99,5 Prozent - Serben lehnen unabhängigen Kosovo-Staat ab
Erklärung von Sevim Dagdelen, MdB Die Linke, ein Kommentar und die russische Haltung
Ein von den örtlichen Behörden initiiertes Referendum der Kosovo-Serben über das Vertrauen gegenüber den albanischen Kosovo-Behörden hatte am 14. und 15. Februar in vier Gemeinden des Nord-Kosovo stattgefunden. Die Frage des Referendums lautete: "Unterstützen Sie die Institutionen der so genannten Republik Kosovo?" Laut den vorläufigen Ergebnissen stimmten 99,5 Prozent gegen die Kosovo-Regierung. Von den 35 500 Stimmberechtigten nahmen 75 Prozent an dem Referendum teil.
Die serbische Gemeinde macht zurzeit fünf bis zehn Prozent der insgesamt zwei Millionen zählenden Bevölkerung des Kosovo aus. Die Serben bewohnen den Norden vom Kosovo, der unmittelbar an Zentral-Serbien grenzt, sowie zahlreiche Enklaven in verschiedenen Teilen der Provinz. Die örtlichen Behörden im Nord-Kosovo werden finanziell und politisch von Belgrad unterstützt.
Die Ergebnisse des jüngsten Referendums im Norden der Provinz Kosovo über das Vertrauen gegenüber der albanischen Regierung in Pristina haben gezeigt, dass die serbische Bevölkerung nicht bereit ist, sich mit den selbsternannten Behörden abzufinden, heißt es am Donnerstag (16. Feb.) in einem Kommentar des Informations- und Presseamtes des russischen Außenministeriums. "Das Referendum selbst und seine Ergebnisse veranschaulichen, dass die serbische Bevölkerung der Provinz die einseitige Unabhängigkeitsverkündung durch die albanischen Behörden nicht hinzunehmen bereit ist", wird in dem Kommentar betont. "Die Situation im Norden der Region sowie die Haltung ihrer Bevölkerung bestätigen unsere These, dass die Lösung des Kosovo-Problems ausschließlich auf der Grundlage von direkten Verhandlungen zwischen den interessierten Seiten und unter strikter Einhaltung der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates möglich ist", heißt es ferner.
Friedliche Konfliktlösungsvorschläge im Kosovo anerkennen
Presseerklärung von Sevim Dagdelen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages *
"EU und Deutschland müssen ihre Erpressungspolitik gegenüber Serbien unterlassen und die demokratische Willensbildung im Norden des Kosovo anerkennen. Die einseitige Parteinahme der Bundesregierung für die albanische Bevölkerung im Kosovo verhindert bislang eine friedliche Lösung der Konflikte in der gewaltsam, durch die Bombardements der NATO 1999, abgespaltenen serbischen Provinz," erklärt Sevim Dagdelen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und Sprecherin der Fraktion DIE LINKE für Internationale Beziehungen, anlässlich der Verkündung der Ergebnisse des Referendums der serbischen Minderheit im Norden des Kosovo. Dagdelen weiter:
„Die harsche Kritik der EU-Kommission und des deutschen Botschafters in Serbien zu diesen demokratischen und friedlichen Konfliktlösungsvorschlägen sind skandalös. Es kann nicht sein, dass Serbien nun wegen der Ergebnisse einer demokratischen Willensbekundung in seinen EU-Beitrittsverhandlungen erpresst wird. Deutschland ist in der Pflicht endlich auch die demokratische Willensbildung im Kosovo zu respektieren und ernst zu nehmen.
Die Volksabstimmung vom vergangenen Dienstag ist ein deutliches Signal an die EU und NATO, dass friedliche Alternativen zu ihrer gewaltsamen Balkan-Politik möglich sind. Sie zeigt aber auch, dass die überwältigende Mehrheit der Stimmberechtigten nicht mehr bereit ist, die Akzeptanz der herrschenden Rechts- und Perspektivlosigkeit, Kriminalität, Korruption und Straflosigkeit von kosovarischen Kriegsverbrechern durch EU und NATO und deren Kumpanei mit kriminellen Führungseliten im Kosovo hinzunehmen.
Deutschland muss seine antiserbische Haltung endlich aufgeben und einen demokratischen und friedlichen Neuanfang für alle Menschen auf dem Balkan ermöglichen. Die deutsche Balkanpolitik hat bereits genug Unheil angerichtet und ist für die unerträgliche Lage im Kosovo mitverantwortlich. Die völkerrechtswidrige Anerkennungspraxis der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo ist mitverantwortlich für die aktuellen Konflikte."
* Quelle: Website von Sevim Dagdelen, 16. Februar 2012, http://www.sevimdagdelen.de
Kosovos einsame Serben
Von Detlef D. Pries **
Die Frage war: »Erkennen Sie die Institutionen der sogenannten Republik Kosovo in Pristina an?« Nein, die gut 35 000 serbischen Bewohner der vier Gemeinden im Norden Kosovos erkennen die albanisch beherrschte Regierung in Pristina nicht an. Das Ergebnis des zweitägigen Referendums stand für alle Beobachter fest, noch bevor die Abstimmungslokale am Mittwochabend (15. Feb.) geschlossen wurden.
