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"Die gesellschaftliche und politische Entwicklung des Kosovo ist unverändert gefährdet"

Der Bundestag verlängert den Bundeswehreinsatz im Kosovo - Bericht und die Reden von Struck, Fischer und Pau

Am 2. Juni 2005 beriet der Bundestag über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in der serbischen Provinz Kosovo, die 1999 im Zuge des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien von NATO-Truppen besetzt worden war und die seither eine Art UN-Protektorat darstellt. Der Bundestag stimmte mit überwältigender Mehrheit der Mandatsverlängerung zu.
Im Folgenden dokumentieren wir einen der seltenen Artikel hierzu - die überregionale Presse berichtete wenig - sowie die Reden von Verteidigungsminister Peter Struck, Außenminister Joseph Fischer und von Petra Pau (fraktionsloa bzw. PDS), die als einzige einen fundamental anderen Ansatz vertrat.



Pfefferspray fürs Pulverfass

Von René Heilig

Der Frieden in Kosovo müsse auch künftig von internationalen Truppen gestützt werden, sagte Verteidigungsminister Struck im Bundestag. Er sagte nicht, wo er in der Region Frieden feststellen kann. Peter Strucks(SPD) Definition von Frieden ist abenteuerlich. Denn der Verteidigungsminister sagte den Abgeordneten des Bundestages auch: Ein erneuter Gewaltausbruch sei jederzeit möglich, es gebe noch keine Sicherheit in der Krisenprovinz. Also verlangte er die Verlängerung des Bundestagsmandats für einen deutschen Beitrag zur internationalen Schutztruppe KFOR um ein Jahr. Außenminister Joschka Fischer (Grüne), der bereits vor rot-grünem Amtsantritt 1999 dem Überfall auf Jugoslawien zugestimmt hatte, warb parallel dazu für die Einbettung der Krisenprovinz Kosovo in europäische Strukturen.

575 Abgeordnete folgten den Regierungsargumenten, sieben stimmten dagegen. Abermals lehnte sich Petra Pau(PDS) gegen eine Mandatverlängerung auf. Damit stehen sie und ihre Partei gegen Beschlussempfehlung des federführenden Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, der nach Zustimmung des Rechts- und des Verteidigungsausschusses sowie des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe eine Annahme von Strucks Antrag verlangte. Einzig im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hatte es eine Stimmenenthaltung der Grünen gegeben.

Entlarvend ist die Priorität bei der Begründung. Konstatiert werden zwar eine »hohe Kriminalitätsrate, ethnische Gegensätze und politischer Extremismus«. Doch sei die internationale Sicherheitspräsenz in Kosovo notwendig »zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung der Friedensregelungen«. Kein Wort findet sich in der Empfehlung darüber, dass der UN-Flüchtlingskommissar ein Bleiberecht für Angehörige von Kosovo-Minderheiten in Deutschland fordert. Bund und Länder dringen auf eine rasche Abschiebung. 54500 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Kosovo sind laut Behörden-Rechtsprechung zur Ausreise aus Deutschland verpflichtet. Insbesondere Sinti und Roma sowie Angehörige der Ashkali-Gruppe, die im Ansehen der albanischen Kosovo-Polit-Mehrheiten noch unterhalb der Serben rangieren, stehen auf den Vertreibungslisten.

Die Bundestagsabgeordneten ließen sich nicht einmal von der inner-sozialdemokratischen Unlogik zum Nachdenken bringen. Während Struck (Verteidigungsministerium) vor der instabilen Lage in Kosovo warnt, meint Otto Schily (Innenministerium), dass die Lage stabil genug ist, um Massenabschiebungen zu veranlassen.

Auch mit der angeblichen Fürsorgepflicht gegenüber den in Kosovo eingesetzten 2600 Bundeswehrangehörigen kann es im Parlament nicht weit her sein. Nach den Unruhen im März vergangenen Jahres, die nach Einschätzungen der Kommandeure vor Ort jederzeit wieder aufflammen können, hat man einigen Soldaten des inzwischen 10. deutschen KFOR-Kontingents Pfefferspray, Schlagstöcke, CS-Gas und Gummigeschosse mitgegeben. Für den Fall, dass sie – wie bei den Unruhen 2004 – dennoch Fersengeld geben und serbische Häuser abbrennen lassen müssen, steht in Deutschland eine so genannte »Operational Reserve Force« bereit, die im Laufe einer Woche an Balkan-Brennpunkte verlegt werden soll.

