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Warum streben USA und EU so sehr die Unabhängigkeit des Kosovo an?

Von Iwan Sachartschenko *

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Am 14. Dezember treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel in der festen Entschlossenheit, bald die Anerkennung der Selbstausrufung der Unabhängigkeit des Kosovo durchzusetzen.

Die südliche Region des ehemaligen Jugoslawien ist zu 90 Prozent von Albanern bevölkert. Dabei hatte der UN-Sicherheitsrat früher beschlossen, die Grenzen von Jugoslawiens Rechtsnachfolger Serbien unangetatstet zu belassen, und die EU-Politiker handeln jetzt trotz des Widerstandes der Serben, trotz der Proteste Russlands. Zudem gibt es auch unter den 27 EU-Staaten selbst keine einheitliche Meinung darüber. Zieht man die Befürchtung in Betracht, dass die Unterstützung der Unabhängigkeit des Kosovo durch die EU die separatistischen Stimmungen in anderen Ländern verstärken kann, so ist die Rede von einem Risiko, und es müssten schon recht gewichtige Gründe vorliegen, um es einzugehen.

Warum sind die Europäer und die sie unterstützenden Amerikaner so sehr auf die Gewährung der Unabhängigkeit an das Kosovo fixiert? Die Situation um die separatistischen Bestrebungen der Kosovo-Albaner ist nicht einfacher als im Nahen Osten: Die fünfmonatigen Verhandlungen zu dem Zweck, eine für alle annehmbare Variante der Zukunft der Region zu finden, haben nichts ergeben; Russlands beharrliche diplomatische Anstrengungen, den Dialog fortzusetzen, haben sich als ungenügend erwiesen; über 100 000 Kosovo-Serben haben ernste Befürchtungen bezüglich ihres weiteren Schicksals und Serbien wird wohl kaum abseits stehen und sich nicht für ihren Schutz einsetzen.

Mehr noch, die Katalanen und die Basken in Spanien und Frankreich, die Albaner in Mazedonien, die Iren und Schotten in Großbritannien sowie die Separatisten in anderen Ländern verfolgen angespannt die Versuche, das Kosovo von Serbien abzutrennen. Wie der russische Außenminister Sergej Lawrow zu Beginn der Woche seinen europäischen Partnern in Brüssel klar zu machen versuchte, wird die Abtrennung des Kosovo nicht nur gegen das Völkerrecht verstoßen, sondern auch in anderen Regionen eine "Kettenreaktion" auslösen.

Dennoch haben die Europäer ihre Motive, wenn sie bei ihren Versuchen, die Kosovo-Albaner zu unterstützen, vor all dem die Augen verschließen.

Nach Ansicht von Viktor Mironenko, Leiter des Zentrums EU - Osteuropa am russischen Europa-Institut, ist hier vor allem der Versuch festzustellen, "das Gesicht zu wahren", weil alles, was früher im Kosovo geschah, vom Westen unterstützt wurde, und die Entwicklung zu dem geführt hat, was wir heute erleben.

"Die westlichen Länder können aus dieser Situation nur bei Aufrechterhaltung wenigstens eines Scheins von Stabilität herauskommen, und da haben sie keine große Wahl", sagte der Experte zu RIA Novosti. Der Dialog der Albaner mit den Serben könne bis in die Unendlichkeit dauern, der Konflikt zwischen ihnen könne trotzdem jederzeit wieder ausbrechen. Offenbar hoffen die europäischen Länder, durch Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo diesen Konflikt zu vermeiden. Russland, das eine harte Position der Unterstützung der Serben beziehe, habe in dieser Situation keinen Ausweg, meint Mironenko.

Wladimir Gutnik, Leiter des Zentrums für Europa-Forschungen am Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen (IMEMO), nannte der RIA Novosti einen weiteren Grund, aus dem die westlichen Länder zur Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo bereit sind. Seiner Meinung nach würden sich die Serben - im Unterschied zu den Albanern - nie den Regeln unterordnen, die die EU festlegt.

