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Schlappe für die Separatisten

Kosovo-Unabhängigkeit kommt nicht vom Fleck. Rußland bleibt konsequent beim "Njet"

Von Jürgen Elsässer *

Großmäuligkeit war schon immer eine Stärke der Kosovo-Albaner. Noch im April verkündete Agim Ceku, Ministerpräsident der nominell immer noch serbischen Provinz, die Ausrufung eines eigenen Staates bereits vor dem G-8-Gipfel. Assistiert wurde er vom früheren US-Balkanemissär Richard Holbrooke, der eine sofortige Anerkennung des einseitigen Schrittes durch das Weiße Haus in Aussicht stellte.

Doch im UN-Sicherheitsrat stellt sich Moskau quer. Ein Resolutionsentwurf der NATO-Mächte, der die Unterstützung des unabhängigkeitsfreundlichen Plans von UN-Vermittler Martti Ahtisaari enthielt, sei »nicht akzeptabel«, verkündete Putins Botschafter Witali Tschurkin auf dem G-8-Außenministertreffen vergangene Woche in Potsdam. Auch semantische Umformulierungen in den folgenden Tagen fanden nicht sein Wohlwollen. Er habe »nicht vor, nach diesem Text zu arbeiten«, verkündete er. Die Korrekturen im neuen Entwurf hätten »rein kosmetischen Charakter«. Ohne wörtlich mit einem Veto zu drohen, ließ Tschurkin keinen Zweifel daran, daß er den Abstimmungstext zu Fall bringen werde, falls er in das höchste UN-Gremium eingebracht werde.

In diplomatischen Kreisen der EU wird schon darüber gesprochen, daß das Thema jetzt wohl mindestens bis Ende 2008 in der Versenkung verschwinden werde – bis nach den Präsidentschaftswahlen in den USA und in Rußland. Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) kolportierte aus Kreisen der internationalen Vertretungen in der Kosovo-Hauptstadt Pristina, daß mit einer Verzögerung wenigstens bis Herbst 2007 gerechnet werden müsse. Auf der anderen Seite streuen die albanischen Sezessionisten das Gerücht, US-Präsident George W. Bush werde nach seinem Besuch in der albanischen Hauptstadt Tirana am 10. Juni einen Abstecher nach Pristina machen. Dann werde es doch zur feierlichen Proklamation der Unabhängigkeit kommen –ohne UN-Segen. Die Gewährsleute der NZZ halten dieses Szenario jedoch für unwahrscheinlich. Selbst Regierungschef Ceku hat mittlerweile seinen Zeithorizont ausdehnen müssen: Nun visiert er Ende Juni als Unabhängigkeitstag an.

Wie aber soll ein neuer Staat Kosova proklamiert werden, wenn sich selbst die Separatisen nicht einmal auf eine Flagge einigen können? Von einem entsprechenden Wettbewerb am vergangenen Montag in Pristina meldeten die Nachrichtenagenturen kein Resultat. »Kosovo soll seine eigenen, den multiethnischen Charakter widerspiegelnden ausgeprägten nationalen Symbole wie eine Fahne, ein Siegel und eine Hymne erhalten«, lautet die Formulierung im Ahtisaari-Plan. Die Albaner selbst hätten jedoch viel lieber ihr traditionelles Nationalsymbol, den Doppeladler auf rotem Grund, der sowieso überall in der Provinz zu sehen ist. Dagegen opponieren aber selbst die abanerfreundlichen NATO-Mächte, da man jede großalbanische Konnotation der Unabhängigkeit vermeiden will.

Spötter haben bereits vorgeschlagen, man solle das Federvieh auf den Wimpel packen, aber auf die Farben verzichten. Damit könnte man die Serben besänftigen, deren Nationalsymbol ebenfalls der doppelköpfige Adler ist, wenn auch auf dem Hintergrund der blau-weiß-roten Kokarde. Doch durch solche Tricks sind nicht einmal die prowestlichen Politiker in Belgrad zu gewinnen. Deren Frontmann, Präsident Boris Tadic, war am vergangenen Freitag von Angela Merkel nach Berlin eingeladen worden. Die Bundeskanzlerin sprach hinterher von »deutlichen Meinungsunterschieden«.

* Aus: junge Welt, 7. Juni 2007

Russland will eine Abtrennung des Kosovo von Serbien verhindern - "Wremja Nowostej"



MOSKAU, 07. Juni (RIA Novosti). Russland ist mit der serbischen Staatsführung in Bezug auf das Kosovo-Problem „strikt solidarisch“. Das sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch nach seinen Verhandlungen mit dem serbischen Amtskollegen Vuk Jeremic in Moskau.

Auch der erste Vizeregierungschef Sergej Iwanow erklärte am Mittwoch resolut, dass es hinsichtlich des amerikanischen Raketenabwehrsystems und des Kosovo-Problems „keine Kompromisse geben kann“, berichtet die Tageszeitung „Wremja Nowostej“ am Donnerstag (7. Juni).

Russland setzt sich für direkte Verhandlungen zwischen Belgrad und Pristina ein und hat bereits mehrmals angedeutet, dass es bei der Abstimmung über den auf dem „Ahtisaari-Plan“ beruhenden westlichen Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat von seinem Veto-Recht Gebrauch machen würde.

„Der neue serbische Außenminister ist zwar prowestlich eingestellt, es ist aber überaus wichtig, dass er seinen ersten internationalen Besuch außerhalb des Balkans nach Russland unternommen hat“, stellt Jelena Guskowa, Expertin für Balkan-Krisen vom Slawistik-Institut der Russischen Wissenschaftsakademie, in der Zeitung fest.

Der Kontakt zwischen Lawrow und Jeremic galt der Vorbereitung eines Treffens von Präsident Wladimir Putin mit dem serbischen Premier Vojislav Kostunica am kommenden Samstag am Rande des Internationalen Wirtschaftsforums in Sankt Petersburg. Bei diesem Treffen würde es erstmals seit dem Beginn der Balkan-Krise „um eine gerechte Regelung gehen, die sowohl die serbische, als auch die albanische Seite zufrieden stellen könnte“. Damit könnte „die Ungerechtigkeit, die in den letzten Jahren auf dem Balkan Fuß gefasst hat, überwunden werden“.

Indes verstärkt der Westen seinen Druck auf die serbische Regierung.

Serbiens Präsident Boris Tadic traf am Mittwoch in Belgrad mit Carla del Ponte, Chefstaatsanwältin des Haager Tribunals, zusammen. Del Ponte äußerte ihre Zufriedenheit über die „ernsthaften Verpflichtungen“, die Belgrad bei der Fahndung nach Militärverbrechern, in erster Linie nach Ratko Mladic, übernommen hat. Mladic wird beschuldigt, zahlreiche Kriegsverbrechen während des Bosnien-Kriegs begangen zu haben. Hinter del Ponte steht die Europäische Union, die eine EU-Mitgliedschaft Serbiens von der Realisierung der Verpflichtungen gegenüber dem Haager Tribunal abhängig gemacht hat.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 7. Juni 2007; http://de.rian.ru




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