Kosovo: Verdacht gegen Hashim Thaci
Wahlsieger des Organhandels verdächtig
Schlimmer Verdacht gegen den Regierungschef Kosovos: Hashim Thaci soll einem am Dienstag (14. Dez.) veröffentlichten Bericht des Europarats zufolge als Führer der kosovarischen Befreiungsarmee UCK
tief in den illegalen Organhandel verstrickt gewesen sein. Der Ministerpräsident Kosovos, der sich zum Sieger der Parlamentswahl am Sonntag (12. Dez.) erklärt hat, ließ die Vorwürfe von seiner Demokratischen Partei umgehend zurückweisen.
Der Schweizer Europaratsabgeordnete Dick Marty beschuldigte Thaci und
weitere frühere UCK-Führer, am Handel mit den Organen serbischer Gefangener nach dem
Kosovokrieg 1998/99 beteiligt gewesen zu sein. Marty schrieb in dem Bericht von Beweisen dafür,
dass die UCK im Norden Albaniens Serben und einige Kosovo-Albaner in geheimen Gefängnissen
»unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt hat, bevor sie schließlich
verschwanden«. In einer Klinik seien Gefangenen Organe entnommen worden, die anschließend auf
dem internationalen Schwarzmarkt an ausländische Kliniken verkauft worden seien.
Diese Aktivitäten seien von UCK-Führern mit Verbindung zum organisierten Verbrechen betrieben
worden und würden »bis heute in anderer Form andauern«, schrieb Marty. Der Abgeordnete verwies
auf Ermittlungen der EU-Mission EULEX, die im Oktober in der Medicus-Klinik in Pristina fünf
Verdächtige, darunter Ärzte und einen Beamten des Gesundheitsministeriums, unter dem Vorwurf
des Organhandels und illegaler medizinischer Tätigkeiten festgenommen hatte.
Der frühere Schweizer Staatsanwalt Marty nannte ausdrücklich Thaci als »den Boss« der Drenica-
Gruppe, einer »kleinen, aber unvorstellbar mächtigen Gruppe von UCK-Mitgliedern«, die seit 1998
die organisierte Kriminalität unter ihre Kontrolle gebracht habe. Die diplomatische und politische
Unterstützung der USA und anderer westlicher Länder habe Thaci nach dem Kosovokrieg den
Eindruck gegeben, »unberührbar« zu sein, schrieb Marty.
Thacis Demokratische Partei (PDK) bezeichnete die Vorwürfe in einer Erklärung als »Lügen«, die
auf »unbewiesenen und erfundenen« Aussagen beruhten. Das Ziel des Berichts sei es, die UCK und
ihre Führer zu schädigen. Die Partei kündigte »alle möglichen und notwendigen Schritte« an, um
gegen die Beschuldigungen vorzugehen. Kosovo hatte am Sonntag erstmals seit der
Unabhängigkeitserklärung d2008 ein neues Parlament gewählt. Thacis Partei ging nach Angaben
der Wahlkommission aus dem Urnengang als stärkste Kraft hervor, die Opposition beklagte
allerdings erhebliche Unregelmäßigkeiten.
Der serbische Außenminister Vuk Jeremic und sein russischer Kollege Sergej Lawrow äußerten sich
bestürzt über die Vorwürfe. Thaci erscheine als »Chef einer kriminellen Bande auf dem Balkan«,
sagte Jeremic in Moskau. Lawrow warnte davor, die Vorwürfe »stillschweigend« unter den Tisch
fallen zu lassen.
Die EU erklärte sich am Mittwoch (15. Dez.) zu einer Untersuchung der Angelegenheit bereit. Marty solle die
Informationen an die zuständigen Behörden wie die EU-Mission EULEX übergeben, teilte ein
Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton mit. Marty stellt seinen Bericht am heutigen
Donnerstag im Rechtsausschuss des Europarats in Paris vor. Sollten die Ausschussmitglieder den
Bericht annehmen, wird sich die Parlamentarische Versammlung des Europarats Ende Januar mit
dem Thema befassen.
* Aus: Neues Deutschland, 16. Dezember 2010
Ein Mörder als Premier
Kosovos Ministerpräsident Thaci vom Europarat als Organhändler identifiziert
Von Rainer Rupp **
Zwei Tage nach der von Vorwürfen massiver Fälschungen getrübten Wiederwahl von Hashim Thaci zum Ministerpräsidenten des Kosovo, sieht sich der Kriegsverbrecher und ehemalige Kommandeur der UCK-Gewaltseparatisten vom Europarat mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Diese sind in einem umfangreichen Bericht enthalten, den der Schweizer Europaabgeordnete Dick Marty auf der Grundlage von Erkenntnissen der europäischen Kriminalbehörden und des FBI am Mittwoch in Paris dem Rat präsentiert hat. Darin wird Thaci als Boß einer Mafiaorganisation geschildert, die nach dem NATO-Überfall 1999 auf Restjugoslawien in dem Möchtegernstaat Kosovo die Regierungsgewalt übernommen hat und diese bis heute mit großer Brutalität im Dienst der organisierten Kriminalität ausübt.
