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Nein zum NATO-Beitritt

Hälfte der schwedischen Bevölkerung steht Militärbündnis laut aktueller Umfrage ablehnend gegenübe

Von Gregor Putensen *

Die Eliten des bürgerlichen Parteienspektrums in Schweden und ihre Massenmedien haben einen Rückschlag erlitten. Laut der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts SIFO ist der Anteil der NATO-Befürworter im Land seit der letzten Umfrage im März 2009 von 33 Prozent auf 23 Prozent gesunken. Die Hälfte der Befragten lehnt eine Mitgliedschaft in der NATO grundsätzlich ab. 27 Prozent sind unentschlossen. Die am 20. Mai in der Svenska Dagbladet veröffentlichten Ergebnisse repräsentieren den tiefsten Sympathiewert für die NATO seit Beginn der Umfragen zu dieser Fragestellung.

Seit Ende des Kalten Krieges bemühen sich nicht nur die NATO, allen voran die USA, sondern auch führende Politiker Schwedens um einen Beitritt des Landes zu diesem Militärblock. Auch die sozialdemokratische Regierungen waren aktiv, das fast zweihundert Jahre militärbündnisfreie Land der NATO anzunähern. Dabei ersparte Schwedens Neutralitätskurs insbesondere während des Zweiten Weltkrieges den Bürgern des Königreiches die verheerenden Konsequenzen von Tod und Vernichtung. Die schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte materielle und soziale Wohlfahrt war nicht zu Unrecht von der Mehrheit des schwedischen Volkes mit der Neutralitätspolitik der über 40 Jahre regierenden Sozialdemokraten begriffen worden.

Seit dem EU-Eintritt von 1995 haben sich jedoch die parteipolitischen Kräfteverhältnisse deutlich zugunsten des bürgerlich-konservativen Lagers verschoben. Schweden war 1994 der von den USA inspirierten sogenannten Partnerschaft für den Frieden beigetreten und beteiligte sich nach dem Aggressionskrieg der NATO gegen Jugoslawien an der militärischen Überwachung der zerfallenden Teilstaaten. Seit 1995 laufen regelmäßige Meinungstests, die über den Erfolg der systematischen Beeinflussung der Schweden durch die zu drei Vierteln in bürgerlicher Hand befindlichen Massenmedien Aufschluß geben. Diese betreiben seit 2006 mit dem Beginn der Periode bürgerlicher Koalitionsregierungen eine noch massivere Propaganda für einen NATO-Beitritt, gestützt auf das vermeintlich logische Argument, daß ja heute ohnehin die in Auslandseinsätzen eingesetzten Truppen Schwedens zu 90 Prozent unter NATO-Kommando stünden. Deshalb wäre es wünschenswert, in das Bündnis einzutreten, um einen größeren schwedischen Einfluß auf dessen Entscheidungen ausüben zu können.

Dieser Logik wollen die Schweden offenbar nicht folgen. Trotz gegenteiliger Propaganda zweifeln immer mehr Menschen am Sinn des Krieges in Afghanistan, an dem Schweden mit einem Kontingent von über 500 Soldaten (und etlichen Todesopfern) beteiligt ist.

* Aus: junge Welt, 31. Mai 2011


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