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Großbritanniens Interesse an Sierra Leone ...

... und der Diamantenkonzern De Beers

Von Rainer Rupp

Die internationale Menschenrechtsorganisation »Human Rights Watch« hat die britische Regierung dazu aufgerufen, die Regierungsarmee von Sierra Leone davon abzuhalten, in ihrem Kampf gegen die Sankoh-Rebellen Zivilisten zu töten. Wiederholt hätten die Regierungssoldaten aus den von den Briten gelieferten Kampfhubschraubern in Ansammlungen von Zivilisten geschossen. Dabei hätten sie allein im Mai und Juni Dutzende von Menschen getötet. Die Regierung Tony Blairs hatte im Mai dieses Jahres nach langem Zögern und anfänglicher politischer Unterstützung für den wegen seiner Grausamkeit berüchtigten Foday Sankoh, Führer der Revolutionären Vereinten Front (RUF), auf seiten der Regierung militärisch in den Bürgerkrieg in Sierra Leone eingegriffen.

Die Sankoh-Rebellen sind insbesondere wegen ihres Einsatzes von Kindersoldaten und des Abhackens von Händen und Füßen von nicht genehmen Zivilisten in den von ihnen eroberten Gebieten bekannt geworden. Trotzdem hatte sich die Regierung Blair lange Zeit für Rebellenführer Sankoh eingesetzt. Gemeinsam mit US-Außenministerin Madeleine Albright setzte sich der britische Moralist und Außenminister Cook dafür ein, daß die von der Regierung in Sierra Leone gegen Sankoh verhängte Todesstrafe aufgehoben und Sankoh im Rahmen eines Friedensvertrages statt dessen in die Regierung als Minister aufgenommen wurde. Erst als im Mai diesen Jahres die Koalition zerbrach und Sankoh wieder zum bewaffneten Kampf aufrief, wandten sich London und Washington endgültig gegen den Rebellenführer.

Warum dieser, auf den ersten Blick unverständliche Eiertanz? Eine alte Regel besagt: Folge dem Geld und du findest die Lösung. Das gilt ebenso für die neokolonialistischen Eroberer im Pelz der Menschenrechtler. In einem BBC- Bericht hieß es am Mittwoch, daß es im Bürgerkrieg in Sierra Leona »um nichts anders geht als um die Kontrolle über die sagenhaft reichen Diamantenminen des Landes«. Die Diamantenfelder von Sierra Leone, die für ihre hochwertigen Steine bekannt sind, liegen aber in dem von der RUF kontrollierten Gebiet. Diese füllt ihre Kriegskasse durch den Verkauf der Diamanten auf dem internationalen Schwarzmarkt am politisch einflußreichen britisch-amerikanischen Monopolisten De Beers vorbei auf, wodurch dessen Preise kaputtgemacht werden.

Durch die ursprüngliche britisch-amerikanische Hilfe für die RUF wollte man Sankoh dazu bewegen, die Diamantenfelder zu räumen und wieder der Regierung zu unterstellen, sprich den Verkauf der Diamanten wieder unter Kontrolle von De Beers bringen. Da dieser Plan mißlungen ist, haben De Beers und London nun die moralische Variante aus dem Hut gezaubert, um doch noch die Rebellendiamanten vom Markt zu bekommen. Der britische Außenminister Cook hat mit einigem Erfolg in der UNO eine Kampagne gegen die »Blutdiamanten« durchgezogen, gegen die nun ein internationales Aufkaufembargo durchgesetzt werden soll; angeblich, um die Finanzströme in die Bürgerkriegskassen auszutrocknen. Von der Profitsteigerung bei De Beers ist keine Rede.
Aus: junge welt, 14.07.2000

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