* Aus: Neues Deutschland, 3. Juni 2005


D O K U M E N T A T I O N
Auszug aus dem Bundestagsprotokoll der 178. Sitzung des Deutschen Bundestags, 2. Juni 2005
[Wir verzichten bei der Wiedergabe des Stenografischen Berichts auf die Beifallskundgebungen und Zwischenrufe]

Tagesordnungspunkt 5:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der Internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung der Friedensregelung für das Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der Internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien und der Republik Serbien (jetzt: Serbien und Montenegro) vom 9. Juni 1999


Dr. Peter Struck, Bundesminister der Verteidigung:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! In den kommenden Monaten tritt der Prozess zur politischen Gestaltung des Kosovo in eine bedeutende Phase. Die Chancen, den Status des Kosovo zu klären, haben deutlich zugenommen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Schritte dazu in der vergangenen Woche erörtert und stützt die Empfehlungen des Generalsekretärs. Es zeichnet sich ab, dass die angestrebte Feststellung und Bewertung der bisher erreichten grundlegenden demokratischen und rechtsstaatlichen Standards im Kosovo Anfang Juli beginnen könnte. Darüber wird dem Sicherheitsrat ein Bericht vorzulegen sein, der bei positivem Ergebnis den Statusprozess einleiten könnte. Einen Automatismus gibt es dafür allerdings nicht. Die Erfüllung der Standards bleibt nach wie vor eine zwingende Voraussetzung.

Erst am vergangenen Freitag hat der Chef der UNMIK in seinem Bericht an die Vereinten Nationen einen andauernden Fortschritt bei der Entwicklung im Kosovo festgestellt. Er hat aber gleichzeitig betont, dass zur Verwirklichung aller acht Standards noch erheblich mehr Anstrengungen unternommen werden müssen. Alle politischen Akteure im Kosovo wissen, dass von ihnen – auch im eigenen Interesse – konkrete und entscheidende Fortschritte erwartet werden. Es kommt jetzt darauf an – auch im Interesse unserer Soldaten dort –, bald Klarheit für die Menschen und die Region zu schaffen. Die Lösung der Statusfrage wird die jahrelange Unsicherheit beenden. Das wird positive Auswirkungen für das Land, aber auch für die gesamte Region haben. Dabei steht in jedem Fall fest: Die politische Zukunft des Kosovo muss langfristig in eine europäische Perspektive der Region eingebettet sein.

Wir alle wissen, dass der laufende politische Prozess zur Zukunft des Kosovo nur in einem sicheren und stabilen Umfeld erfolgreich gestaltet werden kann. Durch eine Reihe von internationalen und nationalen Maßnahmen ist es gelungen, eine Wiederholung der gewaltsamen Auseinandersetzungen wie im März des vergangenen Jahres zu verhindern. Generalsekretär Kofi Annan hat am vergangenen Freitag die substanzielle Verbesserung der Sicherheitslage im Kosovo positiv gewürdigt. Aber es gibt dort noch keine dauerhafte oder sich selbst tragende Stabilität. Die gesellschaftliche und politische Entwicklung des Kosovo ist unverändert gefährdet. Die Gründe dafür sind vor allem die unbefriedigenden wirtschaftlichen Bedingungen, die hohe Kriminalitätsrate, die fortbestehenden interethnischen Spannungen und der politische Extremismus. Auch die anstehende Dezentralisierungsdebatte und die Statusfrage sowie der Haradinaj-Prozess in Den Haag können zum erneuten Ausbruch von Gewalt führen. Die Anschläge auf Einrichtungen der internationalen Gemeinschaft und auf Politiker wie der Sprengstoffanschlag auf Präsident Rugova im März dieses Jahres unterstreichen darüber hinaus die Gefährdung der Sicherheitslage. In der vor uns liegenden wichtigen Phase für das Kosovo ist eine Fortsetzung der militärischen Unterstützung der politischen Bemühungen um Frieden und gesellschaftliche Normalisierung unerlässlich.

