Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gibt es da ein U-Boot in Schweden?

Von Jan Oberg *

Man hat davon gehört, dass Schweden ein „U-Boot“ jagt, und dass es sich „angeblich um ein russisches handelt“. Ferner wird nun berichtet, dass der schwedische Premierminister sich in dem Zusammenhang verpflichtet hat, den Verteidigungshaushalt zu erhöhen.

Irgendwelche Beweise? Fehlanzeige!

Es gibt hierbei nur drei Probleme:
  1. Es gibt nicht den geringsten Beweis dafür, dass es sich um etwas Militärisches handelt, weder dafür dass es ein U-Boot ist, noch – was es auch immer sein mag – dass es russisch ist.
  2. Selbst bei CNN, BBC und Al-Jazeera findet sich nichts als spekulativer primitiver Boulevard-Journalismus.
    Dies ist möglich in den Bereichen Verteidigung, Sicherheit und Frieden, weil von Journalisten, wenn sie über diese Bereiche schreiben, viel weniger verlangt wird, als wenn sie über z.B. Innenpolitik, Wirtschaft, Sport, Bücher, Nahrungsmittel und Weine schreiben. In diesen Bereichen wird erwartet, dass man über einiges Wissen verfügt, und Medienkonsumenten sind in der Lage, das zu überprüfen.
  3. All dies dient anderen Zwecken als mit Information zu versorgen: nämlich entweder das negative Image Russlands weiter zu verstärken, Schweden in die volle NATO-Mitgliedschaft zu drängen – man beachte das bemerkendwerte Angebot des ehemaligen NATO-Oberbefehlshabers Stavridis, dass die NATO Schweden zur Hilfe kommen könne – oder die Schweden so zu erschrecken, dass sie das Gefühl bekommen, sie müssten noch mehr für ihr Militär ausgeben (eine Methode, die man auch „Furchtologie“ nennen könnte).
    Praktisch jeder Aspekt des Medienhypes basiert auf Vorurteilen anstatt nüchterner Analyse und auf parteiischen und bezahlten Expertisen, die „den offiziellen Vorgaben“ folgen. Russland hat abgestritten, dass es dort ist; Holland hat „dementiert“, dass sein U-Boot sich dort befinden könnte.
    Bis auf ein oder zwei Ausnahmen haben alle schwedischen und internationalen Medien vermieden zu fragen: könnte es sich um etwas anderes handeln als ein U-Boot und um jemand anderen als die Russen – oder einfach um überhaupt nichts?
    Die „Angeblichkeit“ dieser ganzen Sache reicht aus, um als objektive Berichterstattung durchzugehen in den – angeblich – freien Medien.
Die schwedische Verteidigungs-Farce

Noch schlimmer, das schwedische Militär hat sich bereits zum Narren gemacht – was eigentlich nicht zu erwarten war, bei den doch recht großen Ressourcen, die ihm zur Verfügung stehen.

Es hat die Hubschrauber, die es jetzt dringend benötigt, bereits verkauft.

Es hat sich – zumindest offiziell – auf Tipps von einfachen Bürgern verlassen, und da fragt man sich schon, ob es sich dabei um Aufklärung (in mehr als einem Sinn des Wortes) handelt.

Ein Verdacht, dass ein Mitglied der (russischen) Spezialkräfte an Land gegangen sei, stellte sich als falsch heraus, es handelte sich stattdessen um einen schwedischen Rentner, der angeln gegangen war. Man veröffentlichte ein verschwommenes Foto eines wellenbedeckten Objektes, das weit draußen zwischen ein paar Bäumen zu sehen war und gab dann noch eine falsche Örtlichkeit der Aufnahme an.

Da fragt man sich doch in der Tat, sollte durch diese aufgeführte Farce das Militär als so hilflos gezeigt werden, dass es unbedingt umfangreichere Mittel benötigt?

Die relevantere Überlegung wäre allerdings: Wie um alles in der Welt kann ein derartiges amateurhaftes Unterfangen so leicht akzeptiert werden von der Regierung, den Medien und der Bevölkerung und sogar als Argument für das, was der Premierminister gerade verkündet hat? Oder, um es ganz platt auszudrücken: Was bekommen die Schweden für ihr Steuergeld?

Schweden ist keine schwache Schachfigur in diesem Spiel

Schweden mit einer Bevölkerung von grob gerechnet 9 Millionen Menschen ist Nr. 33 auf der Weltliste der Militärausgaben mit 6,2 Milliarden US $ pro Jahr. Das sind 657 US $ pro Kopf, damit ist man Nr. 17 in der Welt. Russland gibt 403 US $ pro Kopf aus und seine gesamten Militärausgaben belaufen sich auf 8% der NATO-Ausgaben.

Schweden ist also keine hilflose Schachfigur, in welchem Spiel auch immer. Und wenn sein Militär nichts Besseres zustande bringt, wenn es mal wirklich gebraucht wird, dann sollte jemand dafür die Verantwortung übernehmen.

Handelt es sich um ein russisches Objekt?

Wenn es dort etwas gibt, ist es dann wahrscheinlich, dass es sich um etwas russisches handelt? Doch wohl eher nicht!

Moskau weiß sehr gut, dass, wenn ein russisches U-Boot geortet und an die Oberfläche gebracht würde, dies einen enormen Aufschwung für die Kräfte in Schweden und anderswo bilden würde, die Schweden gerne als volles NATO-Mitglied sähen. Das liegt aber nicht im russischen Interesse.

