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"Sie hupten den Deutschen zu, das war alles"

Eine vertuschte Schande der "Friedensbringer": Die Bundeswehr und der mörderische Organhandel der UCK

Von René Heilig *

Es war am letzten Märztag, da reichte der neue Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière – ein gelernter Jurist und vormals für innere Sicherheit zuständig – einem mutmaßlichen Mafioso und Kriegsverbrecher die Hand. Er traf sich mit Hashim Thaci, dem Premierminister Kosovos.

Thaci lächelte. Er hatte Grund dazu, denn de Maizière ist wahrlich nicht der ersten Deutsche, den er über den Tisch zog. Dass sein Gast ernst blickt, liegt womöglich daran, dass er um die Verbrechen weiß, die Thaci und seinen Kämpfern der antiserbischen Widerstandsarmee UCK angelastet werden. Eines lautet: mörderischer Organhandel.

In einem bisher vertraulichen Bericht der Vereinten Nationen mit dem Kürzel CKX-103, der ND in Teilen vorliegt, schildern frühere UCK-Leute, wie gefangene Serben und andere Angehörige von Kosovo-Minderheiten in den Jahren 1999 und 2000 entführt und später offenbar ermordet wurden. Mit ihren Organen, die sich transplantieren ließen, sollen UCK-Paten einen florierenden Handel betrieben haben. Auch in Richtung Nahost.

In einem dem NDR vorliegenden Dokument der UN-Kosovo-Mission UNMIK aus dem Jahr 2003 werden als Ausgangspunkte der illegalen Gefangenentransporte unter anderem die Orte Prizren, Suva Reka und Orahovac genannt. Die liegen im Sektor des KFOR-Bundeswehr-Kontingents. Um nicht selbst Zielscheibe zu sein, kollaborierte die Bundeswehr auf vielen Gebieten mit der UCK. Man ließ ihnen Waffen und Uniformen, »übersah« – so lange es ging – ihre Foltergefängnisse, unternahm nur wenig gegen nächtliche Raubzüge. Im deutschen Hauptquartier Prizren gingen – wie der Verfasser selbst erlebte – die Kommandeure der 121. und der 162. UCK-Brigade ein und aus. Ein UCK-General namens Sinami galt als eine Art Militärgouverneur. Seine Leute wurden nicht kontrolliert. Auch nicht, wenn sie Gefangene über die nahe Grenze nach Albanien schafften. So konnte die KFOR jahrelang behaupten, dass es in Kosovo »kein einziges illegales Gefangenenlager« gibt.

Nach Angaben von UNMIK sind seit dem Krieg ungefähr eintausend Serben, Roma und als Verräter verdächtigte Kosovo-Albaner verschwunden. Wie viele von ihnen von der UCK wohin verschleppt wurden, ist unbekannt.

»Sie passierten die Grenze ohne Probleme. Sie hupten den Deutschen zu, das war alles«, berichtete ein UCK-Zeuge. Mit in dem weißen VW-Bus: drei Serben, die von Suva Reka nach Albanien geschafft und dort offenbar ermordet wurden, um ihre Organe zu verkaufen. Ein Geschäft, mit dem »hohe UCK-Offiziere ein Vermögen verdienen«, sagte ein anderer Zeuge, der damit sein Leben riskiert. Während die Bundeswehr nicht nur dem ND-Reporter damals geordnete Grenzkontrollen vorspielte, ließ man in der Regel den freien Grenzverkehr, sprich ungehinderten Schmuggel von Menschen und Material zu.

Die Routen ins Innere Albaniens waren der Bundeswehr bestens bekannt. Sie nutzte sie selber zur Vorfeldaufklärung. Und als die UN im September 1999 die ersten kosovarischen Polizeieinheiten aufstellten, ließ man zu, dass die von UCK-Mafiosi beschickt wurden. Die Auflösung der UCK hat man nie mit Ernst betrieben. Statt dessen half man bei der Bildung von »Katastrophenschutzeinheiten«. Es ist nicht bekannt geworden, dass jemals ein deutscher Offizier wegen der Kollaboration mit Kriegs- und gewöhnlichen Verbrechern zur Verantwortung gezogen wurde.

Der Schweizer Dick Marty hat als Sonderermittler des Europarates im Dezember 2010 Ergebnisse einer zweijährigen Untersuchung zu den Deportationen und zum Organhandel vorgelegt und ist sich sicher, dass nach dem Ende des Kosovo-Krieges Gefangene von der UCK im Norden Albaniens festgehalten worden seien, »bevor sie endgültig verschwanden«. Es gibt offenbar sogar Hinweise auf eine Klinik unweit des Flughafens der albanischen Hauptstadt Tirana, in der Organe entfernt wurden.

Der Europarat hatte im Januar weitere Untersuchungen zum mutmaßlichen illegalen Organhandel in Kosovo gefordert. Noch immer bemüht sich die Bundeswehr offenbar nicht, bei der Aufklärung von UCK-Verbrechen zu helfen. Wohl aber nutzt sie ihre Balkan-Kollaborationserfahrungen, um in Afghanistan »geeignete« einheimische Verbündete zu finden.

* Aus: Neues Deutschland, 8. April 2011


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