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Königliche "Sorge" für saudische Frauen

Staatsreligion setzt Gleichbehandlung Grenzen

Von Karin Leukefeld *

Die politischen Erwartungen an das am Mittwoch (28. März) in Saudi-Arabien eröffnete arabische Gipfeltreffen sind nicht sehr hoch. Profitieren wird zumindest die Bevölkerung des Gastgeberlandes.

Was immer das Ergebnis des Gipfels der Arabischen Liga im saudischen Riad sein wird, die Tourismusindustrie hat schon gewonnen. Nur Stunden nachdem das islamische Wochenende wegen des Treffens offiziell um zwei Tage verlängert wurde, waren die Flüge nach Jiddah ausgebucht. Die Saudis nutzen den königlich verkündeten Sonderurlaub für Kurzreisen. Jiddah ist wegen des angenehmen Klimas um diese Jahreszeit beliebt.

Das Interesse am Treffen der arabischen Spitzenpolitiker hält sich im Volke dagegen in Grenzen, was auch daran liegen dürfte, dass die autoritär herrschende Königsfamilie zu viel Politik für ihre Untertanen ohnehin nicht für gut hält.

Seit Gründung des Staates durch König Abdul Aziz im Jahre 1932 stammen die Herrscher aus der Al-Saud-Dynastie. Es gibt keine Parteien, ein den König beratendes Gremium (Madschlis al Schura) von 150 ernannten Personen hat dekorativen Charakter. Und als König Abdullah jüngst die Amtszeit seiner Minister per Dekret um vier Jahre verlängerte, wurde das – zumindest offiziell – nicht in Frage gestellt. Abdullah war im August 2005 seinem Halbbruder Fahd auf dem Thron gefolgt.

In der Tradition arabischer Herrscher »sorgt« sich das Königshaus um seine Untertanen und kontrolliert sie. Die königliche Wohltätigkeitsstiftung baut Häuser für die Armen und nimmt sich der Gnadengesuche von Todeskandidaten in Gefängnissen an. Eine Tugendkommission zieht Tag und Nacht durch die Straßen Riads, um Verstöße gegen Moral und islamisches Recht aufzuspüren. Als sich die Beschwerden über männliche Verkäufer in Geschäften für Damenbekleidung häuften, wurde ein Gesetz verabschiedet, wonach nur noch Frauen im einschlägigen Fachhandel arbeiten sollten. 200 Frauen wurden mit der Überwachung dessen beauftragt. Arbeitsminister Ghazi al Gosaibi erklärte, Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen, habe »seit 25 Jahren im Königreich Vorrang«.

Die Rechte der Frauen mögen unter Abdullah an Bedeutung gewonnen haben, doch die strengen Regeln der Staatsreligion, des islamischen Wahhabismus, setzen auch dem saudischen Herrscher enge Grenzen. Die Onlinezeitung »Arab News« veröffentlichte kürzlich das Ergebnis einer Umfrage, die ein weiteres Kapitel der Frauendiskriminierung aufzeigte: das Erbrecht. Meist sind es die engsten Angehörigen, Onkel oder Schwager, die Frauen das staatlich verfügte Erbrecht und oft auch das Sorgerecht für die Kinder versagen, wenn der Ehemann stirbt. Stattdessen werden sie in eine neue Ehe mit Verwandten des Verstorbenen gedrängt. Wie in anderen arabischen Staaten unterliegen auch die Frauen in Saudi-Arabien der »Fürsorge« und damit der Kontrolle durch männliche Familienangehörige.

* Aus: Neues Deutschland, 29. März 2007


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