe als Chef bestand. Die MDC befürchtet bei der Stichwahl einen durch Einschüchterung manipulierten Sieg Mugabes.

Tatsächlich ist das Regime Mugabes stark angeschlagen. Ursachen seiner Niederlage im ersten Wahlgang sind der wirtschaftliche und politische Niedergang Simbabwes, Mugabes Realitätsverlust und Zerfallserscheinungen im eigenen Lager. Aber auch die MDC kann sich nicht einer überwältigenden Mehrheit der Wähler sicher sein. Nur mit Unterstützung einer abgespaltenen Fraktion hat sie eine sichere Mehrheit im Parlament, das aber erst nach der Wahl des Präsidenten zusammentreten wird.

Die große Unbekannte bleiben die Sicherheitskräfte, die bisher Mugabe unterstützten. Kritiker wie Eldred Masunungure von der Universität von Simbabwe sprechen bereits von einer faktischen Militärherrschaft. Mugabe droht zudem erneut mit seinen berüchtigten »Kriegsveteranen«. Gewählte MDC-Parlamentarier sind bereits untergetaucht oder ins Ausland gegangen. Auch deshalb und wegen des politischen Patts wäre eine Regierung der nationalen Einheit oder eine gemeinsame Übergangsregierung von Vertretern der MDC und der ZANU-PF eine Möglichkeit, das Land politisch und ökonomisch zu stabilisieren und friedliche Wahlen zu sichern.

Die Regionalorganisation SADC will die Zahl ihrer Beobachter für den zweiten Wahlgang von 120 auf 400 erhöhen. James McGee, USA-Botschafter in Harare, ist das nicht genug. Er fordert mehr Intervention. Seine undiplomatische, aggressive Einmischung in den Wahlkampf leitet jedoch Wasser auf die Mühlen Mugabes, der seine Gegner gern als Marionetten des Westens verunglimpft. Gewichtiger sind Stimmen wie die des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan und ehemaliger afrikanischer Staatschefs, darunter Ghanas Jerry Rawlings, Mosambiks Joaquim Chissano und Tansanias Benjamin Mkapa, die ein Ende von Gewalt und Einschüchterung fordern. Südafrikas Präsident Thabo Mbeki, der den relativ glimpflichen Verlauf der Wahl im März seiner Vermittlung im Auftrag der SADC zugute hält, hat Drohgebärden gegen Simbabwes Regierung abgelehnt, aber nachdrücklich die Verantwortung der SADC und der Afrikanischen Union für freie Wahlen unterstrichen. Den Ernst dieser Erklärung bekräftigte der südafrikanische Vizeaußenminister Aziz Pahad, der unter Hinweis auf Gewalt und Verhaftungen warnte, man werde einen Bürgerkrieg in Simbabwe nicht zulassen. Inzwischen hat Botswana als erster Nachbarstaat offiziell gegen die Verhaftung simbabwischer Oppositionsführer protestiert.

* Aus: Neues Deutschland, 17. Juni 2008


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