Nun könnte Russland natürlich ein Hoch-Risiko-Spiel mit einigen NATO U-Booten in diesen Gewässern spielen, oder es könnte einfach töricht handeln. All das kann nicht völlig ausgeschlossen werden – aber es ist doch eher unwahrscheinlich, dass es sich um ein russisches Objekt handelt.

Wenn es russisch ist, könnte Schweden selbst irgendwie ein Interesse daran haben, nichts zu finden – um die Russen im Unklaren zu lassen darüber, wieviel es weiß (wie gut man beim Herausfinden ist) und ob es bereits NATO-Beistand in diesem Fall gegeben hat oder nicht. In beiden Fällen werden wir wohl kaum erfahren, um was es alles dabei ging.

Könnte es ein NATO-Objekt sein?

Könnte es aus einem NATO-Mitgliedsstaat stammen? Wenn ja, so werden wir auch dies niemals erfahren.

Der schwedische Generalstabschef hat erklärt, dass, wenn man etwas fände, es beschossen würde, um an die Oberfläche zu kommen. Es ist aber undenkbar, dass Schweden, wenn es wüsste, dass ein Objekt aus einem NATO-Staat ist – a) es beschießen und b) der Welt berichten würde, dass es Bescheid wusste.

Schließlich sind die meisten Verletzungen des schwedischen Luftraums, die seit den 1980ern bekannt sind, von NATO-Flugzeugen begangen wurden; aber nur wenn russisches Kampfflugzeuge in die Nähe des Luftraums kommen oder ihn verletzen, lässt das schwedische Verteidigungs-Establishment dies zur Presse durchsickern oder die Medien sind selbst daran interessiert.

Schweden ist heutzutage kein neutrales Land, wenn es überhaupt jemals eins war.

Könnte die NATO ein Interesse an diesen Gewässern haben? Im Gefolge der Ukraine-Krise befinden wir uns erneut in einer Kalter-Kriegs-Situation, und die NATO hat ihre militärischen Positionen auf verschiedenen Wegen vorgeschoben und ist ständig auf die baltischen Staaten fokussiert. Deshalb könnte die NATO sehr wohl sich in schwedischen Gewässern aufhalten mit oder ohne Wissen oder Zustimmung der Schweden; sie könnte herumschwärmen um die Russen auszuspähen, einfach nur, weil sich die Spannungen erhöht haben.

Sie könnte Sonar- oder was sonst für andere -Vorrichtungen für zukünftige Notfälle platzieren – während sie nicht möchte, dass Schweden weiß, dass sie Schweden als der NATO so nahe stehend einschätzt, dass man es einfach so miteinbeziehen kann.

Und wenn das so ist, dann würde Schweden dies lieber nicht mitgeteilt bekommen. Es ist klar, dass Schweden eine NATO U-Boot Präsenz auf seinem Territorium nicht offiziell billigen kann, als einen Teil der Anti-U-Boot Kriegsführung oder von Plänen für einen zukünftigen Krieg mit Russland. Beide Seiten wissen das.

Vorhersage

Meine abschließende Vorhersage ist daher recht einfach: Wegen der oben genannten Gründe wird das schwedische Militär die ganze Angelegenheit bald abblasen und die Affäre wird ihren Zweck auch erfüllt haben – und zwar genau wegen der fehlenden Aussagen: was es war, wer es war oder warum es war. Oder überhaupt etwas war.

Was der Zweck des Ereignisses gewesen sein mag, wird wohl erst in der Zukunft herauskommen. Oder vielleicht auch niemals – falls der Zweck „Furchtologie“ mit dem Ziel einer gesteigerten Militarisierung war. Irgendjemand irgendwo weiß sicher was da abläuft. Und sie setzen die Sicherheit der Bürger einem Risiko aus, wegen Absichten, die sie uns nie wissen lassen würden.

* Originalartikel: "What submarine in Sweden?"
Jan Oberg ist Direktor der Transnational Foundation for Peace & Future Research, Lund, Schweden.


Übersetzung aus dem Englischen: Eckart Fooken.

Nachbemerkung der AG Friedensforschung:
Am 25. Oktober 2014 meldeten die Medien, dass die schwedische Regierung die Suche nach dem angeblichen U-Boot ohne Ergebnis abgeblasen hat. War also wieder nichts mit einem russischen U-Boot, der in schwedischem Hoheitsgewässer spioniert oder andere böse Dinge im Schilde führt! Eine ähnliche Geschichte erlebte die Welt 1981/82 und danach fast im Jahrestakt. Gefunden wurde nie etwas.
Die U-Boot-Jagd fand just in den Tagen statt, als im schwedischen Parlament die neue Militärvorlage diskutiert wurde. Konservative Rüstungsbefürworter nutzen den Vorfall, um mehr Geld für das Militär zu fordern. Und was passiert? Im Haushaltsentwurf vom 22. Oktober sind zusätzliche Millionen für das Militär eingesetzt worden. - Das war's wohl.
Jan Oberg hat den Rückzieher der Regierung in dem obigen Artikel im Übrigen vorhergesagt: "Wegen der oben genannten Gründe wird das schwedische Militär die ganze Angelegenheit bald abblasen und die Affäre wird ihren Zweck auch erfüllt haben – und zwar genau wegen der fehlenden Aussagen: was es war, wer es war oder warum es war. Oder überhaupt etwas war."



Zurück zur Schweden-Seite

Zur Schweden-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage