Serbische Optionen für Kosovo
Belgrad will in der Statusfrage den Begriff "Kompromiss" wiederbeleben
Von Hannes Hofbauer, Wien *
»Kosovo-Kompromiss 2007« heißt die serbische Initiative, die jetzt im Wiener Presseklub Concordia
vorgestellt worden ist. Im Untertitel wünschen sich die Initiatoren eine möglichst rasche Integration
des ganzen Raumes in die Europäische Union – den »schnellen Weg nach Europa«.
Ziel der Initiative ist es, den Begriff »Kompromiss« in der Debatte um die Lösung der Statusfrage für
Kosovo wiederzubeleben. Dafür hat eine halboffizielle Nichtregierungsorganisation, das in Brüssel
ansässige »Institut 4 S«, eine Reihe von Materialien vorbereitet, die den serbischen Standpunkt in
der Kosovo-Statusfrage verdeutlichen und den ganzen Prozess der bislang ergebnislos
verlaufenden Verhandlungen dokumentieren.
Seit Oktober 2007 verhandelt die sogenannte Troika – Diplomaten aus den USA, der EU und
Russland – den Status Kosovos, nachdem der Ahtisaari-Plan, der eine »überwachte
Unabhängigkeit« der Provinz vorsah, an der Vetodrohung Russlands im UNO-Sicherheitsrat
gescheitert ist.
Der vor allem von den USA lancierte Termindruck, bis spätestens 10. Dezember dieses Jahren eine
Lösung vorzuweisen, hat der kosovo-albanischen Führung in die Hände gespielt. Sie hat erklärt,
unmittelbar nach dem Ende der Gespräche, wie immer sie ausgehen mögen, einseitig die
Unabhängigkeit ausrufen zu wollen.
US-Präsident Bush hat für diesen Fall anlässlich seines Besuchs in Tirana bereits im Juni 2007
zugesichert, diese Unabhängigkeit anerkennen zu wollen und mit dem Ort der Ankündigung
gleichzeitig klar gestellt, dass die USA den zukünftigen Status Kosovos mit der »großalbanischen
Frage« in Verbindung bringen.
Der kosovarische Ministerpräsident Agim Ceku ließ Anfang dieser Woche in Wien keinen Zweifel
über seine Sicht der Dinge, als er die Troika aufforderte, die Suche nach einem Kompromiss
abzubrechen, weil ein solcher unmöglich wäre. Der Berater von Serbiens Ministerpräsident Vojislav
Kostunica, Aleksandar Simic, betonte demgegenüber, dass ohne Kompromiss die Region nicht
befriedet werden könne. Die diesbezügliche Losung in Belgrad lautet: territoriale Integrität Serbiens
plus substanzielle Autonomie Kosovos. Letztere könnte man sich nach dem Modell China-Hongkong
vorstellen oder auch nach dem Muster der Beziehungen zwischen Südtirol und Italien.
Simic unterstrich weiter, dass Autonomie für Kosovo keinesfalls eine Reintegration in Richtung
Serbien bedeute, sondern vier Integrationen im Auge habe: eine multiethnische inklusive Rückkehr
der Vertriebenen, eine regionale an Stelle von Handelsbarrieren, eine europäische im Sinne der
Aufnahme in die EU und eine internationale Integration, die Kosovo einen Beitritt zu nicht näher
erläuterten internationalen Organisationen erlauben würden.
Auf die Frage des ND, ob es denn in der Europäischen Union Stimmen gebe, die dem USA-Kurs in
Sachen Kosovo widersprechen, strich Aleksandar Simic die schwierige Rolle von EU-Verhandler
Wolfgang Ischinger heraus und meinte, es sei kein Geheimnis, dass es unterschiedliche Positionen
innerhalb der EU gebe; und zwar sowohl, was den Status Kosovo insgesamt betreffe, als auch über
die Zuständigkeit des Sicherheitsrates zu dieser Frage. Aleksandar Mitic von der »Initiative 4 S«
konnte deutlicher werden und ortete fünf Länder in der EU, die eine Unabhängigkeit Kosovos »sehr
nervös« machen würde, und zwar Griechenland, Zypern, Rumänien, die Slowakei und Spanien. Auf
der anderen Seite befänden sich fünf Staaten, die nach serbischer Einschätzung eine einseitig
ausgerufene Unabhängigkeit anerkennen würden: Großbritannien, Frankreich und die baltischen
Staaten Estland, Lettland, Litauen. Deutschland und die übrigen EU-Mitglieder würden, so die
Einschätzung von der serbischen Seite, einen Alleingang Pristinas eher fürchten.
Zuletzt wies Kostunica-Berater Simic darauf hin, dass in der Abschlusserklärung der Troika zum
Wiener Gespräch am Montag davon die Rede sei, den »Rahmen der UN-Resolution 1244« für den
weiteren Prozess anerkennen zu wollen, der die Unversehrtheit der serbischen Territorialität
bestätigt. Dies sei einerseits eine Selbstverständlichkeit, andererseits doch eine gewisse Neuerung,
weil sich die USA gegen diese Formulierung nicht explizit gewehrt hätten.
* Aus: Neues Deutschland, 8. November 2007
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