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Weichenstellung Richtung NATO

Nordeuropäische Staaten wollen gemeinsame "Verteidigung" stärken

Von Gregor Putensen *

Die nordeuropäischen Staaten forcieren ihre militärische Zusammenarbeit. Diese ist mit einer stärkeren Bindung an die NATO verknüpft.

Ende vergangener Woche hatte die Atlantische Gesellschaft Schwedens zu einer pompösen Konferenz über Nordeuropas Sicherheit nach Stockholm eingeladen. Das Aufgebot prominenter »Atlantiker« nicht nur aus den nordischen Staaten in Gestalt aller Außen- und Verteidigungsminister, sondern auch aus der NATO und EU, ließ keinen Zweifel daran, dass diese Konferenz vor allem vom militärischen Sicherheitsverständnis bestimmt werden sollte. So titelte die konservative »Svenska Dagbladet« durchaus zutreffend: »Zur Analyse der Nordischen Verteidigung ist die NATO zur Stelle«.

Die Veranstalter proklamierten drei nach ihrem Verständnis »gute Gründe« für eine Stärkung der nordischen Zusammenarbeit auf militärpolitischem Gebiet. Dies war immerhin ein bislang weitgehendes Tabu für die offiziell militärisch bündnisfreie Außenpolitik Schwedens und Finnlands gegenüber den drei nordischen NATO-Mitgliedsstaaten Dänemark, Norwegen und Island. Die erhobene Forderung nach intensivierter militärischer Kooperation wird mit dem wachsenden strategischen Stellenwert Nordeuropas begründet.

Erstens sei die Region dabei, »einen Teil des Gewichtes wiederzuerlangen, das sie während des kalten Krieges besaß«. Und zwar vor allem, weil sich in den arktischen Gebieten etwa ein Viertel der globalen Erdöl- und Erdgasvorräte befindet. Andererseits aber auch, weil Russland seine Großmachtambitionen »immer ungenierter« behaupte. Auch wenn man nicht eine »bewaffnete Invasion der Russen« fürchten müsse, werde dennoch ökonomischer, diplomatischer und politischer Druck, gestützt auf militärische Mittel, als Einflussnahme Russlands auf die Länder des Ostseeraumes als Option behandelt.

Zweitens werde es die Steuerzahler in den Staaten des Nordens erfreuen, wenn ihre Zahlungen an den Fiskus nun »sinnvoll« – beispielsweise durch größere waffentechnische Serien auf Basis vereinheitlichter Standards – verwendet würden und eine höhere Verteidigungs- und Operationsfähigkeit ihrer Streitkräfte ermöglichten. Und drittens, so hofften die Konferenzinitiatoren, werde eine gesteigerte militärische Einsatzfähigkeit der Staaten Nordeuropas ihnen einen markanten Zuwachs an Einfluss gegenüber den »zentralen Akteuren in den euroatlantischen Sicherheitsstrukturen«, also gegenüber den USA, der BRD, Frankreich und Großbritannien, garantieren.

NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer spielte bei allem Gerassel von Rüstungsprojekten und militärischen Optionen den Treuherzigen. In Stockholm und später in Helsinki versicherte er, sich keinesfalls in die Debatte um eine NATO-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands einmischen zu wollen. Aber er sähe es gerne, wenn sich beide Länder an der Schnellen Einsatztruppe der NATO beteiligen würden. Vor dem nächsten NATO-Gipfel im April haben nunmehr die Regierungen in Stockholm und Helsinki darüber Entscheidungen zu fällen. Wie diese ausfallen werden, dürfte kaum Zweifel hervorrufen.

* Aus: Neues Deutschland, 16. November 2007


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