Kosovo-Serbien: Rasmussen reduziert Reizfaktoren
Die zweite offizielle Auslandsreise führte den NATO-Generalsekretär in das Kosovo
Von Andrej Fedjaschin *
Nach seinem Afghanistan-Besuch unternahm der neue Nato-Generalsekretär
Anders Rasmussen am 13. August seine zweite offizielle Auslandsreise ins
Kosovo.
Wider Erwarten reiste er nicht in den Irak, wo das zweitgrößte
Nato-Kontingent stationiert ist, sondern auf den Balkan - wohl wegen der
größeren politischen Wichtigkeit des Kosovo für die Allianz, die
eigentlich nicht dem Nahen Osten, sondern Europa mehr Aufmerksamkeit
schenken sollte.
Möglichweise wollte sich Rasmussen selbst davon überzeugen, wie schlecht
es um Afghanistan bestellt ist, um zu verstehen, dass mit dem
"Reizfaktor Kosovo" etwas getan werden muss.
In den Nato-Staaten wird dieses drittgrößte Kontingent - 13 800 Soldaten
laut den jüngsten Angaben der Schutztruppe für das Kosovo (Kfor) - schon
scheel angesehen.
Die Stimmung unter den Europäern ist zu verstehen, bedenkt man, dass im
Juli in Afghanistan 75 Soldaten getötet wurden, was seit 2002 einen
traurigen Rekord darstellt. Angesichts der Ereignisse im Irak und in
Afghanistan ist das Kosovo schon des Guten zu viel.
Es liegt außerhalb Rasmussens Kompetenzbereich, festzulegen, wer, wann
und wieviel reduzieren wird. Der neue Nato-Generalsekretär muss an Ort
und Stelle klären, wie sich die Situation in den serbischen Gemeinden
und an ihren Grenzen entwickeln kann, nachdem die Nato-Truppen
verkleinert wurden.
Trotz aller Voreingenommenheit der Nato und ihrer Sympathien für die
Kosovo-Albaner (Kosovaren) sind die aus den Nato-Staaten stammenden
Soldaten keine Politiker, sondern normale Menschen, die Zusammenstöße
zwischen der albanischen Mehrheit und der serbischen Minderheit
vermeiden wollen. An Hitzköpfen fehlt es weder hüben noch drüben, aber
nach "der Unabhängigkeit und dem Sieg" hat auf der albanischen Seite die
nationalistische, gegen Serbien gerichtete Feindschaft merklich zugenommen.
Nach der Reduzierung und dem Abzug der Nato-Kräfte wird jeder spontane
oder zielgerichtete Ausbruch einer solchen Aggressivität nicht mehr auf
den Puffer der Nato stoßen. Dem Kosovo kann deshalb ein neuer Krieg drohen.
Rasmussen gab der Führung in Pristina den dringenden Rat auf den Weg,
"nicht den Rahmen zu sprengen". Außerdem wollte er von ihr wenigstens
halbwegs glaubwürdige Zusicherungen hören, dass sie imstande sei, den
Kämpfern und den Anhängern für eine völlige Säuberung des Gebiets von
den Serben Einhalt zu gebieten. Im Kosovo mit seinen zwei Millionen
Einwohnern leben zurzeit lediglich 100 000 Serben. Knapp 200 000 mussten
nach 1999 nach Serbien flüchten.
Deshalb traf sich Rasmussen in Pristina mit Präsident Fatmir Sejdiu und
Premier Hashim Thaci. Letzterer kommandierte während des Kriegs die
Kosovaren-Kampfgruppen. Das Treffen mit dem Kfor-Kommandierenden, dem
italienischen General Giuseppe Emilio Gay, soll im Prinzip zeigen, dass
konkret darüber gesprochen wird, wie viele Soldaten aus dem Kosovo
abgezogen werden sollen.
Überhaupt handelt die Nato im Kosovo jetzt viel zu eilig. Erst am 2.
Juni behauptete der frühere Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer, im
Kosovo sind keine Reduzierungen geplant, sonst würden die "seit 1999
(das Jahr der KFOR-Bildung gleich nach den Bombenangriffen auf Serbien)
erreichten Erfolge untergraben werden".
Doch schon am 10. Juni billigten die Außen- und die
Verteidigungsminister der Nato-Staaten im Grunde eine Reduzierung der
Nato-Kräfte. Endgültig muss in einer Sitzung des Atlantikrats bestätigt
werden. Doch die Grundlagen des Plans sind schon klar.
Er sieht drei Phasen vor. Ab Januar 2010 wird die Nato das Kontingent
auf 10 000 Mann kürzen. Rasmussen hat im Prinzip bereits erklärt, dass
er gegen Ende seiner vierjährigen Amtszeit den Abzug aller Nato-Truppen
aus dem Kosovo erleben wolle.
Womit das den Kosovo-Serben, die in den Enklaven zusammengetrieben
worden sind und wie im Belagerungszustand leben, drohen kann, darüber
scheint sich die Nato nicht viel Gedanken zu machen. Rasmussen traf sich
allerdings mit einigen Vertretern der serbischen Gemeinden. Doch
beschränken sich diese Treffen gewöhnlich auf das "Feststellen von
Meinungen und Positionen". Mit den Serben wurden nie viele Umstände gemacht.
Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti
übereinstimmen.
* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 13. August 2009;
http://de.rian.ru
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