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"Man will ihn als politischen Gefangenen behalten"

Internationale Kampagne für die Freilassung des Serben Dragoljub Milanovic – initiiert von Peter Handke. Ein Gespräch mit Ljiljana Milanovic


Ljiljana Milanovic war Redakteurin des Belgrader Senders Radio Television Serbien (RTS), den ihr Mann als Direktor leitete. Während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien wurde das RTS-Gebäude am 23. April 1999 bombardiert. 16 Menschen wurden getötet. Dragoljub Milanovic wurde verurteilt, weil er es angeblich versäumt hat, seine Mitarbeiter zu evakuieren.

Seit einigen Monaten läuft eine internationale Kampagne, in der die sofortige Freilassung von Dragoljub Milanovic aus dem Gefängnis gefordert wird. Welche Bedeutung messen Sie dieser Aktion bei?

Es ist die erste große Kampagne, seitdem Dragoljub vor achteinhalb Jahren inhaftiert wurde. Initiiert wurde sie jetzt von dem österreichischen Schriftsteller Peter Handke und dem französischen Arzt Patrick Barriot. Beide hatten Dragoljub im Gefängnis von Pozarevac besucht und kurzerhand beschlossen, sich für seine Freilassung einzusetzen. Handke hatte Dragoljub schon im März 2009 getroffen. Das Schicksal meines Mannes hatte ihn schon damals tief bewegt. Unterdessen haben sich zahlreiche Persönlichkeiten den Forderungen angeschlossen.

Wieso entsteht nach so vielen Jahren eine Solidaritätsbewegung?

Zum Gedenken an den zehnten Jahrestag des NATO-Angriffs gegen unser Land kamen 2009 viele Menschen nach Serbien, die meisten aus Deutschland. Im Rahmen dieser Solidaritätsaktion besuchte eine internationale Delegation, zu der auch Handke gehörte, meinen Mann. Dadurch wurde endlich etwas in Gang gesetzt. Ich habe den Eindruck, daß vielen klar geworden ist, daß Dragoljub die einzige Person ist, die jemals wegen des NATO-Angriffs gegen Jugoslawien vor Gericht gestellt und verurteilt worden ist, während die Mörder ungestraft davonkommen.

Wie ist der aktuelle Stand im Fall Milanovic?

Das Höhere Gericht in Belgrad hat im September 2010 Dragoljubs Gesuch nach frühzeitiger Haftentlassung zurückgewiesen. Obwohl alle Bedingungen für eine solche in Serbien übliche Vorgehensweise gegeben waren, hatte das Gericht die Entscheidung zunächst lange verschleppt und dann gegen den Antrag entschieden. Also muß Dragoljub die volle Strafe von zehn Jahren absitzen.

Meinem Mann droht jetzt sogar ein zweiter Prozeß. Gerade als er Hafterleichterungen erhielt und am Wochenende Freigang bekam, dienen neue Anschuldigungen – es geht um angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von RTS-Dienstwohnungen – als Vorwand, ihm diese Rechte wieder zu entziehen. Meine Befürchtung ist, daß man ihn als politischen Gefangenen behalten will. Schließlich wurde er als Direktor des staatlichen TV stellvertretend für die Regierung von Slobodan Milosevic verurteilt, die sich von den NATO-Staaten nichts vorschreiben lassen wollte.

Welche Unterstützung bekommt ihr Mann in Serbien?

Moralische Unterstützung bekommen wir von zwei Organisationen, der Bewegung für Serbien und dem Belgrad Forum. Die Sozialistische Partei Serbiens, deren Vorsitzender Milosevic damals war, ist heute Teil der pro-westlichen Regierungskoalition. Mehr als ein paar mitfühlende Worte hat man da nicht übrig für uns. Dragoljubs Fall hängt eben mit dem sogenannten demokratischen Wandel in Serbien zusammen. Am 5. Oktober 2000 gab es einen vom Westen inszenierten Staatsstreich gegen Milosevic. Danach annullierte Serbien das Kriegsverbrecher-Urteil gegen verantwortliche NATO-Politiker und stellte statt dessen den RTS-Chef vor Gericht. Im heutigen Serbien haben nur Nichtregierungsorganisationen Macht und Einfluß, die von NATO-Staaten finanziert werden.

Der Aufruf soll im Frühjahr unter anderem an den prowestlichen serbischen Präsidenten Boris Tadic übergeben werden. Was erhoffen Sie sich von ihm?

Ich hoffe inständig, daß die Namen der Unterzeichner ihm helfen werden, in Übereinstimmung mit dem Recht zu handeln. Dragoljub ist nun schon so viele Jahre im Gefängnis, daß ich selbst nicht zu sagen vermag, wie es weitergeht. Ich wünsche mir sehr, daß die Petition zu seiner Freilassung beiträgt. Auf jeden Fall verleiht uns die internationale Solidarität neue Stärke.

Interview: Cathrin Schütz, Belgrad

* Aus: junge Welt, 10. Januar 2011




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