Die KFOR-Truppe trägt zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes und zur Unterstützung der im Kosovo tätigen Organisationen bei. Sie bleibt gemeinsam mit UNMIK unverzichtbar für die Sicherheit im Kosovo. Deutschland ist mit rund 2 500 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr der größte Truppensteller für die KFOR. Wir tragen damit eine herausgehobene Verantwortung. Wir sind aber beileibe nicht allein im Kosovo engagiert. Die KFOR umfasst Streitkräfte von insgesamt über 30 Nationen. Niemand wird bezweifeln, dass deutsche Soldatinnen und Soldaten seit 1999 ganz wesentlich zur Stabilisierung der Region und zum Wiederaufbau des Landes beigetragen haben. Ich bin stolz auf diesen Dienst für den Frieden, den unsere Soldaten geleistet haben.

KFOR muss auch weiterhin in der Lage sein, Gewalttätigkeiten und den sich abzeichnenden Unruhen mit größtmöglicher Flexibilität zu begegnen. Die bisher erreichten Ergebnisse des immerhin schon sechs Jahre andauernden Einsatzes im Kosovo dürfen nicht gefährdet werden. Deutschland hat, wie alle europäischen Staaten, ein großes Interesse an der Fortsetzung einer friedlichen und demokratischen Entwicklung im Kosovo. Deshalb gibt es zur konsequenten Fortsetzung der Unterstützung des Kosovo wie des gesamten Balkans auf deren Weg zurück nach Europa überhaupt keine Alternative.

Auch deshalb ist es richtig, den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der KFOR-Mission auf bisherigem Niveau fortzuführen. Gleichzeitig gilt es, in den kommenden Monaten alles zu tun, um bei der politischen Kernfrage des Kosovo, dem künftigen Status, endlich weiterzukommen. Das liegt sowohl im Interesse der Menschen im Kosovo als auch der KFOR-Truppenstellernationen. Für die Zustimmung aller Fraktionen zum Antrag der Bundesregierung, die in den folgenden Beiträgen deutlich werden wird, danke ich Ihnen sehr. Wir alle wollen gemeinsam hoffen, dass sämtliche Soldatinnen und Soldaten aus dem Einsatz im Kosovo unversehrt zurückkommen werden.

Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In wenigen Wochen jährt sich zum zehnten Mal das Massaker von Srebrenica und dies ruft uns in Erinnerung, was in Südosteuropa eigentlich auf dem Spiel steht. Vor diesem Hintergrund ist unser Engagement im Kosovo zu sehen. Unser gemeinsames Ziel – mit „uns“ meine ich die internationale Gemeinschaft, aber auch die regionalen Akteure – bleibt der Aufbau eines multiethnischen, demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Kosovo, der in ein enges Interessengeflecht mit seinen Nachbarn eingebunden ist.

Es geht darum, den Kosovo – ich denke, das ist für die ganze Region wichtig – europafähig zu machen. Wenn wir über Standards sprechen, dann geht es genau um diesen Punkt. Erst wenn auf dem Weg zu diesem Ziel hinreichende Fortschritte erzielt worden sind, sind die Voraussetzungen gegeben, um die Statusfrage einer Lösung zuzuführen.

Dennoch ist es sehr wichtig, dass die Diskussion der Statusfrage jetzt gut vorbereitet begonnen wird und dass das Überprüfungsdatum eingehalten wird. Es ist ein großer Fortschritt, dass sich die internationale Gemeinschaft darauf hat einigen können.

Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten also vor entscheidenden Herausforderungen stehen. Gerade angesichts der Erwähnung von Srebrenica möchte ich aber nochmals darauf hinweisen, welche positiven Veränderungen die vergangenen Jahre trotz aller großen Probleme, die in der Region nach wie vor vorhanden sind, gebracht haben.

Denken wir doch zurück: Srebrenica war die verbrecherische Konsequenz der Wiederkunft einer nationalistischen Politik, die mit den Mitteln von Vertreibung, Massenvergewaltigungen und Massenmord eine neue politische Grenzziehung auf ethnischer Grundlage erreichen wollte – etwas, was in Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – gerade in diesem Jahr haben wir besonders daran gedacht – nicht nur auf dem Balkan, nicht vor allem auf dem Balkan zu finden war. Heute gibt es eine Entwicklung der gesamten Region hin zum Europa der Integration. Gestatten Sie mir, dass ich nochmals unterstreiche: Alles, was es an Lösungsansätzen gibt, lebt letztlich von der festen Verankerung dieser Region in der europäischen Perspektive.