Während Thaci von seinen Anhängern ebenso wie von NATO-Politikern immer noch als »Held der Befreiung« gefeiert wird, wirft der Bericht des Schweizers dem Ministerpräsidenten des Kosovo persönlich nicht nur Verbrechen wie Folter und Mord vor, sondern auch die Beteiligung an der Ausschlachtung seiner serbischen Opfer für den illegalen Organhandel. Selbst das Haus jenseits der Grenze in Albanien nördlich von Tirana, in dem den Gefangenen von kriminellen Ärzten die Organe entnommen wurden, ist in dem Marty-Bericht identifiziert worden. Damit die Organe frisch »geerntet« werden konnten, wurden die serbischen Entführungsopfer von Thacis UCK-Terroristen erst kurz vor der Entnahme exekutiert.
Ausgerechnet die ehemalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), Carla del Ponte, die wegen ihrer serbenfeindlichen Haltung in NATO-Zirkeln gerne gesehen war, hatte Marty auf die Spur der mörderischen UCK-Organhändler gebracht. In ihrem im Frühjahr 2008 erschienenen Buch »Die Jagd – Ich und die Kriegsverbrecher« behauptete del Ponte unter Berufung auf »glaubwürdige Aussagen von Augenzeugen«, daß 300 serbische Gefangene zum Zweck der gewaltsamen Organentnahme in sechs Geheimgefängnisse in Albanien verschleppt worden waren. An weiteren diesbezüglichen Untersuchungen der Verbrechen der UCK-NATO-Schützlinge sei sie jedoch gehindert worden.
Wer die ehemalige Chefanklägerin des ICTY an weiteren Nachforschungen gehindert hat, erfährt der Leser jedoch nicht. Marty dagegen läßt in seinem Bericht keinen Zweifel daran, wer sich der Beihilfe zu Mord, Folter, Drogen-, Menschen- und Organhandel von Ministerpräsident Thaci und seiner kriminellen Organisation schuldig gemacht hat und diese immer noch deckt.
In Martys Bericht heißt es, daß die EU, die USA und die UN von diesen Verbrechen gewußt, aber aus Sorge um die Stabilität des Kosovo nichts unternommen haben. Das wiederum bestätigt die Analysen der jungen Welt aus jenen Jahren, daß nämlich unter dem Vorwand, die Freiheit und die Menschenrechte im Kosovo zu schützen, die NATO-Mitgliedsstaaten Restjugoslawien als den letzten sozialistischen Staat in Europa eliminieren wollten. Dafür wurde ein Krieg gegen Serbien vom Zaun gebrochen, bei dem die NATO-Länder nicht nur billigend in Kauf genommen haben, daß unter Führung Thacis das Kosovo zu einem Mafia- und Drogenstaat geworden ist, sondern zur Rechtfertigung des Krieges ihm und seinem kriminellen Kartell bis heute politische, finanzielle und militärische Hilfe leisten. Dies im Europarat deutlich gemacht zu haben, ist unzweifelhaft ein großes Verdienst von Dick Marty.
** Aus: junge Welt, 16. Dezember 2010
Exportziel Kosovo
Von Detlef D. Pries ***
Langsam dämmert es hierzulande, dass sich »unser westliches Rechtsstaatsmodell nicht exportieren lässt«, wie eine Berliner Tageszeitung gerade kommentierte. Nicht nach Irak, nicht nach Afghanistan, nicht einmal in Europas Süden. Obwohl in Kosovo Heerscharen westlicher Rechtsstaatsexperten seit mehr als elf Jahren im »Exportgeschäft« tätig sind, klagte eine der unterlegenen Parteien nach der jüngsten Parlamentswahl, das »Manipulationsniveau« sei höher gewesen als in Afghanistan. Gewiss lässt sich der Vorwurf auch durch die Erfolglosigkeit der Beschwerdeführer erklären, doch dass demokratische Abläufe im EU- und NATO-Protektorat Kosovo immer noch durch Korruption und organisierte Kriminalität verhindert werden, gilt als Binsenweisheit.
