Karadzic bis 2000 unter Schutz der USA?
Früherer Außenminister Buha bestätigt Deal *
Radovan Karadzic, der vor dem Jugoslawien-Tribunal in Den Haag angeklagte
frühere Präsident der Serbischen Republik in Bosnien, soll bis zum Jahr
2000 unter dem Schutz der
USA gestanden haben. Dann habe ihn der Geheimdienst CIA dabei ertappt,
wie er die als
Voraussetzung für diesen Schutz geltenden Vereinbarungen gebrochen habe,
berichtete die
serbische Zeitung »Blic« am Sonnabend unter Berufung auf eine
USA-Geheimdienstquelle. Die CIA
habe ein Telefongespräch abgehört, aus dem hervorgegangen sei, dass
Karadzic weiterhin die
Serbische Demokratische Partei (SDS) geleitet habe.
»2000 gab es ein SDS-Treffen in Bijeljina, das von Karadzic persönlich
geleitet wurde«, sagte der
US-Geheimdienstler der Zeitung zufolge. »Er gab den Mitgliedern
Anweisungen, wer abgesetzt und
wer in eine bestimmte Position befördert werden sollte.« Damals habe
sich bei der CIA der Eindruck
festgesetzt, dass Karadzic auf die Absprachen pfeife. Deshalb sei der
»informelle Schutz« für
Karadzic aufgehoben worden, der ihn auch vor der Festnahme durch andere
Geheimdienste
geschützt habe.
Karadzic hatte am Donnerstag (31. Juli) vor dem Tribunal in Den Haag
erklärt, der frühere USA-Gesandte
Richard Holbrooke habe ihm im Gegenzug für seinen Rückzug aus der
Politik Schutz vor Verfolgung
durch das Tribunal zugesichert. Holbrooke bestreitet eine derartige
Vereinbarung. Die von »Blic«
angeführte Quelle erklärte: »Ich bin mir nicht sicher, ob es ein
schriftliches Dokument dafür gibt, aber
ich weiß andererseits, dass Holbrooke auf höchster Ebene mündliche
Garantien für Karadzic
abgegeben hat.«
Der frühere bosnisch-serbische Außenminister Aleksa Buha sagte dem
Sender Radio Belgrad am
Sonnabend, Holbrooke habe seinerzeit ihm gegenüber die Abmachung
bestätigt und ihm zugesagt,
dass Karadzic nicht vor das Tribunal komme, wenn er sich nicht politisch
betätige.
Dieses Versprechen habe Holbrooke während eines Treffens in Belgrad in
der Nacht zum 19. Juli
1996 abgegeben, an dem auch der damalige jugoslawische Präsident
Slobodan Milosevic, der
damalige jugoslawische Außenminister Milan Milutinovic und der frühere
bosnisch-serbische
Parlamentspräsident Momcilo Krajisnik teilgenommen hätten. Krajisnik war
während der
Friedensverhandlungen in Dayton in den USA der ranghöchste Vertreter der
bosnischen Serben.
Holbrooke war an den Abkommen von Dayton, die den Bosnien-Krieg 1995
beendeten, maßgeblich
beteiligt.
Der serbische Präsident Boris Tadic hat inzwischen eine weitere
Zusammenarbeit mit dem Tribunal
in Den Haag zugesagt. Dafür sei kein »zusätzlicher Druck« erforderlich,
sagte Tadic am Sonntag in
Belgrad. Niemand könne sagen, dass Serbien das internationale Recht
missachte. Sein Land habe
»konkrete Maßnahmen« für die Zusammenarbeit mit dem Tribunal getroffen.
Gesucht werden noch
Ratko Mladic, ehemals Militärchef der bosnischen Serben, und der
früheren Chef der Serben in
Kroatien, Goran Hadzic.