Ohne diese europäische Perspektive werden die tragenden Säulen abgeräumt, die eine langfristige Lösung der Konflikte in dieser Region ermöglichen. Deswegen ist es wichtig, zu begreifen, dass das Kosovoproblem nicht allein aus sich heraus zu lösen ist. Die Europäischer Union gelungen ist, in Mazedonien eine ähnlich katastrophale und furchtbare Entwicklung wie etwa in Bosnien-Herzegowina zu verhindern, ist meines Erachtens einer der wirklich großen Erfolge, die die europäische Balkanpolitik erzielen konnte.

Wenn wir über die Statusfrage nachzudenken beginnen, müssen wir einige Dinge klar aussprechen. Das Erste: Es kann keine Rückkehr zum Status von vor 1999 geben. Wer eine solche Rückkehr anstrebt – aber Gott sei Dank scheint klar zu sein, dass das keiner von den Beteiligten mehr will –, würde nicht die Lösung der Probleme, sondern ihre Verschärfung erreichen. Ein zweiter wesentlicher Punkt ist, dass die Entwicklung nicht in Richtung einer Teilung des Kosovo gehen darf. Wer anfängt, die Grenzen auf dem Balkan infrage zu stellen, der kann nicht absehen, wo dieses Unterfangen enden wird. Eines ist allerdings gewiss: Er wird nicht Frieden und Stabilität kreieren, sondern genau das Gegenteil.

Deswegen ist es drittens sehr wichtig, dass der multiethnische Charakter gewährleistet wird, dass Rückkehrmöglichkeiten geschaffen werden, dass das Pilotprojekt zur Dezentralisierung, das heißt zur kommunalen Selbstverwaltung auch dort, wo es serbische Mehrheiten gibt, vorankommt. Wir brauchen über eine Europäisierung nicht zu sprechen, wenn der multiethnische Charakter infrage gestellt wird. Letzterer beinhaltet nämlich im Kern, den europäischen Standard beim Minderheitenschutz zu erreichen. Ich denke, hier gibt es gerade in Mazedonien, aber auch in vielen anderen europäischen Regionen hervorragende Erfahrungen mit Modellen, die ohne weiteres angepasst übernommen werden können. Viertens ist festzuhalten, dass es keinen Weg in unkonditionierte Unabhängigkeit geben wird, denn Unabhängigkeit muss auf solider Grundlage stehen, also auf die Interessen der Nachbarn in der gesamten Region Rücksicht nehmen.

Wenn man diese vier Ausschlusskriterien als Maßstab nimmt, dann – das haben alle Gespräche gezeigt – stellt man fest, dass die Positionen zwischen der kosovarischalbanischen Mehrheit und der serbischen Minderheit noch weit auseinander liegen. Es besteht aber sozusagen nur noch eine quantitative und keine qualitative Differenz mehr. Insofern denke ich, dass wir hier ein Mehr an Stabilität kreieren können.

Wahr ist aber auch, meine Damen und Herren: Das A und O ist die Garantie der Sicherheit, das heißt, dass unsere Soldaten, eingebunden in die Anstrengungen von KFOR, Vereinten Nationen und UNMIK, von NATO und Europäischer Union, dort präsent bleiben müssen. Ich war erst jüngst in Prizren und konnte mich davon überzeugen, welche hervorragende Arbeit dort gemacht wird. Es wurden wirklich Konsequenzen aus den Erfahrungen vom März letzten Jahres gezogen und entsprechende Maßnahmen umgesetzt. Für eine positive Entwicklung im Kosovo und damit der gesamten Region sind unsere Soldaten zusammen mit den anderen nationalen Einheiten von KFOR unverzichtbar. Deswegen ist auch die Verlängerung dieses Mandats unverzichtbar. Ich freue mich – dafür möchte ich mich bei allen bedanken –, dass dieses Anliegen interfraktionell auf breitester Grundlage steht. Das haben zumindest die Ausschussberatungen gezeigt.

Ein weiteres Mal erleben wir doch hier in einem Teil Europas, dass es nicht mehr um traditionelle Machtpolitik geht. Die Bundeswehr wird nicht auf dem Balkan oder am Hindukusch aus traditionellen Gründen nationalen Interesses, aus traditionellen Gründen machtgestützter Außenpolitik eingesetzt, sondern sie ist dort, um kollabierten Staaten bzw. Regionen zu helfen, auf die eigenen Beine zu kommen, um furchtbare Bürgerkriege zu beenden, um Sicherheit und Stabilität vor allen Dingen für die Zivilgesellschaften zu garantieren und um eine demokratische und positive wirtschaftliche Entwicklung in der Zukunft zu gewährleisten. Dieser Auftrag verdient jede Unterstützung.

