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Wer regiert Kosovo?

Interview mit dem serbischen Minister Goran Bogdanovic *

Auch Serbiens neue Regierung hat einen Minister für seine Provinz Kosovo und Metochien – deren albanische Mehrheit sich am 17. Februar für unabhängig erklärt hat. Der 45-jährige Goran Bogdanovic ist Mitglied der Demokratischen Partei (DS) des serbischen Präsidenten Boris Tadic. Geboren im kosovarischen Leska bei Kosovska Mitrovica, bekleidet der studierte Agraringenieur seit Anfang dieses Monats den Ministerposten in Belgrad. Hannes Hofbauer sprach mit ihm im nördlichen, mehrheitlich von Serben bewohnten Teil der Stadt Kosovska Mitrovica.



Bei der Einreise in den Norden Kosovos haben wir Kontrollen der serbischen Polizei, der Kosovo Police Force, der UN-Mission in Kosovo (UNMIK) und der NATO-geführten KFOR passiert. Eine kosovarische Fahne war nirgends zu sehen. Wer regiert das Land eigentlich?

Das fragen wir uns auch. Unsere Hauptsorge ist, wer überhaupt auf unsere Sicherheit hier im Norden von Kosovo und Metochien achtet. Es existiert kein Rechtsschutz. Wenn etwa jemand ein Delikt begeht, gibt es niemanden, der das Opfer vor dem Kriminellen schützt.

Aber es gibt doch die serbischen Gerichte in Kraljevo, Nis oder Vranje, die für Kosovo zuständig sind.

Um die in Anspruch nehmen zu können, müsste man einen mutmaßlichen Täter erst verhaften. Doch dafür ist niemand zuständig.

Der Versuch der Übernahme des Gerichts im Nordteil von Kosovska Mitrovica durch serbische Richter und Staatsanwälte ist am 17. März dieses Jahres am Einschreiten von UNMIK und KFOR blutig gescheitert. Waren Sie seinerzeit dabei?

Nein, ich war damals nicht vor dem Gerichtsgebäude. Proteste auf diese Art sind kein guter Weg, Probleme zu lösen. Aber auch die UNMIK hat einen bedeutenden Fehler gemacht. Sie hat nicht adäquat reagiert, um die Auseinandersetzung zu beenden. Nach der UN-Resolution 1244 müsste die UNMIK auch die serbischen Bürger schützen. Sie tat das nicht.

Kritik an der UNMIK kommt auch von albanischer Seite. Kosovo-albanische Oppositionelle kritisieren ein faktisch herrschendes Kolonialsystem. Gibt es da etwa gemeinsame Ansätze gegen die internationalen Verwalter?

Solche Vergleiche oder Parallelen lehne ich ab. In Pristina handelt es sich um radikale Albaner, die verfolgen ganz andere Ziele. Die Albaner wollen ein monoethnisches Kosovo. Wir hingegen müssen an einem multiethnischen Kosovo arbeiten, auch wenn es in naher Zukunft nicht danach aussieht.

Wie soll das in einem von Hashim Thaci, dem Regierungschef Kosovos, für unabhängig erklärten Land funktionieren, das von vielen EU-Staaten und den USA mittlerweile anerkannt ist?

Wir anerkennen diese Unabhängigkeit nicht und niemals. Das spricht jedoch nicht gegen einen Dialog.

Welche Lösung können Sie sich als Minister in der neuen serbischen Regierung vorstellen?

Ich bin erst seit ein paar Tagen im Amt. Aber wir werden uns vor allem auf die wirtschaftliche Entwicklung und auf die Rückkehr der Flüchtlinge konzentrieren. Dazu müssen wir mit der UNMIK die Zusammenarbeit stärken, weil sie das einzige legitime Organ der internationalen Gemeinschaft in Kosovo darstellt. EULEX, die Rechtstaatsmission der Europäischen Union, hat demgegenüber keine legale Basis für ihre Arbeit in Kosovo und kann daher kein Gesprächspartner für uns sein.

Wer hindert Sie daran, die offensichtlich schlechte Infrastruktur zu verbessern?

Es fehlt an Geld. Versprechen sind aus Belgrad bisher viele gekommen, aber das Geld für die Umsetzung ist nicht vorhanden.

Am 11. Mai fanden serbische Regionalwahlen in Kosovo statt. Die Resultate werden aber von der UNMIK nicht anerkannt. Als Sieger sind die Radikale Partei (SRS) des Tomislav Nikolic und die Demokratische Partei Serbiens (DSS) von Vojislav Kostunica daraus hervorgegangen. Ein Regionalparlament, die »Vereinigung der Gemeinden von Kosovo und Metochien« hat sich am 28. Juni konstituiert. Sie und Ihre Demokratische Partei (DS) sind zur ersten Sitzung nicht erschienen. Warum nicht?

Wir anerkennen das serbische Regionalparlament, wollten aber noch die (inzwischen erfolgte – HH) Konstituierung der Regierung in Belgrad abwarten. Außerdem gehen wir davon aus, dass auch die UNMIK die Legalität der Regional- und Gemeindewahlen demnächst anerkennen wird

* Aus: Neues Deutschland, 29. Juli 2008


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