Ebenso sicher war allerdings, dass dieses Nein niemanden rühren wird: weder die bewussten »Institutionen« noch die Regierung des »Mutterlandes« Serbien noch NATO und EU. Pristina will auch die Serben in Mitrovica und Umgebung so schnell wie möglich unter die eigene Vormundschaft zwingen. Belgrad sieht sich durch die widerspenstigen Landsleute um den Status eines EU-Beitrittskandidaten gebracht - was immer dieser Status den Serben auch nützen mag. Und die eigentlichen Herren des »unabhängigen« Protektorats Kosovo - NATO und EU - scherten sich zwar nicht um die territoriale Integrität Serbiens, als sie dessen Provinz abtrennten, beharren nun aber steif auf deren territorialer Unversehrtheit. Folglich sind die Serben im Norden Kosovos gänzlich ohne Fürsprecher. Man mag sie sture Nationalisten nennen, doch sind sie darin nicht schlimmer als die Kosovo-Albaner, die partout nicht von Belgrad regiert werden wollten und jede Form der Autonomie ablehnten. Trotz zwölfjähriger »Befriedung« Kosovos durch NATO-Truppen, durch UNMIK-, EULEX- und andere Beamte kann von Versöhnung der Völker in Kosovo nicht die Rede sein. Ein FDP-Bundestagsabgeordneter brachte das kürzlich auf eine bekannte Formel: »Nichts ist gut in Kosovo!«
** Aus: neues deutschland, 16. Februar 2012 (Kommentar)
"Kommersant": Referendum im Kosovo schadet Regierung in Belgrad ***
Im Kosovo ist das Referendum über den Status der von den Serben besiedelten nördlichen Regionen der Provinz mit dem erwarteten Ergebnis zu Ende gegangen, berichtet die Tageszeitung „Kommersant“ am Donnerstag (16. Feb.). Eine überwältigende Mehrheit der Serben erkennt die Unabhängigkeit der Provinz nicht an und will eine Integration mit Serbien.
Belgrad selbst bewertet indessen das Referendum als sinnlos und gefährlich, weil es Serbiens Integration in die EU erschweren kann. „Von dem Referendum können die serbischen Nationalisten im Vorfeld der Parlamentswahlen im Mai und der Präsidentenwahlen 2013 profitieren. An einem Wechsel in Belgrad kann auch Russland interessiert sein, das in letzter Zeit seine Unzufriedenheit mit dem prowestlichen Kurs von Präsident Boris Tadic äußert“, stellt das Blatt fest.
„Im Vorfeld der Parlamentswahlen im Mai werfen die Gegner von Präsident Tadic ihm vor, er sei nicht in der Lage, die Landsleute im Kosovo in Schutz zu nehmen, und er sei bereit, diese im Austausch gegen einen EU-Beitritt im Stich zu lassen“, heißt es in dem Beitrag.
„Ende 2011 wandten sich mehr als 20 000 Kosovo-Serben an Russland mit der Bitte, ihnen die russische Staatsbürgerschaft zu gewähren. Moskau versprach, diese Bitte zu prüfen, lehnte aber später mit dem Hinweis auf ‚gesetzliche Normen’ ab. Die Initiatoren der Aktion rechneten aber auch nicht mit einer positiven Antwort Russlands. Ihnen war daran gelegen, der serbischen Gesellschaft zu zeigen, dass das Team von Boris Tadic nicht fähig sei, die Landsleute im Kosovo zu schützen, die sich gezwungen sehen, Moskau um Schutz zu bitten.“
Tadics Rivale Tomislav Nikolic, Chef der Fortschrittspartei, der mit den Stimmen der serbischen Patrioten rechnet, habe das Referendum im Kosovo im Unterschied zu Tadic gleich und bedingungslos unterstützt, schreibt „Kommersant“. In der bis zu den Parlamentswahlen verbliebenen Zeit werde das Thema der Kosovo-Serben zweifellos zu den zentralen Themen gehören.
„Moskau zeigt sich im Vorfeld der Wahlen in Serbien demonstrativ neutral und unterstützt öffentlich keinen der Kandidaten. In informellen Gesprächen verhehlen aber russische Diplomaten nicht, dass ihre Sympathien Herrn Nikolic gelten.“
„Nach Ansicht von Experten in Belgrad wird Tomislav Nikolic im Falle seines Wahlsieges höchstwahrscheinlich die gleiche pragmatische Politik betreiben wie sein Gegner - sowohl in Bezug auf das Kosovo als auch bei den Verhandlungen mit der EU.“ „Die patriotische Rhetorik ist für die Wahlkampagne gut. Sobald aber die Stimmen gezählt und die Abgeordnetenmandate verteilt sind, kommt der raue Alltag, in dem Serbien keine reale Alternative zu einer Annäherung mit der EU hat. Das bedeutet, den ‚Empfehlungen’ von Brüssel, darunter auch im Bezug auf das Kosovo, über kurz oder lang folgen zu müssen“, heißt es im Beitrag abschließend.
*** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 16. Februar 2012; http://de.rian.ru
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