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Mit G8 für Arbeit und gegen Terror

Russlands Präsident will Risiko-Management als Schwerpunkte für Gipfel in Sotschi setzen

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Der Schwarzmeerkurort Sotschi ist nicht nur Austragungsort der olympischen Winterspiele. Hier richtet Russland auch den G8-Gipfel aus.

»Risiko-Management im Interesse von stabilem Wachstum und einer sicheren Welt«. Darauf will sich Russland, das in diesem Jahr den Vorsitz in der G8-Gruppe innehat, bei der Vorbereitung des nächsten Gipfels konzentrieren. Er findet Anfang Juni in Sotschi statt.

Zur Vorbereitung gehört nun auch der Appell, den Präsident Wladimir Putin zum Jahreswechsel an seine Amtskollegen richtete. Darin fordert Russland seine Partner auf, »komplexe und gemeinsame Mechanismen zu entwickeln, die die Möglichkeit bieten, akute Risiken unter Kontrolle zu bringen«. Darunter fallen aus Moskauer Sicht vor allem Drogen, Extremismus und Terrorismus. Bei diesen Themen sieht Russland nach dem Doppelanschlag in Wolgograd Anfang der Woche auch für sich selbst akuten Handlungsbedarf.

Wichtig, so heißt es weiter in Putins Botschaft an die G8-Staatschefs, seien auch Schritte zur Regelung regionaler Konflikte, zum Schutz der Gesundheit und zur »Bildung eines globalen Systems des Managements von Risiken«, die »mit Natur- und technisch bedingten Katastrophen verbunden sind«.

Stabilität sei nur mit kontinuierlichem Wirtschaftswachstum möglich, schreibt Putin weiter. Russland werde daher auf dem Gipfel in Sotschi einen Maßnahmekatalog zur Stimulierung des globalen Wachstums, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Beseitigung von Handelshemmnissen wie Protektionismus vorlegen.

Ähnliche Schwerpunkte hatte Russland schon beim Vorsitz in der G20-Gruppe – dem Klub der weltweit am schnellsten wachsenden Staaten – gesetzt. Deren Gipfel fand im Herbst 2013 in St. Petersburg statt. Experten vermuten, Russlands langfristiges Ziel bestehe darin, der G20-Gruppe jene Führungsrolle zuzumessen, die derzeit die G8-Staaten haben. Außen- und sicherheitspolitisch, aber auch in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte habe Moskau mit Staaten wie China mehr Gemeinsamkeiten als mit den USA und Westeuropa.

Dem Klub der acht weltweit führenden Industrienationen, auf die 49 Prozent des globalen Exports, 51 Prozent der Industrieproduktion und 49 Prozent der Aktiva des Internationalen Währungsfonds IWF entfallen, gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und die USA seit der Gründung 1975 an. Kanada wurde ein Jahr später Mitglied. Russland erhielt 1998 Beobachterstatus.

2005 wurde die Russische Föderation offiziell als Vollmitglied aufgenommen und richtete in St. Petersburg 2006 erstmals den Gipfel aus. Der Kreml bleibt bei finanz- und währungspolitischen Beratungen jedoch nach wie vor in den meisten Fällen vor den Türen. Kritiker im Westen, vor allem in den USA, einigten sich daher auf die Formel »G Siebeneinhalb«. Spätestens mit dem Gipfel in Sotschi, der mit ähnlichem Pomp wie die Olympischen Spiele über die Bühne gehen soll, will Moskau solche Schmach mit offensiver Vorwärtsverteidigung tilgen.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 4. Januar 2014


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