"Vom strategischen Standpunkt aus werden die untergeordnete Lage Albaniens und des Kosovo und das vor diesem Hintergrund geschwächte Serbien für die Europäer günstig sein", meint Gutnik.

Anders ausgedrückt sehen die westlichen Länder einfach keinen anderen Ausweg, als die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen, und sei es unter der "Beobachtung" seitens der EU. Deshalb wollen sie die Situation schon jetzt wenden, in der Hoffnung: Weiter wird man ja sehen.

Zypern ist vorläufig gegen die europäische Ausrichtung auf die Abtrennung des Kosovo von Serbien, und es ist verständlich, weshalb: Seit 1974 ist das Land in den zyprisch-griechischen südlichen und den zyprisch-türkischen nördlichen Teil halbiert. Die Türken könnten die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo benutzen, um den eigenen Teil Zyperns zu legitimieren, der bisher nicht von der internationalen Gemeinschaft anerkannt ist (eine Ausnahme bildet die Türkei).

Griechenland und mehrere andere europäische Länder beeilen sich ebenfalls nicht mit der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo; sie finden, dass es noch möglich ist, mit Hilfe der internationalen Vermittler - Russland, USA und EU - einen Kompromiss zwischen Albanern und Serben zu erzielen.

Dennoch haben die Kosovo-Albaner bereits Verhandlungen mit den EU-Ländern über die Anerkennung der Unabhängigkeit eingeleitet, und laut Prognosen werden sie in den ersten Monaten des kommenden Jahres ihr Ziel erreichen. Doch ein Kosovo als unabhängiger Staat wird wohl kaum UNO-Mitglied werden, da Russland dies durch sein Veto blockieren kann.

Dennoch wird die Hauptaufgabe der EU darin bestehen, im Kosovo die Sicherheit zu gewährleisten, vor allem für die dort verbleibenden Serben, um ein Blutbad zu vermeiden. Zwar schließt man im Westen sporadische Gewaltausbrüche nicht aus, aber es wird angenommen, dass sich die Situation mit Hilfe der 16 000 im Kosovo befindlichen Militärangehörigen des provisorischen NATO-Kontingents und der 1800 Polizisten aus der EU, die dorthin entsandt werden sollen, alles in allem unter Kontrolle befinden wird.

Ein unabhängiger Staat im Kosovo wird große Finanzspritzen für die Schaffung einer örtlichen Wirtschaft benötigen. Vorläufig kann niemand zusammenrechnen, wie hoch diese Hilfe sein wird und wie lange sie den Kosovo-Albanern erwiesen werden muss. Aber ohne Normalisierung der wirtschaftlichen Situation wird es recht schwer sein, auf Stabilität zu hoffen.

Die Unabhängigkeit des Kosovo kann sich, wenn nicht zu einem neuen Balkan-Krieg, so doch zu einer ernsten Krise auswachsen; und um ihr politisches "Gesicht zu wahren", wird die europäische Gemeinschaft noch sehr lange das Knäuel der Kosovo-Probleme entwirren müssen, selbst wenn das Kosovo auch wirklich ein unabhängiger Staat sein wird.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 13. Dezember 2007


Aktuelle Meldungen

Weltsicherheitsrat debattiert am 19. Dezember über Kosovo-Status

Der UN-Sicherheitsrat wird am 19. Dezember unter dem Vorsitz des italienischen Außenministers Massimo D'Alema über die Zukunft der umstrittenen serbischen Provinz Kosovo beraten. Das teilte der italienische Außenamtssprecher Pasquale Ferrara am Donnerstag in Rom mit. Nach seinen Worten ist noch unklar, ob das Weltgremium hinter verschlossenen Türen tagen wird. Der serbische Regierungschef Vojislav Kostunica habe bereits seine Teilnahme an der Sitzung bestätigt. Auf die Position Italiens im Kosovo-Streit angesprochen, sagte Ferrara, Rom gehe davon aus, dass die Europäische Union die Hauptverantwortung für die Zukunft der Provinz übernehmen müsse.

