Zwiespältige Bilanz in Simbabwe
Kompromissregierung amtiert seit 100 Tagen
Von Georg Krase *
Nachrichten aus dem Land zwischen Sambesi und Limpopo sind spärlich geworden – ein Indiz für
Fortschritte bei der Rückkehr zu Demokratie, wirtschaftlicher Erholung und normalen
Lebensbedingungen? Eine Bilanz nach 100 Tagen Regierung der nationalen Einheit ist ernüchternd.
Die Schwierigkeiten, die im September 2008 vereinbarte Regierung der nationalen Einheit zu
etablieren, sprachen bereits für sich. Erst im Februar 2009 kam das Kabinett zustande – ein
ungleiches Team mit Robert Mugabe (ZANU-PF) als Präsident und Morgan Tsvangirai von der
Bewegung für demokratischen Wandel als Premierminister. Anfängliche Skepsis hat inzwischen
vorsichtigem Optimismus Platz gemacht. Die gute Nachricht – seit drei Monaten gibt es keine
größeren Auseinandersetzungen und Menschenrechtsverletzungen. Nachdem der heimische
Simbabwe-Dollar für ein Jahr suspendiert wurde, wird der Zahlungsverkehr nun auf Basis
ausländischer Währungen wie dem US-Dollar, dem südafrikanischen Rand oder dem Euro
abgewickelt. Damit wurde immerhin eine Preisstabilisierung erreicht, und die Läden sind wieder
gefüllt. Allerdings werden keine Löhne gezahlt, es gibt nur eine Grundpauschale von 100 US-Dollar
für Beamte, Lehrer und Soldaten. Schulen und Krankenhäuser haben wieder geöffnet, aber es
mangelt an Medikamenten. Die Choleraepidemie der letzten Monate klingt nur langsam ab, sie
gehörte zu den schlimmsten ihrer Art in jüngster Zeit in Afrika.
Es gibt weitere schlechte Nachrichten – niemand zahlt Steuern, die Arbeitslosigkeit liegt bei 94
Prozent. Zwei Drittel der Bevölkerung benötigen Nahrungsmittelhilfe. Enteignete weiße Großfarmer
sehen ihnen angebotene Pachtverträge für 99 Jahre als nicht ausreichend an. Insgesamt wurden
4000 von ursprünglich 4500 Großfarmen enteignet, und es gibt immer noch Übergriffe.
Eine Schlüsselfrage ist die Wiederaufnahme der Auslandshilfe. Der Internationale Währungsfonds
leistet zwar wieder technische Hilfe, bisherige Kreditzusagen von einer Milliarde Dollar kommen aber
vor allem aus Afrika. Simbabwe benötigt kurzfristig 8,5 Milliarden Dollar. Die USA und andere
wichtige westliche Partner halten sich noch zurück. US-Außenministerin Hillary Clinton sprach zwar
von ermutigenden Zeichen, die Hilfe werde aber noch nicht wieder aufgenommen. Die Ablösung
Mugabes wäre für alle das Beste, aber man sehe durchaus seine historischen Verdienste. Mugabe
wird diese neuen Töne mit Interesse vernommen haben. Er will natürlich westliche Hilfe, möchte
aber seine Macht nicht aufgeben. Hinter den Kulissen tobt der Machtkampf. Mugabe will »seinen«
Nationalbankpräsidenten und den Generalstaatsanwalt nicht auswechseln. Doch hält er sich dabei
selbst zurück und spielt die Konflikte nicht in den Vordergrund.
Überraschend optimistisch gibt sich Tsvangirai, er spricht bereits von einer konsolidierten
Koalitionsregierung, die die Interessen der Menschen vertritt. Das heftig umstrittene
Innenministerium werde inzwischen von zwei Ministern geleitet, die gut miteinander kooperieren.
Zwischen Mugabe und ihm bestünden trotz großer Gegensätze Respekt und Arbeitsbeziehungen,
das nationale Interesse stünde im Vordergrund. Tsvangirai verhehlt Schwierigkeiten und Probleme
nicht, spielt sie jedoch herunter. Der Prozess der Erarbeitung einer neuen Verfassung sei eingeleitet.
In anderthalb Jahren werde man über Wahlen sprechen. Der ehemals kompromisslose
Oppositionsführer scheint Gefallen an der Macht zu finden, er erklärte, er werde nicht aus der
Koalitionsregierung austreten.
Offenbar funktioniert die Einheitsregierung bisher. Dennoch sehen Analysten noch keine
entscheidende Wende für das Land. Simbabwe befindet sich weiterhin in tiefer Armut, der
Flüchtlingsstrom nach Südafrika hält an. Vor allem die wirtschaftliche Entwicklung ist noch nicht in
Gang gekommen. Alle Produkte auf dem Markt kommen von außerhalb. Einen kurzfristigen Plan zur
Reaktivierung der Landwirtschaft halten Experten für unrealistisch und erwarten nur ein Viertel bis
ein Drittel der dort angestrebten Erträge. Die ökonomischen sind eng mit den politischen Problemen
verknüpft. Trotz Optimismus und Hoffnung, noch ist Simbabwe lange nicht über den Berg.
* Aus: Neues Deutschland, 2. Juni 2009
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