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Teilannullierung der Wahl in Kosovo erwogen

Votum war von Gewaltattacken im serbisch dominierten Norden überschattet *

Nach Störungen und Gewalttaten bei der Kommunalwahl in Kosovo muss die Abstimmung im betroffenen serbisch geprägten Norden womöglich wiederholt werden.

Priština. Eine Teilannullierung der Kommunalwahl in Kosovo werde erwogen, teilte die Wahlkommission in Priština am Montag mit. In der EU und in Berlin wurde die Gewalt verurteilt. Diese werde aber »den eingeschlagenen Weg von Vernunft oder Ausgleich nicht aufhalten können«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen verurteilte die Gewalttaten serbischer Extremisten während der Kommunalwahl. »Gewalt und Einschüchterung können nicht toleriert werden«, sagte er am Montag in Brüssel. Die NATO-Kosovo-Truppe KFOR habe unverzüglich eine schnelle Eingreiftruppe eingesetzt und unter anderem den Transport von Wahlurnen gesichert. Die Wahlen seien »ein wichtiges Element der Normalisierung der Beziehungen zwischen Priština und Belgrad«.

Die Wahl wurde als Test für die Beziehungen Kosovos zum serbischen Nachbarn betrachtet. Unter dem Druck der EU hatten Priština und Belgrad im April ein Abkommen unterzeichnet, das die Normalisierung des Verhältnisses voranbringen sollte. Insgesamt waren 1,7 Millionen Einwohner zur Abstimmung gerufen. Für die 36 Gemeinderäte stellten mehr als 100 Parteien und Vereinigungen Kandidaten auf.

Während die Wahl in weiten Teilen Kosovos geregelt ablief, gab es im serbisch dominierten Norden schwere Störungen: Vermummte Hardliner schüchterten vor mehreren Wahllokalen der geteilten Stadt Kosovska Mitrovica Wahlhelfer und Wähler ein. In einem Lokal griffen sie Wartende an und zerstörten Wahlurnen, eine Frau wurde nach Angaben des von Belgrad unterstützten serbischen Bürgermeisterkandidaten Krstimir Pantic schwer verletzt. Pantic selbst war vor der Wahl ebenfalls von Unbekannten angegriffen und verprügelt worden.

Auch in anderen Wahllokalen wurden Gewalttaten verübt, wie der Kandidat Oliver Ivanovic berichtete. »Es ist eindeutig, dass die Wahl in Mitrovica gescheitert ist«, sagte Ivanovic. Mitarbeiter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als Mitorganisator der Abstimmung wurden aus Sicherheitsgründen aus der Stadt gebracht.

Für Nordkosovo, wo rund 40 000 Serben leben, ist die Wahl besonders bedeutsam. Ihr Gebiet wurde bisher nicht von Priština kontrolliert, durch die Wahl sollte es – bei Zusicherung einer gewissen Autonomie – in Kosovo integriert werden. Belgrad rief zur Teilnahme an der Wahl auf. Der Sprecher der serbischen Regierung, Milivoje Mihajlovic, zeigte sich beunruhigt über die Gewalt. Belgrad, Priština und die internationale Gemeinschaft müssten sich in den kommenden Wochen »ernsthaft um das Problem kümmern«. Nach Angaben der OSZE lag die Wahlbeteiligung in den nördlichen Gemeinden Leposavić und Zubin Potok bei 22 Prozent, in Zvečan bei gut 11 Prozent.

Eine Normalisierung der Beziehungen hat Brüssel zur Voraussetzung für die von Serbien gewünschte Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der EU gemacht.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 5. November 2013


Wahl mit unklarem Ausgang

Kosovo: Störungen führten mancherorts zu Abbruch der Abstimmung

Von Roland Zschächner **


Die am Sonntag abgehaltenen Kommunalwahlen im Kosovo waren von Gewalt überschattet. Im nördlichen Teil des Landes kam es zu Angriffen von Gegnern der Abstimmung, so daß Wahllokale vorzeitig schließen mußten. Der Westen verurteilt die Gewalt. Auch serbische Offizielle sprachen sich gegen die Attacken aus und forderten Neuwahlen, was von kosovoalbanischer Seite abgelehnt wird.

In der geteilten Stadt Kosovska Mitrovica sowie in Zvecan kam es zu teilweise massiven Störungen. Menschen, die zur Wahl gehen wollten, wurden bedrängt. Vereinzelt kam es zu Schlägereien. In einigen Orten drangen Protestierende in Wahllokale ein, randalierten dort und beschädigten die Urnen. Einige Lokale mußten daraufhin früher als geplant geschlossen werden, weil nicht für die Sicherheit der anwesenden Helfer und Beobachter gesorgt werden konnte.

Serbisch-nationalistische Gruppen hatten zu einem Boykott der Wahlen aufgerufen. Zu diesen gehörte auch die Serbische Demokratische Partei (DSS) des ehemaligen Präsidenten Vojislav Kostunica. Die serbische Zeitung Blic meldete am Sonntag, daß auch Mitglieder der faschistischen Gruppe Obraz an den Störaktionen beteiligt gewesen sein sollen.

Wie die serbische Nachrichtenagentur Tanjug meldete, sagte in Belgrad Aleksandar Vulin, serbischer Minister ohne Geschäftsbereich, daß der Boykott nicht erfolgreich gewesen sei. In vielen Gemeinden hätten trotz des Aufrufs Menschen ihre Stimme abgegeben. Eine besonders hohe Wahlbeteiligung mit knapp über 50 Prozent wurde in der serbischen Enklave Gracanica östlich von Pristina erzielt. Dort erklärte sich die von Belgrad unterstützte Bürger­initiative »Srpska« (Die Serbische) zum Wahlsieger.

Bereits im Vorfeld der Wahl war es zu Einschüchterungsversuchen gekommen. So wurde am Freitag abend der »Srpska«-Sprecher Krstimir Pantic, der für das Bürgermeisteramt in Mitrovica kandidierte, vor seinem Haus von Maskierten zusammengeschlagen. Auch er beschuldigt die DSS, hinter der Attacke auf ihn zu stecken.

Es waren knapp 1,8 Millionen Wahlberechtigte in 39 Kommunen aufgerufen. 103 Listen mit insgesamt 7932 Kandidaten standen zur Wahl. Bereits im Vorfeld war von Manipulationen ausgegangen worden, da die offiziell angegebene Einwohnerzahl des Kosovo mit 1,8 Millionen identisch mit der der Wahlberechtigten ist.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 5. November 2013


Wahlverlierer überall

Von Detlef D. Pries ***

Die von ihren Planern voreilig als »historisch« gefeierten Kommunalwahlen in Kosovo sind im serbisch besiedelten Norden zum Debakel geworden. Und das nicht nur wegen der Gewalt und der Einschüchterungsversuche zwielichtiger Existenzen, denen durchaus daran gelegen ist, dass es keine durchsetzungsfähigen staatlichen Organe in diesem Gebiet gibt. Den Wahlboykott eines Großteils der serbischen Bevölkerung Nordkosovos haben sich – ungeachtet aller gegenseitigen Vorhaltungen – Brüssel, Priština und Belgrad gleichermaßen zuzuschreiben. Den Behörden in Priština war es einzig darum gegangen, sich die widerspenstigen Serben durch diese Wahlen unterzuordnen. Die Regierung Serbiens wiederum, die bisher stets zum Boykott der kosovarischen Institutionen aufgerufen hatte, vermochte ihren Landsleuten nicht glaubhaft zu vermitteln, dass sie mehr sind als eine Handelsmasse, die Belgrad für das Versprechen zur Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen einzusetzen bereit ist. Und in Brüssel meinte man, durch Druck auf die politischen Köpfe erübrige es sich, die serbische Minderheit davon zu überzeugen, dass sie in einem albanisch dominierten Kosovo eine dauerhafte Perspektive hat. Natürlich ist das schwierig. Es waren schließlich NATO- und EU-Staaten, die Kosovos gewaltsame Trennung von Serbien durch ihren Bombenkrieg gefördert haben.

*** Aus: neues deutschland, Dienstag, 5. November 2013 (Kommentar)


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