Belgrad für Einheitsliste
Im Streit über die Wahlbeteiligung der serbischen Minderheit im Kosovo will Regierung Dacic Stärke zeigen
Von Roland Zschächner *
Zwischen Vertretern der serbischen Minderheit im Kosovo und der Regierung in Belgrad ist eine Auseinandersetzung über die Teilnahme an den für den 3. November dieses Jahres angesetzten Kommunalwahlen in der ehemaligen Provinz entbrannt. Wie am vergangenen Freitag die Belgrader Tageszeitung Danas meldete, ruft der Bürgermeister der Ortschaft Zubin Potok, Slavisa Ristic, zum Boykott der Abstimmung auf. Dem schlossen sich Vertreter von 91 serbisch-dominierten Kommunen im Kosovo an. Die hatten sich Anfang Juli in der informellen »Versammlung der Serben Kosovos und Metohija«, einer Art Gegenparlament der serbischen Minderheit, zusammengeschlossen. Die Wahlen sind ein wichtiger Bestandteil der Brüsseler Vereinbarung, die am 19. April zwischen Belgrad und Pristina geschlossen worden war. In dem Papier wird der aktuelle Status quo, die staatliche Unabhängigkeit Kosovos bei gleichzeitig weitreichender Autonomie des serbisch-dominierten nördlichen Teils, von beiden Seiten bestätigt und als Basis für weitere Gespräche festgeschrieben.
Ristics Aufruf kam zeitlich passend. Am Freitag fand in Belgrad ein Treffen von Vertretern der Serben aus dem Kosovo und Regierungsvertretern statt. Letztere vertreten die Ansicht, daß es sich bei den bevorstehenden Wahlen um eine »statusneutrale« Angelegenheit handele, wie Marko Duric, Berater des serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic, am Montag gegenüber Danas erklärte. Außerdem sei die Teilnahme nicht gleichzusetzen mit der Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit des Kosovos, da die Wahl nicht der UN-Sicherheitsratsresolution 1244 widersprechen würde. Die spricht von der Wahrung der staatlichen Integrität Serbiens, welches das Kosovo als ein Teil seines Staatsgebietes ansieht. Premierminister Ivica Dacic von der Sozialistischen Partei Serbiens favorisiert deshalb eine Wahlteilnahme mit einer gemeinsamen Liste. Damit hoffen die Serben, gewählte Vertreter zu bekommen, die auch von Pristina anerkannt werden müßten. Alle ihre derzeitigen Repräsentanten sind in von Serbien organisierten Abstimmungen gewählt worden und werden von der Kosovo-Regierung nicht akzeptiert. Außerdem könnten die Serben durch eine Einheitsliste eine bedeutende politische Macht werden, die in der Lage wäre, die Politik der albanischen Mehrheit zu blockieren. Dem Belgrader Boulevardblatt Kurir zufolge könnte diese Option den kosovarischen Präsidenten Hashim Thacis in Panik versetzen. Die Teilnahme an der Wahl mit unterschiedlichen politischen Listen wird lediglich von einigen Serben angestrebt, die bereits mit dem kosovarischen Staat zusammenarbeiten.
Einen Wahlboykott der serbischen Minderheit will Belgrad derweil mit aller Macht verhindern. Wie die serbische Nachrichtenagentur Tanjug am Montag berichtete, kündigte Dacic an, serbische Offizielle im Kosovo von ihren Ämtern zu entheben, wenn sie gegen die Belgrader Regierung agieren würden. Niemand, so Dacic, habe das Recht, gegen die Interessen Serbiens und seiner Einwohner zu handeln. Das ist eine offene Kampfansage, denn die meisten der kommunalen Angestellten und Politiker in den serbischen Kommunen des Kosovos werden nicht von Pristina, sondern von Belgrad bezahlt. Wenn es kosovarische Strukturen gibt, werden diese weitestgehend boykottiert. Das geht so weit, daß im nördlichen Teil des Landes auf Autokennzeichen und kosovarische Ausweispapiere verzichtet wird. In diesem Licht ist auch die Forderung der serbischen Regierung zu sehen, die Wahlen ohne die Verwendung kosovarischer Hoheitszeichen und Symbole abzuhalten.
Am gestrigen Dienstag traf sich Nikolic nun mit Vertretern der Serben aus dem Kosovo, um sie zur Wahlteilnahme zu bewegen. Der Präsident bezeichnete den Vorwurf, die Wahlteilnahme käme der Anerkennung des Kosovo gleich, als »Lüge«, die aus »persönlicher Ideologie, aber nicht im Interesse der Serben der Provinz« gestreut werden würde.
Wie Tanjug berichtet, wird von einem baldigen Meinungswandel der Minderheit ausgegangen. Sie bereitete sich bereits für eine Teilnahme an der Abstimmung sowie der Registrierung als »Gruppe oder Initiative« bei der zuständigen Wahlbehörde in Pristina vor. Weil alle Serben, die im Kosovo geboren wurden, an der Wahl teilnehmen können – was auch auf den in Prizren geborenen Dacic zutreffen würde, der bereits angekündigt hat zu wählen – wäre dies eine zwar politisch fragwürdige, doch zumindest realistische Möglichkeit der Stärkung serbischer Interessen. Die politische Zersplitterung der albanischen Parteien, die sich an den jeweiligen regionalen, ethnischen und ökonomischen Interessen einer bestimmten Klientel sowie den dahinterstehenden mafiösen Strukturen orientieren, würde dies begünstigen.
* Aus: junge Welt, Mittwoch, 21. August 2013
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