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Russe werden ist nicht schwer

Präsident unterzeichnete Gesetz über deutlich vereinfachte Einbürgerung / Angebot mit Blick auf die Ostukraine

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Mit seinem Einbürgerungsgesetz, so Kritiker, erweitert Moskau seine Möglichkeiten zur Unterstützung russischsprachiger Ukrainer.

Deutlich vereinfachte Regeln für die Einbürgerung von »Trägern russischer Sprache und Kultur« sieht ein Gesetz vor, das die Duma letzte Woche im Schnelldurchgang durchwinkte und das Präsident Wladimir Putin am Montag unterzeichnete. Davon sollen, wie es in den Durchführungsbestimmungen heißt, nicht nur Bürger der einstigen Sowjetrepubliken profitieren, sondern auch Nachkommen derer, die auf dem Gebiet des vorrevolutionären Russischen Reiches wohnhaft waren. Vorausgesetzt, Geburtsort oder Wohnsitz liegen auf dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation.

Um als Sprachträger – also Muttersprachler – anerkannt zu werden, müssen Ausländer und Staatenlose sich von einer Kommission begutachten lassen. Dabei müssen sie nicht nur nachweisen, dass sie Russisch fließend in Wort und Schrift beherrschen. Es geht auch darum, dass sie ihre Muttersprache »zu Hause sowie in ihrer Kultursphäre ständig gebrauchen«. Wer vor den Juroren Gnade findet, wird bei der Einreise nach Russland sowie bei der Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung bevorzugt behandelt. Drastisch verkürzen sich für sie auch die Fristen für die Einbürgerung und die Liste amtlicher Dokumente, die dem Antrag beizufügen sind.

Das postkommunistische Russland handhabte gleich nach dem Systemwechsel 1991 die Verleihung der Staatsbürgerschaft sehr großzügig und unbürokratisch. Damit sollte den rund 25 Millionen ethnischen Russen, die damals in nunmehr selbstständigen nachsowjetischen Republiken lebten und sich – vor allem in Zentralasien – über massive Diskriminierung beklagten, der Weg zurück in die historische Heimat erleichtert werden.

Regen Gebrauch machten davon auch die Bewohner Transnistriens, das sich 1992 von Moldawien lossagte, und von Georgiens abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien. Dort hatten schon vor dem Augustkrieg, den sich Moskau und Tiflis 2008 lieferten, über 80 Prozent einen russischen Pass.

Russlands erster Präsident Boris Jelzin ließ den Geltungszeitraum für die vereinfachte Einbürgerung mehrmals verlängern. Nachfolger Putin brachte dagegen schon in seiner ersten Amtszeit ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz auf den Weg. Damit wurden die Zugangskriterien massiv verschärft. Berechtigt zu einem Antrag war nur noch, wer zuvor mindestens fünf Jahre in Russland gelebt hatte: Legal, mit einer von der Föderalen Einwanderungsbehörde FMS ausgestellten ständigen Aufenthaltsgenehmigung.

Die jetzt beschlossenen Lockerungen erklären kritische Beobachter mit den Entwicklungen in der Ostukraine. Anders als auf der Halbinsel Krim fordern dort nicht ethnische Russen, sondern russischsprachige Ukrainer mehr Rechte bis hin zu einem Referendum über den künftigen Status ihrer Regionen. Moskaus Möglichkeiten zu einem Eingreifen sind jedoch begrenzt – geltendes Recht beschränkt sie auf den Schutz der Interessen russischer Mitbürger im Ausland.

* Aus: neues deutschland, Dienstag 22. April 2014


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