Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

UN-Friedensmission in Sierra Leone vor dem Ende?

Die Süddeutsche Zeitung berichtet am 9.5.2000 von der prekären Lage, in der sich die UN-Kräfte in Sierra Leone befinden.

Die Lage in Sierra Leone schreckt den Westen von weiteren UN-Einsätzen in Afrika ab

Die größte UN-Friedensmission der Welt steht kurz vor einem Fiasko. Und schlimmer noch: Das drohende Scheitern der 8700 Blauhelm-Soldaten wird die Neigung von Regierungen nicht fördern, sich an künftigen Frieden schaffenden oder bewahrenden Einsätzen in Afrika zu beteiligen.Die UN-Soldaten in Sierra Leone können froh sein, wenn ihnen nur die Fahrzeuge, Waffen und Uniformen gestohlen werden - es gibt niemanden mehr in diesem Land, der für ihr Leben garantieren könnte. Da hilft es auch nichts, wenn der Sprecher der Blauhelm-Soldaten, Philip Winslow, fordert, dass seine Truppe so schnell wie möglich auf die vorgesehenen 11 000 Mann vergrößert wird. Gegen schlecht ausgerüstete und vorbereitete UN-Soldaten aus Nigeria, Kenia, Indien oder Sambia haben die mehr als 20 000 schwer bewaffneten Rebellen leichtes Spiel.

Sierra Leone ist lediglich ein Beispiel für katastrophale UN-Einsätze in Afrika. Die Blauhelmtruppen scheiterten schon in Somalia, in Angola und am schlimmsten in Ruanda - dort zogen sie ab, als sie eindeutige Hinweise hatten, dass die zahlenmäßig überlegenen Hutu die regierenden Tutsi regelrecht ausrotten wollten. Der Massenmord wurde 1994 bewusst in Kauf genommen. Dennoch wäre es falsch, allein die Vereinten Nationen für ihr Scheitern verantwortlich zu machen. Die Weltgemeinschaft kann nur stark sein, wenn ihre stärksten Mitglieder dies zulassen. Und für den Einsatz im afrikanischen Dschungel hat keine Regierung in Europa oder den USA auch nur einen Soldaten übrig. Der Westen sah jahrelang tatenlos zu, als in Sierra Leone Zivilisten verstümmelt, vergewaltigt und ermordet wurden, weil die Rebellen die Diamantenminen haben wollten. Die Ausbeute wurde nach Europa und in die USA verkauft, um dafür wieder Waffen anzuschaffen. So kam schließlich auf Vorschlag der UN ein Friedensvertrag zu Stande, der einen der größten Kriegsverbrecher Afrikas, den Rebellenchef Foday Sankoh, zum Vize-Präsidenten Sierra Leones und zum Chef der Diamantenminen gemacht hat. Darum sagen sich die Aufständischen nun: Wenn die UN Gräueltaten auch noch belohnen, werden sie sich nicht mehr ernsthaft in den Weg stellen, wenn es jetzt um die ganze Macht im Land geht.

In den vergangenen Tagen reiste der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Richard Holbrooke, in den Kongo, ein Land, das fast so groß ist wie Westeuropa. Auch der Kongo ist reich an Gold und Diamanten, darum wird seit Jahren gekämpft. 5500 UN-Soldaten sollen demnächst einen Friedensvertrag überwachen. Während Holbrooke im Land war, lieferten die beiden Invasoren im Norden und Osten, Ruanda und Uganda, einander heftige Kämpfe.

Schon jetzt ist abzusehen, dass die UN-Soldaten entweder gar nicht erst entsandt werden oder genauso scheitern wie die Truppe in Sierra Leone. Viel sinnvoller wäre es, den illegalen Diamanten- und Goldexport aus diesen Ländern zu bekämpfen. Dann täten sich die Kriegsparteien schwerer, ihre Kämpfe zu finanzieren.
Michael Bitala

Zurück zur Seite "Sierra Leone"

Zurück zur Seite "Regionen"

Zurück zur Homepage