Das Kosovo gehört seit dem Angriff der NATO im Jahre 1999 formell zu Serbien, steht jedoch unter UN-Verwaltung. Offizieller Grund für den Einmarsch der NATO-Truppen waren blutige Auseinandersetzungen zwischen Albanern und Serben. Die albanische Mehrheit fordert die Unabhängigkeit der Provinz ohne Zustimmung Belgrads. Die USA und die europäischen Staaten unterstützen eine international kontrollierte Unabhängigkeit des Kosovo. Serbien lehnt jede Form von Unabhängigkeit der Provinz ab und bietet statt dessen weitgehende Autonomierechte an.

Die Verhandlungen zwischen Serbien und den Kosovo-Albanern waren nach vier Monaten in der vorigen Woche ohne Durchbruch zu Ende gegangen. Die endgültige Entscheidung soll der UN-Sicherheitsrat fällen. Die Vetomacht Russland kündigte an, sie werde nur eine Lösung mit Serbiens Zustimmung mittragen.
(RIA Novosti, 13.12.07)

EU-Gipfel spricht sich für Stabilisierungsmission im Kosovo aus

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben einen Grundsatzbeschluss zur Entsendung einer Stabilisierungsmission ins Kosovo gefasst. Alle 27 Mitgliedstaaten hätten sich "einvernehmlich" für die sogenannte ESVP-Mission ausgesprochen, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am 14. Dezember zum Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel. Die einzelnen "Modalitäten werden von den Außenministern zum gegebenen Zeitpunkt gemacht", fügte Merkel hinzu.

Offen bleibt unter anderem, auf welcher Rechtsgrundlage die bislang auf einen Umfang von rund 1.400 Polizisten und 400 weiteren Beamten angelegte ESVP-Mission starten soll. Über diese Frage werde man erst "im Lichte möglicher Entscheidungen im Kosovo" sprechen, sagte Merkel mit Blick auf die für das kommende Jahr erwartete Unabhängigkeitserklärung der Kosovo-Albaner. Sie betonte jedoch: "Der heutige Beschluss heißt, dass die Mission stattfinden soll, das ist unser politischer Wille."
(AP, 14.12.07)

Heftige Kritik aus Serbien an EU-Haltung zum Kosovo

Nach dem EU-Gipfel hat Serbiens Ministerpräsident Vojislav Kostunica die Haltung der Europäischen Union im Streit um den künftigen Status des Kosovo heftig kritisiert. Der Plan, "einem verstümmelten Serbien als Belohnung einen beschleunigten Beitritt zur EU anzubieten, damit es im Gegenzug die Gewalttätigkeit hinnimmt", die eine Unabhängigkeit des Kosovo darstelle, sei "beleidigend und nicht hinnehmbar", erklärte Kostunica. Die EU-Staaten einigten sich in Brüssel auf eine umfangreiche Krisenmission und stellten Serbien eine europäische Perspektive in Aussicht.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hatte in Brüssel gesagt, Serbien habe eine Zukunft in der EU, "wenn es die Menschenrechte und die Unabhängigkeit des Kosovo respektiert". In den Schlussfolgerungen des Gipfels zum Kosovo taucht das Wort "Unabhängigkeit" jedoch nicht auf.

Die serbischen Kosovo-Unterhändler würden nach der Debatte über den künftigen Status des Kosovo im UN-Sicherheitsrat am kommenden Mittwoch (19. Dezember) dem Parlament in Belgrad ihren Bericht über die Verhandlungen vorlegen, kündigte Kostunica an. Dann werde das Parlament zu der Haltung der EU Stellung nehmen.

Die Europäische Union brachte in Brüssel die schwierigste Krisenmission ihrer Geschichte auf den Weg. Der Polizeieinsatz im Kosovo solle "schnellstmöglich" beginnen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Brüssel. Die Entsendung von rund 1800 Polizisten und Juristen in die noch zu Serbien gehörende Provinz wird auch von Zypern mitgetragen, das eine Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennen will.
(AFP, 15.12.07)




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