Schweden: Protest gegen Bombodrom
Ab Montag gemeinsame Manöver mit USA
Von Gregor Putensen *
Ungeachtet des formal militärbündnisfreien Status Schwedens ließ sich
die im militärischen Fahrwasser der USA treibende Regierung in Stockholm
vom Pentagon nicht zweimal bitten und beraumte im Vidsel-Gebiet nördlich
von Lulea amerikanisch-schwedische Bombenabwurfübungen an.
Ab Montag (26. Juli) sollen 20 US-Kampfflugzeuge samt 250 Mann
Bodenpersonal zusammen mit den schwedischen Luftstreitkräften zwei
Wochen lang ihre Treffsicherheit und ihr Zusammenwirken üben. Ihr
»Bombodrom« ist das der samischen Urbevölkerung zugehörige Gebiet
Nordschwedens.
Die von der schwedischen Regierung im April bekannt gegebene
Entscheidung darüber blieb vage und sprach davon, dass lediglich die
Verwendung von »Bomben ohne Sprengwirkung geplant« sei.
Trotz Urlaubssaison wächst Widerstand auf lokaler und Landesebene. Die
für ihre antimilitaristischen Aktionen im Zusammenhang mit den
Wintermanövern der NATO auf schwedischem Gebiet bereits bekannte
Organisation »Ofog« (»Unfug«) mobilisiert erneut gegen eine
unwidersprochene Hinnahme der anlaufenden Bombenübungen. Überdies wenden
sich die Ofog-Akteure gegen die Kriege in Irak und Afghanistan und die
zunehmende Vasallenrolle, die den Streitkräften ihres Landes an der
Seite der USA und der NATO zugedacht wird. Sie machen darauf aufmerksam,
dass nicht schlechthin die Natur Nordschwedens für weltweiten
militärischen Interventionismus geopfert werden soll. Zugleich wird der
besondere UNO-Schutzstatus des samischen Siedlungsgebietes hervorgehoben.
Die Existenzgrundlage der Samen ist die Rentierzucht. Daher wird auch
die Frage nach Art und Wirkungsweise der für die Übungen vorgesehenen
Bomben gestellt. Handelt es sich um Napalm-, Cluster-, Phosphor-,
Chemie- oder abgereicherte Uranbomben? Diese könnten für die höchst
sensible Nahrungskette unabsehbare Folgen haben. Bislang waren
entsprechende Auskünfte weder von der Regierung noch vom
Verteidigungsministerium zu erhalten.
Unterdessen haben sich Prominente, vor allem aus Wissenschaft, Kultur
und Friedensforschung, mit einem Aufruf gegen die Militärübungen zu Wort
gemeldet. Sie dürften der bürgerlichen Vierparteienregierung betreffs
ihrer sozial- und sicherheitspolitischen Bilanz mit Blick auf die
Parlamentswahlen im September Unannehmlichkeiten bereiten.
Die Ofog-Aktivisten beschränken sich nicht auf verbalen Protest. Sie
planen im Vidsel-Gebiet Störaktionen durch Eindringen in das
Sperrgebiet. Und am 27. Juli wollen sie in Luleå eine Friedenskundgebung
veranstalten.
* Aus: Neues Deutschland, 24. Juli 2010
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