USA verwandeln Kosovo in Militärstützpunkt
Nun geht all das in Erfüllung, wovor Experten bereits vor der gesetzwidrigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo gewarnt haben
Von Tamara Samjatina *
Die von Serbien abgetrennte Provinz bekommt langsam die Eigenschaft eines großen Nato- und US-Militärstützpunktes. Dazu gehört auch die jüngste Anweisung von US-Präsident George W. Bush, Waffenlieferungen in die Provinz aufzunehmen.
In diesem Zusammenhang forderte Moskau eine Sondersitzung des Russland-Nato-Rats, der am kommenden Freitag in Brüssel stattfinden soll. Dieser Rat hat allerdings bisher kaum etwas Nutzvolles hervorbracht. Bemerkenswerterweise erfolgte Bushs Anweisung zwei Tage nach einem Moskau-Besuch von US-Außenamtschefin Condoleezza Rice und Verteidigungsminister Robert Gates, die Russland aufgerufen haben, die Zusammenarbeit zu festigen, die Konsultationen auszubauen und die Transparenz zu fördern.
Die Hast, mit der das Pentagon jetzt versucht, das Kosovo unter seine Fittiche zu nehmen, kann nur davon zeugen, dass der Westen keineswegs von einer baldigen Friedenseinkehr auf dem Balkan nach der Abtrennung der Provinz von Serbien überzeugt ist. Dabei hatte gerade diese Rhetorik dominiert, als der Westen versuchte, seine Unterstützung für die Kosovo-Separatisten zu begründen. Von welchem Frieden kann man aber nun sprechen, wenn die eine Seite gegen die andere aufgerüstet wird. Damit wird nur noch mehr Öl ins Feuer gegossen, das ohnehin stark genug brennt.
Die Serben haben das bereits begriffen. In der Stadt Kosovska Mitrovica im Norden der Provinz kämpften sie mit der Erbittertheit eines Chancenlosen um die letzte Zufluchtstätte, das Gebäude des UN-Gerichts, in dem früher die serbische Justiz geherrscht hatte, nun aber die internationale Justiz herrscht - mit der Aussicht einer baldigen Übergabe dieser Institution an die Albaner.
Die Stadt Kosovska Mitrovica, die durch den Fluss Ibar in eine albanische und eine serbische Hälfte geteilt ist, wird nun für eine lange Zeit zu einem Zankapfel. Das offizielle Belgrad beantragte bereits bei der UNO eine Übergabe des an Kosovska Mitrovica grenzenden nördlichen Teils der Provinz, der von rund 100 000 Slawen bewohnt wird, an Serbien. Begründung: Diese Einwohner brauchen Schutz.
Die Befürworter der Kosovo-Unabhängigkeit in der UNO würde das aber kaum beeindrucken. In der ersten Hälfte der 90er Jahre hat der Westen die Vertreibung von 300 000 Serben aus Kroatien ignoriert. "Die Welt wäre aufgeregt gewesen, hätten 300 000 Vögel plötzlich irgendeine Region verlassen", sagt man in Belgrad. "Die Tragödie der Serben wurde aber von der Menschheit ignoriert."
Die Absicht der USA, mit Waffenlieferungen in die Provinz Kosovo zu beginnen, ist nicht zuletzt vom Streben begründet, Kosovska Mitrovica, diese strategisch wichtige ungehorsame serbische Stadt, nicht aus dem Bestand der Provinz austreten zu lassen, meint Jelena Guskowa, Leiterin des Zentrums für Studien der aktuellen Balkan-Krise am Slawistik-Institut der Russischen Wissenschaftsakademie. Es gebe aber auch ein wichtigeres Ziel: Die Kosovo-Albaner sollen das Recht bekommen, die Proteste in den serbischen Enklaven in der Provinz ungehindert niederzuschlagen.
Die Bewaffnung der Kosovaren ist eine Art Legalisierung der künftigen Schritte der albanischen Seite zur Vertreibung der serbischen Minderheit aus der Region. Damit sollen sie die Möglichkeit bekommen, das bereits eingeleitete Unterfangen - die Säuberung der Region von der nichtalbanischen Bevölkerung - bis zu Ende zu führen. Dies sollen aber die Albaner mit eigenen Händen machen, damit auf die KFOR-Kräfte, geschweige denn auf die Amerikaner kein Schatten geworfen wird.
Anscheinend soll das Kosovo zum ersten Staat unter vollem Nato-Protektorat werden. Seit neun Jahren sorgen dort Nato-Friedenskräfte für Ordnung. Beim Nato-Gipfel Anfang April in Bukarest sollen allerdings Albanien, Mazedonien und Kroatien in die Allianz aufgenommen werden. Damit könnte die Provinz Kosovo zum mächtigsten Nato-Stützpunkt auf dem Balkan werden. Dort ist bereits der weltgrößte US-Militärstützpunkt Bondsteel entstanden. Wie Guskowa betont, hat das Pentagon bereits mit dem Bau eines zweiten Militärstützpunktes im Kosovo begonnen.
Politologe Leonid Iwaschow, Präsident der Akademie für geopolitische Probleme, ist indes zuversichtlich, dass Washington, zumindest die jetzige Administration, eine Stabilität auf dem Balkan und in Europa überhaupt nicht braucht. "In einer stabilen Situation können die USA die Entwicklung nicht beeinflussen. In einem ruhigen Europa hat Amerika nichts zu suchen", sagt Generaloberst Iwaschow, der zu den führenden russischen Experten zählt.
Nach seinen Angaben geht es jetzt um Lieferungen von Schusswaffen und gepanzerten Militärfahrzeugen aus Amerika in die Provinz Kosovo. Die nächste Etappe würde aber in der Ausbildung von Albanern für Fliegerkräfte und Panzertruppen bestehen.
Was kann aber Russland unter diesen Bedingungen unternehmen? Leider nicht viel. Sowohl Jelena Guskowa als auch Leonid Iwaschow sind der Ansicht, dass der Kreml, der bereits humanitäre Hilfslieferungen für die Einwohner der serbischen Enklaven angekündigt hat, die Entsendung eines russischen Friedenskontingents in die Gegend von Kosovska Mitrovica zur Sprache bringen könnte. Außerdem erörtern russische Experten Möglichkeiten für eine Entsendung russischer Friedenskräfte in den an das Kosovo angrenzenden Süden Serbiens. Der proeuropäisch eingestellte Präsident Boris Tadic wird sich allerdings kaum dazu entschließen, Russland darum zu bitten.
Insofern bleiben Russland ausschließlich diplomatische Hebel zur Einwirkung auf die Situation. Jedenfalls hat es Moskau entweder nicht gewollt oder nicht geschafft, wirtschaftliche Hebel einzusetzen - etwa das Kosovo an das Gasprojekt South Stream anzuschließen.
* Tamara Samjatina ist langjährige Balkan-Expertin und internationale Kommentatorin.
Die Meinung der Verfasserin muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.
Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 26. März 2008
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