Kurz vor der Abstimmung machte die Geschichte eines Mannes die Runde, der die Stimmen seiner 20-köpfigen Großfamilie zum Stückpreis von 50 Dollar anbot. Allerdings war das eine Lappalie im Vergleich zu den Vorwürfen, die gegen Hashim Thaci (»Der Sieg gehört uns!«) erhoben werden und die nicht nur auf Wahlmanipulation lauten. Der frühere politische Führer der »Befreiungsarmee Kosovos« (UCK) sei der eigentliche Boss der organisierten Kriminalität, besagt ein Bericht des Europarats. Nach dem Krieg sei er auch am Handel mit Organen serbischer Gefangener beteiligt gewesen. Ähnliches hatten schon der BND und Carla del Ponte herausgefunden, doch die »Rechtsstaatsexporteure« ließen sich nicht beirren: Sie protegierten Thaci als Garanten der Stabilität in Kosovo – und gratulierten zur »ruhig und ordnungsgemäß verlaufenen Wahl«.
*** Aus: Neues Deutschland, 16. Dezember 2010 (Kommentar)
Mafiastaat: Thaci ein gemeiner Verbrecher?
Von Werner Pirker ****
Die selbsternannte Republik Kosovo ist ein Mafiastaat. Das wissen nicht nur die Gegner dieses illegalen Gebildes, sondern auch dessen Befürworter. Daß die organisierte Kriminalität die Staatsmacht am Amselfeld ausübt, ist eine kaum noch bestrittene Tatsache. Daß die aus den UCK-Strukturen hervorgegangenen Gangsterbanden vor keinem noch so scheußlichen Verbrechen zurückschrecken, hat sich ebenfalls schon herumgesprochen. Daß auch der Organhandel in den Geschäftsbereich der Unabhängigkeitspaten fällt, war schon seit langem vermutet worden. Nun hat der Schweizer Europaratsabgeordnete Dick Marty einen Bericht vorgelegt, in dem der kosovo-albanische Premier Hashim Thaci und weitere frühere UCK-Feldkommandeure beschuldigt werden, am Handel mit Organen serbischer Gefangener sowie an Auftragsmorden und anderen Verbrechen beteiligt gewesen zu sein.
Welch eine Republik da heranwächst, war bereits unmittelbar nach dem NATO-Bombenkrieg gegen Jugoslawien zu erkennen gewesen, als die UCK den Abzug der serbischen Sicherheitskräfte dazu nutzte, wüste Pogrome gegen Serben und andere ethnische Minderheiten zu entfesseln. Zehntausende wurden drangsaliert und vertrieben, viele ermordet. Das Albanisierungsprogramm beinhaltete auch die Zerstörung unzähliger serbischer Kulturdenkmäler. Die KFOR-Truppen, die ihre Aufgabe wohl in der Verhinderung eines »serbischen Völkermordes an den Albanern« sahen, beobachteten dann auch entsprechend entspannt das mörderische Treiben der albanischen Mehrheitsbevölkerung gegen die Minderheiten.
Hashim Thaci, der brutale Boß des Drenica-Clans, und nicht der urbane Schöngeist Ibrahim Rugova war in Rambouillet von der antiserbischen Kriegsallianz zum Chefalbaner ausersehen worden. Vom bewaffneten Dorflumpen zum Staatsmann. Ein Bandit ist Thaci indes immer geblieben.
Daß sich im zurückgebliebensten Winkel des Balkans der Kampf um die Neuverteilung des Eigentums auf wenig zivilisierte Weise abspielen würde, war vorhersehbar. Auch daß die Clanstrukturen sich zu Mafiastrukturen auswachsen würde. Hashim Thaci wird von Marty, einem früheren Staatsanwalt, als Chef einer »kleinen, aber unvorstellbar mächtigen Gruppe von UCK-Mitgliedern« bezeichnet, die seit 1998 die organisierte Kriminalität unter ihre Kontrolle gebracht habe. Die Hauptantriebskraft des bewaffneten Sezessionskampfes der Kosovo-Albaner war somit die kriminelle Energie. Es ging um die Aneignung des verselbständigten Gesellschaftseigentums. Hinter schwülstiger nationalistischer Romantik verbirgt sich nackter, in jeder Hinsicht krimineller Eigennutz. Das war der Grund, warum Thaci und Kumpane zu keiner anderen Lösung als der vollständigen Unabhängigkeit von Serbien bereit waren, obwohl der Kosovo-Bevölkerung von Belgrad ein äußerst großzügiges Autonomieangebot gemacht wurde. Das wiederum war der Grund, warum die Aggressionsgemeinschaft auf die Thacis setzte. Mit denen aber immer weniger Staat zu machen ist.
**** Aus: junge Welt, 16. Dezember 2010 (Kommentar)
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