Meine Damen und Herren, wir stehen auf dem Balkan vor einem entscheidenden Jahr. Wenn Europa aufgrund seiner internen Probleme das Signal aussenden würde, seine Haltung lockern zu wollen, würde das auf dem Balkan umso stärkere Folgen haben. Das wäre also ein falsches Signal. Deswegen rate ich dringend dazu, sauber zu unterscheiden: Die Lösung der internen europäischen Probleme ist nach den beiden Entscheidungen in Frankreich und den Niederlanden schwer genug. Europa wird sich aber aufgrund seiner internen Probleme keine Auszeit bezüglich seiner geschichtlichen Verantwortung nehmen können. Wenn wir meinen, die auf dem Balkan eingegangenen Verpflichtungen auch nur ansatzweise infrage stellen zu können, weil der europäische Einigungsprozess stagniert, dann werden wir dafür einen hohen Preis bezahlen. Das wäre unvernünftig und sollte unterlassen werden.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich nochmals für die fraktionsübergreifende Unterstützung unserer Soldaten bedanken und mich dem Wunsch anschließen, dass alle gesund und wohlbehalten nach Hause zurückkehren mögen.

Petra Pau (fraktionslos)*:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Mandat der Bundeswehr, das heute erneut verlängert werden soll, reicht zurück in das Jahr 1999. Damals begann der Krieg der NATO gegen Jugoslawien. Für Deutschland wurde er zum Sündenfall. Die PDS im Bundestag hat bereits damals gesagt: Das ist politisch falsch und obendrein völkerrechtswidrig.

Damals war die Debatte aufgeheizt. Verteidigungsminister Scharping handelte mit Geheimplänen, die PDS wurde als fünfte Kolonne Moskaus verdächtigt und Tausende Friedensbewegte demonstrierten gegen den drohenden Krieg – vergebens. Kurzum, wir haben das Bundeswehrmandat 1999 abgelehnt und wir werden heute auch seiner Verlängerung nicht zustimmen.

Wie bei allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr vermissen wir auch bei diesem Einsatz drei wesentliche Leitplanken: ein tragfähiges politisches Konzept, eine glaubwürdige Analyse und ein überschaubares Ausstiegsszenario. Stattdessen erleben wir, dass sich die Lage im Kosovo zwar gewendet, nicht aber gebessert hat. Hieß es anfangs „Serben kontra Albaner“, so heißt es längst „Albaner gegen Serben“. Selbst wenn ich opportunistisch wäre und meinen würde, der Erfolg heilige die Mittel, bliebe unter dem Strich das Fazit: Es gibt keinen Erfolg.

Diese Region Europas ist ein Pulverfass, wodurch wiederum die dafür bereitgestellten Mittel zusätzlich in Zweifel gezogen werden. Daher wird die PDS im Bundestag sie auch nicht nachträglich legitimieren.

Seit einigen Tagen gibt es bei Rot-Grün ganz offensichtlich ein paar Abstimmungsprobleme. Aber auch innerhalb der SPD-Ressorts scheint die eine Hand nicht zu wissen, was die andere treibt. Verteidigungsminister Struck, SPD, verlangt eine Verlängerung des KFORMandats. Seine Begründung: Die Lage im Kosovo ist höchst instabil. Innenminister Schily, SPD, und die Landesinnenminister bereiten massenhafte Abschiebungen von Kriegsflüchtlingen vor, was allerdings voraussetzt, dass die Lage im Kosovo für die Betroffenen zumutbar ist.

Nach allen Regeln formaler Logik muss eine der zwei SPD-Argumentationen falsch sein, entweder die des Innenministers oder die des Verteidigungsministers.

* Patra Pau ist Abgeordnete der PDS. Da die PDS weder eine Fraktion (mindestens 5 % der Abgeordneten) noch eine Gruppe (mindestens 5 Abgeordnete) im Bundestag stellt (die PDS verfügt nur über zwei Abgeordnete), werden die Rednerinnen der PDS offiziell als "fraktionslos" tituliert.

Quelle: http://dip.bundestag.de/btp/15/15178.pdf


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