* Aus: Neues Deutschland, 4. August 2008
Der grüne Mercedes
Von Detlef D. Pries *
Radovan Karadzic ist medial als »Schlächter vom Balkan« verurteilt. Als
bedürfte es keines Gerichts, ein solches Verdikt zu fällen. Vor Jahren
noch wurde Slobodan Milosevic so bezeichnet (und demnächst wird der
»Titel« an Ratko Mladic fallen). Nur gelang es dem Haager
Gerichtshof nicht, Milosevic der Verbrechen zu überführen, deren er
angeklagt war -- bis er in seiner Zelle starb. Auch im Prozess gegen
Radikalenchef Vojislav Seselj, einen bekennenden Verfechter
»Großserbiens«, blamiere sich die Anklage mit schwachen Zeugen und
Beweisen, berichten Beobachter. Im Fall Karadzic dürfe so etwas nicht
passieren, heißt es jetzt, das wäre eine »Katastrophe«. Handfeste
Beweise müssten her.
Derweil mehren sich die Hinweise darauf, dass Karadzic 1996
Straffreiheit versprochen wurde. USA-Vermittler Richard Holbrooke
bestreitet das natürlich, und Schriftliches wird Karadzic nicht
beibringen können. Zeugen aber haben sich gemeldet. Wenn die USA an
seiner Verurteilung so brennend interessiert gewesen wären -- wer hätte
sie denn auch an der Festnahme Karadzics hindern können, als »sein
grüner Mercedes sechs Monate lang jeden Tag vor seinem Büro geparkt war«
(Holbrooke). Sonst setzen sie »mutmaßliche Terroristen« rund um den
Globus fest.
Ein Unschuldsbeweis wäre die von Karadzic behauptete Absprache natürlich
nicht. Wohl aber ist der Vorgang ein Fingerzeig darauf, wie schwierig es
mit den Beweisen auch im Karadzic-Prozess werden wird.
* Aus: Neues Deutschland, 4. August 2008 (Kommentar)
Karadzic stand unter Schutz der USA **
Ehemaliger Außenminister Buha bestätigt Deal mit US-Gesandtem Holbrooke
Der als Kriegsverbrecher angeklagte frühere bosnisch-serbische Präsident
Radovan Karadzic soll bis zum Jahr 2000 unter dem Schutz der USA
gestanden haben. Der Deal sei von den Vereinigten Staaten gekündigt
worden, nachdem der Washingtoner Auslandsgeheimdienst Karadzic eine
Verletzung der Vereinbarungen vorwarf, die Voraussetzung für diesen
Schutz gewesen sind. Danach habe er sich nicht mehr politisch betätigen
dürfen. Das berichtete die serbische Zeitung Blic am Samstag unter
Berufung auf eine US-Geheimdienstquelle. Die CIA habe ein
Telefongespräch abgehört, aus dem klar hervorgegangen sei, daß Karadzic
weiterhin die Serbische Demokratische Partei (SDS) geleitet habe.
»2000 gab es ein SDS-Treffen in Bijeljina, das von Karadzic persönlich
geleitet wurde«, sagte der US-Geheimdienstler der Zeitung zufolge. »Er
gab den Mitgliedern Anweisungen, wer abgesetzt und wer in eine bestimmte
Position befördert werden sollte.« Damals habe sich bei der CIA der
Eindruck festgesetzt, daß Karadzic die Absprachen mißachte. Aus
Verärgerung sei dann der »informelle Schutz« für Karadzic aufgehoben
worden, der ihn auch vor der Festnahme durch andere Geheimdienste
geschützt habe.
Karadzic hatte am Donnerstag vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den
Haag erklärt, der frühere US-Gesandte Richard Holbrooke habe ihm im
Gegenzug zu seinem Rückzug aus dem politischen Leben Schutz vor
Verfolgung durch das Tribunal zugesichert. Holbrooke bestreitet eine
derartige Vereinbarung. Die von Blic angeführte Quelle erklärte: »Ich
bin mir nicht sicher, ob es ein schriftliches Dokument dafür gibt, aber
ich weiß andererseits, daß Holbrooke auf höchster Ebene mündliche
Garantien für Karadzic abgegeben hat.«
Der frühere bosnisch-serbische Außenminister Aleksa Buha sagte dem
Sender Radio Belgrad am Samstag, der US-Unterhändler Holbrooke habe
seinerzeit ihm gegenüber die Abmachung bestätigt. (AFP/jW)
** Aus: junge Welt, 4. August 2008
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