Diamantenrausch auf den Marange-Feldern
Der staatliche Zugriff auf die Edelsteine verschafft der Regierung Mugabe in Simbabwe Luft
Von Georg Krase *
Das Thema »Blutdiamanten« war fast schon vergessen. Durch kontroverse Aussagen von Model
Naomi Campbell und Filmstar Mia Farrow vor dem UN-Tribunal zu Sierra Leone sind sie wieder in
aller Munde. Auch bei jüngsten spektakulären Diamantenverkäufen in Simbabwe stand dieser
Begriff erneut im Raum.
Eine Auktion von Diamanten mit über 900 000 Karat in Simbabwes Hauptstadt Harare fand kürzlich
weltweit Interesse. Neben Käufern u.a. aus Israel, Indien, Libanon und Russland interessierten sich
auch Medien und Nichtregierungsorganisationen für die Auktion. Für Simbabwes prekäre
ökonomische Lage war der erwartete Verkaufserlös von 1,5 Milliarden Dollar vielversprechend.
Wären da nicht Fragen: Unter welchen Bedingungen wurden die Rohdiamanten gefördert, wer
profitiert von ihrem Verkauf?
Nachdem Rebellengruppen in Afrika in den 1990er Jahren ihre Kriege durch illegalen Handel mit
»Blutdiamanten« finanzierten, kontrolliert und zertifiziert seit 2003 der internationale, von den
Vereinten Nationen gestützte »Kimberley-Prozess« von über 70 Ländern die Herkunft von
Rohdiamanten. Vor wenigen Jahren wurden unweit Mutare im Osten Simbabwes die größten
Diamanten-Vorkommen im südlichen Afrika seit über 100 Jahren entdeckt. Der Ansturm von 10 000
Diamantensuchern erinnerte an den Diamantenrausch der 1870er Jahre in Südafrika. Auf mehr als
60 000 Hektar der Marange-Felder begannen Digger an unzähligen Schürfstätten unter primitivsten
sozialen und hygienischen Bedingungen ihre Suche. 2006 übernahm Simbabwes Regierung die
Kontrolle, Rechtsansprüche einer britischen Gesellschaft scheiterten. Die Diamanten wurden an den
Staat verkauft, schnell entwickelte sich aber auch ein reger Schwarzmarkt. 2008 übernahmen
Soldaten aus »Sicherheitsgründen« die Kontrolle des Abbaus auf den Schürfstellen.
Menschenrechtsgruppen beklagten das brutale Vorgehen der Militärs, berichteten von Kinder- und
Zwangsarbeit und von 200 Toten. Die Zertifizierung der Marange-Diamanten im »Kimberley-
Prozess« war formell nicht in Frage gestellt, es sind keine »Blutdiamanten« zur Kriegsfinanzierung.
Internationaler Druck auf Simbabwe galt der Verbesserung der Menschenrechtsbedingungen.
Harare sagte auch den schrittweisen Abzug des Militärs zu.
Die neuen Diamantenvorkommen mit einen Wert von 800 Milliarden Dollar können ein Viertel der
Weltnachfrage decken. Simbabwe erklärte, mit dem Diamantenabbau seien zwei südafrikanische
Gesellschaften betraut, auch chinesische Unternehmen sind auf den Marange-Feldern aktiv.
Problematisch bleibt das Agieren der Militärs. Ihre überdimensionierte ökonomische Rolle im Lande
ist ohnehin umstritten, wo sie als Farmbesitzer und Unternehmer eine wichtige Stütze des
Autokraten Robert Mugabe sind, der sich weiterhin an die politische Macht klammert.
Im Juni 2010 bescheinigte der für Simbabwe zuständige Kontrolleur im »Kimberley-Prozess«, Abbey
Chikane, auf Empfehlung des Welt-Diamanten-Rates und nach eigenen Besuchen in Simbabwe,
das Land erfülle die Bedingungen für den Handel mit Rohdiamanten. Die Militärs seien von den zwei
produzierenden Minen abgezogen worden. Internationale Kontrolleure überwachten auch den
Verkauf der Diamanten in Harare. Die einflussreiche Handelsgruppe Rapaport aus den USA will
dennoch wegen der Menschenrechtsprobleme Marange-Diamanten boykottieren.
Simbabwes fragile Einheitsregierung ist über die Einkünfte aus der Diamantenförderung zerstritten.
Finanzminister Tendai Biti, ehemals in der Opposition, beklagt den fehlenden Nachweis über 30
Millionen Dollar aus bisherigen Diamanten-Verkäufen. Dem widerspricht Bergbauminister Obert
Mpofu von der ZANU-PF Robert Mugabes heftig. Der Bergbau ist Simbabwes wichtigste
Einnahmequelle. In Oppositionskreisen wurde behauptet, der Präsident wolle Einkünfte aus dem
Diamantenhandel seinen Parteifreunden zuschanzen. Die mehrdeutige jüngste Aufforderung
Mugabes an die Armee, die natürlichen Ressourcen des Landes zu schützen, gab solchen
Befürchtungen neue Nahrung.
* Aus: Neues Deutschland, 20. August 2010
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